Dieses Jahr hat der NATO Gipfel vom 2. bis zum 4. April in Rumänien stattgefunden. Neben den Beitrittsverhandlungen, die mit dem Beitritt von Kroatien und Albanien und der Ablehnung der Ukraine und Georgien abschlossen, hätte dies ein Hochpunkt internationaler Politik sein müssen. Im Hinblick auf vorab erfolgte Ankündigungen Sarkozys bezüglich der Reintegration Frankreichs als Vollmitglied, ebenso seine Werbung für einen Europäischen Verteidigungspakt, konnte man gespannt auf gar revolutionäre Ergebnisse hoffen...aber „revolutionär“ ist offensichtlich kein Begriff, der dem internationalen Wortschatz entstammt.
Kein wirklich europäischer Gipfel
Gemäß den Aussagen der amerikanischen NATO Botschafterin am 22 und 25 Februar in Paris und in der London School of Economics haben die amerikanischen Repräsentanten in der europäische Verteidigungspolitik bisher nie ein Thema gesehen, welches Anlass dazu geben könnte, auf internationaler Ebene verhandelt zu werden. Besagte Botschafterin gibt selbst zu: „Ihnen erscheint es vielleicht seltsam, möglicherweise gar verdächtig, wenn eine amerikanische NATO Botschafterin Ihnen, den zukünftigen Britischen und internationalen Entscheidungsträgern gegenübersteht und und Sie dazu auffordert, für ein starkes Europa zu kämpfen.“ Nichtsdestotrotz, die Hürde scheint bereits genommen. Schließlich sind wir uns alle der Existenz einer zweiten internationalen Organisation bewusst, die fähig ist, für die weltweite Sicherheit zu sorgen...Nein! Da geht es wohl ein bisschen zu weit. Sicherlich, eine gemeinsame europäische Verteidigungspolitik besteht, man kann nur schwerlich die institutionellen, sehr gut einsatzfähigen Strukturen ausblenden. Eben diese Organisation ist im Übrigen soeben mit der NATO eine strategische Partnerschaft eingegangen. Aber nun gleich zu behaupten, dass die Europäische Union in der Lage wäre, Sicherheit weltweit zu gewährleisten...gelinde gesagt,das ist eher eine radikale Fehleinschätzung.
ESVP: legitim und anerkannt
Auch wenn sie noch immer nicht auf gleicher Augenhöhe zum mächtigen Nordatlantik Bund steht, so ist doch nicht bestreitbar, dass die ESVP für eine Verstärkung der europäischen militärischen Präsenz in der Welt gesorgt hat. Und damit ist nicht nur der Balkan gemeint. Dadurch wird nun die EU als entscheidender strategischer und politischer Partner wahrgenommen. Entscheidend auch für die Zukunft der NATO, die sich jetzt gezwungen sieht ihre Ziele und Prioritäten in Anbetracht der neuen „globalen Herausforderungen“ zu überdenken. Diese Nachjustierung wird nicht zuletzt von strukturellen Bedürfnissen geleitet. Schließlich sind 21 der 28 Mitgliedstaaten der NATO auch Mitglieder der Europäischen Union. Die USA, die zwar, wie jeder weiß, die finanziellen Zügel in den Händen halten, können sich nicht mehr vor der Handlungsstärke einer Europäischen Verteidigungspolitik verschließen, zu der acht zehntel der NATO Mitglieder beitragen. George W. Bush sah sich gezwungen zuzugeben : „Dass ein starker Nordatlantikbund zweifelsohne auf starke Europäische Verteidigungskapazitäten angewiesen ist“. Aber bei diesem scheinbaren Zugeständnis ist Vorsicht geboten! Man liefe Gefahr, dem amerikanischen Präsidenten die Worte im Munde umzudrehen. Dieser spricht nicht umsonst von den „Kapazitäten europäischer Verteidigung“ und nicht von „Europäischer Verteidigung“ an sich. Wenn Bush seine europäischen Partner dazu auffordert ihre Investitionen zu erhöhen, so spricht er keineswegs vom Auf- und Ausbau institutioneller und politischer Strukturen europäischer Verteidigungspolitik. Klar ist es löblich, die Finanzen der Mitgliedstaaten konsolidieren zu wollen. Aber jeder weiß, dass zwischen Bereitstellung von Finanzmitteln und faktischen Taten Welten liegen. Was nun konzeptuell auch als Revolution hätte durchgehen können, erweist sich bei genauerem Hinsehen als nicht mehr, als die x-te Unverschämtheit seitens der Amerikaner. „Auf diesem Gipfel ermuntere ich unsere Europäischen Partner dazu, ihre Verteidigungsbudgets zu erhöhen, um sowohl NATO als auch EU Operationen zu unterstützen. Die USA sind davon überzeugt, dass mit dem Ausbau der europäischen Verteidigungskapazitäten, die an Stärke gewinnenden europäischen Staaten in der Lage sein werden, bei Einsätzen auf gleicher Augenhöhe mit uns zu agieren.“ Anders gesagt, ESVP ist nicht dafür da, eigenständig tätig zu werden. Wir unterstützen eure Entwicklung eben nur so lange, wie es uns selbst nützt.
Eine autonome Europäische Verteidigung... aber bestimmt nicht unabhängig
Was Präsident Sarkozy anbelangt, so fügt sich sein Vorschlag in Bukarest nahtlos in sein Politik seit dem Botschaftergipfel letzten August: „Dieser Gipfel ist extrem wichtig. Er erlaubt es uns der NATO zu begegnen und die Europäische Verteidigungspolitik zu stärken. (..) Ich möchte Präsident Bush für seine Worte danken. Wir benötigen die NATO und ebenso eine europäische Verteidigung. Wir sind abgewiesen auf die Vereinigten Staaten und die Vereinigten Staaten sind angewiesen auf starke Verbündete.“ Der letzte Satz ist eloquent: beide Institutionen sind untrennbar miteinander verbunden. Auch wenn der französische Präsident auch weiter seinen Wunsch nach einem „autonomen“ und „noch stärkeren“ Europa äußert, so gibt er wohl zu, dass die transatlantische Leine nicht zu trennen ist. Die USA werden auch weiter die Zügel der Verteidigungswirtschaft in den Händen halten.Es ist also schön und gut eine autonomes Europa zu lobpreisen, aber solange die Verteidigungsinteressen der europäischen Staaten auch weiter von wirtschaftlichen und industriellen Bündnissen mit den USA bestimmt werden, wird es niemals eine wirkliche Unabhängigkeit geben. Und wenn es keine wirkliche Selbstbestimmtheit der europäischen Verteidigungspolitik gibt, wird die ESVP auch für immer in der unsichtbaren Faust der NATO eingeschlossen bleiben.Übersetzt von Waleria Schüle