EU-Wahlkampf auf Tirolerisch
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Das Gespräch führte Daniel Spichtinger
Als Gebirgsregion ist Tirol im In- und Ausland für Tourismus und Wintersport bekannt. Und hin und wieder hört man im fernen Wien und im noch ferneren Brüssel die Tiroler über die LKW-Lawine schimpfen. Aber wie gestaltet sich eigentlich ein EU-Wahlkampf im Westen Österreichs? Babel Wien sprach mit dem Tiroler Europa-Abgeordneten Richard Seeber (ÖVP) über den Wahlkampf, die Linie der Volkspartei und seine bisherige Arbeit im Europaparlament. Babel Wien: Herr Abgeordneter, was sind Ihre Eindrücke vom Wahlkampf in Tirol? Seeber: Erstens ist die Botschaft, dass die Wahlen überhaupt stattfinden bei vielen Bürger/innen nicht angekommen. Daher kommen viele Fragen, wann die Wahlen stattfinden und welche Kompetenzen das Europaparlament überhaupt hat. Drittens wollen die Wähler/Innen wissen was bisher getan wurde. In Tirol sind vor allem die Fragen Verkehr und Umweltschutz präsent sowie allgemeine Bedenken, dass man vom großen Brüssel überfahren wird. Babel Wien:Finden Sie die Wahlkampflinie der ÖVP nicht doppeldeutig? Einerseits präsentiert man sich als die Partei Europas, andererseits wird mit Herrn Strasser ein Spitzenkandidat aufgestellt, der auch EU-Skeptiker ansprechen soll. Seeber: Die ÖVP ist die einzige Partei die sich klar zu Europa bekennt. Herr Strasser hat sich in einer Zeit in der österreichischen Politik sehr um europäische Zusammenarbeit bemüht, zum Beispiel durch die Gründung der Salzburger Gruppe (Zusammenarbeit mit den neuen Mitgliedsstaaten). Unsere Antwort ist, dass wir nur in Europa für Österreich und Tirol etwas erreichen können.Babel Wien:Was ist eigentlich Ihr Amtsverständnis? Wie sehen Sie die Balance: Einerseits die Interessen Österreichs und andererseits die Interessen der Europäischen Volkspartei zu vertreten? Seeber: Das ist ein künstlicher Gegensatz. Im Allgemeinen ist das, was gut für Europa ist, auch gut für Österreich und Tirol. Der Glaube dass es hier immer Konflikte gibt stimmt einfach nicht. Es geht um Frieden, Wettbewerbsfähigkeit und wirtschaftlichen Erfolg und man sollte hier keine Gegensätze konstruieren. Ich vertrete innerhalb der ÖVP die Interessen des Westens, gekennzeichnet durch Berglandschaft, Verkehrsaufkommen und Tourismus und bringe diese Themen im europäischen Konzert ein. Eine aktive Politik in diesen Bereichen hilft Europa und setzt gleichzeitig unsere Interessen durch. Babel Wien:Was würden Sie als ihre größten Erfolge bezeichnen? Welche Ziele konnten Sie nicht erreichen? Seeber: Der größte Erfolg war, sowohl das Umwelt- als auch das Chemiepaket (REACH) in einer Form gestaltet zu haben, die sowohl den Umwelt- und Konsumentenschutz respektiert als auch durch die Wirtschaft umsetzbar ist – sprich keine Arbeitsplätze vernichtet. Genau das ist die Herausforderung der Umweltpolitik und man muss hier auf die richtige Balance achten. Deshalb bin ich sowohl mit NGOs als auch mit der Wirtschaft in Kontakt. Leider sind aber manche Regelungen durch eine starke Überbürokratisierung gekennzeichnet und an diesem Bürokratieabbau bin ich bisher gescheitert. Insbesondere die Sozialisten und die Grünen sind von einem Misstrauen gegenüber der Wirtschaft gekennzeichnet. Babel Wien:Cafe Babel als Internetplattform mit Blogs in verschiedenen Städten und Regionen hat das Ziel die europäische Öffentlichkeit zu informieren. Aber gibt es so etwas überhaupt? Kann man einen europäischen Wahlkampf führen? Der jetzige ist ja sehr innenpolitisch dominiert. Seeber: Ich bin außerordentlich dankbar für die Arbeit von Organisationen wie Cafe Babel, die es sich zum Ziel gemacht haben eine europäische Öffentlichkeit zu schaffen – junge Menschen, die dafür ihre Freizeit unentgeltlich zur Verfügung stellen. Ich glaube, dass Ihre Generation die ist, welche in ein paar Jahren Erfolg haben wird, aber das ist ein Projekt welches im Aufbau begriffen ist. Es braucht eine Grassroot-Bewegung wie Cafe Babel, damit sich junge Menschen informieren können. Ich muss Ihnen zustimmen, dass der Wahlkampf sehr nationale Züge hat. Ich bedauere auch, dass die Wahlkämpfe bei den Nationalratswahlen kaum je europäische Aspekte haben. Dabei sollte uns bewusst sein, dass mit der Wahl des nationalen Parlaments – und damit der Regierung – wichtige Vertreter in Brüssel gewählt werden [nämlich als Vertreter Österreichs im Rat Anm. d. Red.]. Hier haben wir noch einiges an Bewusstseinsbildung zu tun. Babel Wien:Könnten Sie sich vorstellen, dass die europäische Volkspartei einen europäischen Spitzenkandidaten oder einen Kandidaten als Präsidenten der Europäischen Kommission nominiert?Seeber: Bereits jetzt hängt es vom Ausgang der Wahl ab, wer Kommissionspräsident wird und welche Parteizugehörigkeit der Präsident des europäischen Parlaments hat. Hier entwickeln sich die Dinge sehr schnell – manchmal schneller als die juristischen Umsetzungen. Einen europäischen Spitzenkandidaten kann ich mir durchaus vorstellen, entweder für die Wahlen 2014 oder spätestens 2019 – weil sich eine europäische Öffentlichkeit doch recht rasch bilden wird, nicht durch eine Verdrängung der nationalen Öffentlichkeit sondern im Konzert mit ihr.