EU-Kanada: Wallonen wehren sich gegen Ceta
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Die EU-Handelsminister haben sich am Dienstag nicht auf eine Unterzeichnung des Ceta-Abkommens einigen können und die Entscheidung vertagt. Widerstand kommt unter anderem aus dem französischsprachigen Teil Belgiens, ohne dessen Einverständnis die Föderalregierung dem Abkommen nicht zustimmen darf. Verspielen die Wallonen eine Chance für Europa oder sind sie die Stimme der Bürger?
Hospodářské noviny: Mit wem, wenn nicht mit Kanada?; Tschechien
Fassungslos über das mögliche Scheitern von Ceta nach sieben Verhandlungsjahren zeigt sich Hospodářské noviny: „Nach dem Brexit-Entscheid wollte die EU zeigen, dass auch 27 Länder voran kommen können. Aber der beschämende Streit um Ceta zeigt, dass sie sich nicht einmal über die Liberalisierung des Handels mit Kanada einigen können. Die Wallonen und ein paar andere Querulanten stellen alles auf den Kopf. Aber es geht nicht nur um die wallonischen Bauern, die genetisch modifizierte kanadische Produkte fürchten. Es geht um den gesamteuropäischen Protest derer, die den Eindruck haben, dass der Zug der Globalisierung abgefahren ist, und die nicht auf ihre bisherige Welt verzichten wollen, selbst wenn die von sich aus zusammenbricht. Mit wem sonst werden wir weitere Handelsabkommen in der globalisierten Welt zustande bringen, wenn wir uns nicht einmal mit dem uns kulturell nah liegenden Kanada einigen können?“ (Artikel vom 19. Oktober 2016)
Neue Zürcher Zeitung: Globalisierung gestalten statt blockieren; Schweiz
Enttäuscht zeigt sich auch die Neue Zürcher Zeitung, die erklärt, dass der Vertrag ganz im Sinne der EU ausgehandelt wurde: „[Kanada hat] Hand geboten zur EU-Idee eines Investitionsgerichts für Konflikte zwischen ausländischen Investoren und dem Gaststaat. Dieses überwindet Schwächen der bisher üblichen privaten Schiedsgerichte. All dies ist meilenweit entfernt vom Zerrbild der Gegner, die Ceta als Diktatur der Konzerne beschreiben, die den Rechtsstaat und die Demokratie ausheble. Wer die Globalisierung nicht aufhalten kann, aber gestalten will, braucht genau solche Abkommen, solange es keine multilateralen Fortschritte bei der Welthandelsorganisation mehr gibt. Wer Ceta hingegen ablehnt, muss sich fragen, ob er eigentlich gegen jede Handelsliberalisierung ist und damit das Geschäft der Wirtschaftsnationalisten betreiben will. Er muss dann aber auch negative Folgen auf Wachstum und Beschäftigung zu tragen bereit sein.“ (Artikel vom 19. Oktober 2016)
Jyllands-Posten: Populistische Wallonen machen alles kaputt; Dänemark
Jyllands-Posten fürchtet, dass Europa eine wichtige Chance verspielt: „In einer Zeit, in der sich wichtige Kräfte - darunter die beiden Präsidentschaftskandidaten in den USA - Richtung Protektionismus bewegen, in der der Welthandel stagniert und das globale Wirtschaftswachstum und der Arbeitsmarkt als Folge davon leiden, sind Freihandelsabkommen wichtiger denn je. Seit dem Zweiten Weltkrieg hat der Freihandel viele hundert Millionen Menschen aus der Armut geholt, indem er ökonomisches Wachstum und Beschäftigung geschaffen hat. Es wäre unerträglich, wenn eine Handvoll populistischer Wallonen ein solch weitreichendes Freihandelsabkommen, von dem die große Mehrheit der wahren Europäer profitieren würde, zerstören könnte.“ (Artikel vom 19. Oktober 2016)
De Morgen: Ceta trifft Kern der Europa-Debatte; Belgien
Gegen Kritik an den Wallonen verwehrt sich De Morgen: „Was fällt denen ein?, tönt es in Europa. Den gleichen Aufschrei hörte man nach dem Ukraine-Referendum in den Niederlanden oder nach dem Brexit-Votum. Offenbar wird die Volksvertretung als eine Bedrohung der Demokratie empfunden. Der Streit um Ceta trifft den Kern der Debatte über die europäische Demokratie. Darf ein Mitgliedsland - oder Teilstaat- noch nein sagen, wenn 'Europa' bereits ja gesagt hat? Ob die Twitter-Ökonomen es nun schön finden oder nicht: Solche 'klassischen' Verträge werden von einem wachsenden Teil der europäischen Bevölkerung nicht mehr unterstützt. Der Widerstand gegen Mega-Verträge reicht von euroskeptischen Rechtspopulisten bis hin zu Rot-Grün. ...Entweder wird man weiterhin legitime Kritik unterdrücken, oder das europäische Projekt wird irgendwann wirklich an der Wahlurne platzen - so wie es in England bereits geschehen ist.“
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