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EU vs. USA: Demokratie - darf’s ein bisschen direkter sein?

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Politik

Wirtschaft, Banken, Anleihen und Budgets – die Grundlage für all dies sollte vor allem eines sein: Europas Demokratie! Aber wie funktioniert diese eigentlich? Fünfter und letzter Part unserer transatlantischen Beobachtungen zur Krise.

Die Europäische Union beschäftige sich lange Zeit hauptsächlich mit komplizierten wirtschaftlichen Verordnungen. Die grundlegende Richtung wurde durch gewählte Politiker vorgegeben, die Ausarbeitung der technischen Details wurde der Kommission überlassen. Dieses System stößt nun immer stärker an seine Grenzen. Die Union soll Einfluss auf Kernbereiche staatlicher Souveränität bekommen, Reformen berühren das Budgetrecht, das Recht Steuern zu erheben, Sozialsysteme zu gestalten oder das nationale Finanzsystem zu kontrollieren. Deshalb wird eine starke demokratische Legitimation der EU-Institutionen immer wichtiger.

Auch die USA hatten lange Zeit einen relativ schwachen Zentralstaat, der sich auf einige Kernkompetenzen konzentrierte. Selbst nach den Sozialreformen Roosevelts und dem Aufbau des Wohlfahrtsstaates blieb den amerikanischen Bundesstaaten große Freiheit, die sie bis heute sehr aktiv nutzen.

Europa, darf’s ein bisschen direkter sein?

Das große Problem in Europa ist vor allem, dass die meisten europäischen Bürger nicht das Gefühl haben, Einfluss auf die Politik der EU nehmen zu können. Das Europäische Parlament wirkte bisher meist eher farb- und machtlos. Bei den nächsten Europawahlen 2014 wollen die Parteien deshalb erstmals europaweite Spitzenkandidaten aufstellen, die, so der Wunsch des Parlaments, auch Kandidaten für den Kommissionspräsidenten sein sollen. Sollte dies gelingen, könnte es einen Schub für die europäische Demokratie bedeuten.

Gleichzeitig werden Wahlen in den Mitgliedsstaaten immer noch mit nationalen Themen gewonnen, kaum einem Wähler ist bewusst, dass in Wirklichkeit dieselben nationalen Minister und Staatschefs auch hauptverantwortlich für die EU-Politik sind.

Großen Integrationsschritten wie sie nun überlegt werden, muss überdies jeder Staat einzeln zustimmen. Dies ließ die Krisendiplomatie auf Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs in den letzten Jahren so blühen, dass man sich als Beobachter manchmal jäh ins stets gipfelnde und tanzende Europa des 19. Jahrhundert zurückversetzt fühlte.

Krisendiplomatie: Beobachter fühlen sich ins stets gipfelnde und tanzende Europa des 19. Jahrhundert zurückversetzt.

Auf Dauer kann so eine schwer durchschaubare Politik aber im 21. Jahrhundert nur begrenzt funktionieren, nicht von ungefähr werden die Rufe nach Transparenz, Mitbestimmung und klarer politischer Verantwortlichkeit immer lauter.

Deshalb wird eine wirklich demokratische Union immer wichtiger. Mit einem direkt gewählten Parlament und einer Länderkammer, einer gewählten Regierung und einem direkt gewählten Präsidenten. Diese Institutionen könnten - so Europa dies will – mit deutlich größerer demokratischer Legitimation agieren. Durch eine solche Reform wird klar festgelegt, welcher Akteur (Nationalstaat oder EU) für welche Politik steht und die Bürger könnten dementsprechend diskutieren, kritisieren, mitbestimmen und vor allem die Entscheidungsträger wählen oder abwählen. Dabei geht es nicht um den europäischen Superstaat, sondern um ein demokratisches Grundgerüst für die bereits bestehende Union.

Amerika hatte seinerseits von Anfang an eine dynamische Demokratie als Basis, die in den Kommunen beginnt und ihre Vitalität über die Bundesstaaten bis zur Wahl des Kongresses und des Präsidenten erhält. Dieses pulsierende demokratische Gemeinwesen ist es schlussendlich, welches die Vereinigten Staaten, mehr als alles andere, alle Krisen der letzten Jahrhunderte erfolgreich überwinden ließ.

Das ist es, was Europa in dieser Zeit von Amerika lernen kann: Die Wege zur Lösung seiner momentanen Krise können gefunden werden, sie sind größtenteils sogar schon vorhanden. Europa muss sich nur über zwei Punkte klar werden: Ob dieser Weg gemeinsam beschritten werden soll. Und dass es wichtig ist, ihn mit dem Volk auf demokratische Weise zu beschreiten.

Wenn sich die Europäer zu diesem Weg entscheiden, werden sie auch Erfolg haben. Und dann mögen Historiker in 200 Jahren vielleicht zurückblicken, wie wir es in dieser Reihe nach Amerika getan haben, und in unserer Zeit die Geburtsstunde der Vereinigten Staaten von Europa sehen.

Hier geht’s zum ersten (EU vs. USA: Die 8,2 Billionen Euro-Frage), zweiten (EU vs. USA: Denkt kontinental!), dritten (EU vs. USA: Kalifornische Äpfel oder italienischer Prosciutto?) und vierten Teil (EU vs. USA: Unter der südlichen Sonne) der Reihe.

Illustrationen: ©Adrien Lecoärer/http://plcrr.com/; Im Text (cc)European Parliament/flickr