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EU-Gipfel: Südländischer Vorstoß und deutscher Machtrausch

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Politik

Die Staats- und Regierungschefs der Euro-Zone haben sich auf dem EU-Gipfel am frühen Freitagmorgen auf eine Bankenaufsicht und einen erleichterten Zugriff der Krisenstaaten auf den Rettungsfonds verständigt. Im Gegenzug hoben Spanien und Italien ihre Blockade gegen einen europäischen Wachstumspakt auf.

Europa hangelt sich weiter von Gipfel zu Gipfel, meinen Kommentatoren und kritisieren die Scheu vor einer politischen Union.

Handelsblatt: Nicht vorbereitet auf den Aufstand der Südeuropäer; Deutschland

Italiens Premier Mario Monti und sein spanischer Amtskollege Mariano Rajoy haben erreicht, dass Staaten künftig leichter auf Hilfen aus den Rettungsfonds ESFS und ESM zugreifen können, um die Zinsen für ihre Anleihen zu senken. Doch ein wirklicher Durchbruch war auch dieser Gipfel nicht, bedauert das wirtschaftsliberale Handelsblatt: "Insgesamt lautet die Bilanz der vergangenen Nacht: Das Ausfallrisiko der europäischen Steuerzahler bei der Euro-Rettung ist erneut gestiegen. Wie stark, dass muss sich noch erweisen. Denn die Beschlüsse wurden gestern Nacht noch nicht ausformuliert. [...] Der neuerliche Verhandlungsmarathon zeigt auch, dass die Euro-Retter die Lage auch im dritten Jahr der Krise nicht im Griff haben. Wieder einmal prallten die Interessen der beiden Lager - auf der einen Seite die finanzstarken Länder mit Angela Merkel an der Spitze, auf der anderen die finanziell angeschlagenen Staaten unter Führung von Mario Monti - voll aufeinander. Die Kanzlerin und EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy waren auf den Aufstand der Südeuropäer offensichtlich nicht vorbereitet." (29.06.2012)

La Repubblica: Sich muit dem kleinsten gemeinsamen Nenner begnügen; Italien

Die EU hangelt sich von Gipfel zu Gipfel, ohne die Rettung des Euros wirklich anzugehen, kritisiert die linksliberale Tageszeitung La Repubblica: "Wenn man die Antwort nicht weiß, wird die Frage übersprungen. Man geht zur nächsten Frage über, es gibt ja genügend. Die europäischen Gipfel werden vor allem dann von dieser Regel beherrscht, wenn sie als entscheidend gelten. Auf die Kernfrage, wie der Euro gerettet werden kann, wissen die Protagonisten der x-ten Brüsseler Therapie-Sitzung mal wieder keine Antwort. Nicht weil die Rettung unmöglich ist. Im Gegenteil. Es würde genügen, die Währung um eine politische Union zu ergänzen und zwar jetzt. Nur wagt keine der europäischen Führungskräfte, ihrer Wählerschaft einen Euro-Staat zu verkaufen. Weder heute noch morgen. [...] Deshalb läuft jeder Euro-Gipfel darauf hinaus, sich mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner zu begnügen. Entscheidend ist es, die Daseinsberechtigung zu retten. Mit anderen Worten: Ziel eines jeden Gipfels ist es, einen weiteren abhalten zu können." (29.06.2012)

Delo: Die wahre Herausforderung steht noch an; Slowenien

Auf dem EU-Gipfel haben sich die Staats- und Regierungschefs auf einen 120 Milliarden Euro schweren Wachstumspakt verständigt. Das war noch die leichteste Übung, die harten Prüfungen stehen den Politikern noch bevor, meint die linksliberale Tageszeitung Delo: "In diesen unsicheren Zeiten kann sich die Perspektive schon in einigen Monaten ändern. Trotz der Krisengipfel, die seit Ausbruch der Schuldenkrise vor zweieinhalb Jahren immer wieder stattfinden, ist noch keine überzeugende Lösung zur Bekämpfung der Krise in Sicht. Die Gefahr des Zusammenbruchs der Währungsunion wird immer wahrscheinlicher. Die Erwartungshaltung war schon vor dem Gipfel eher gering. [...] Der erste Tag des Treffens stand im Zeichen der Uneinigkeit darüber, wie man den Kampf gegen die Krise führen soll. Der Segen für den Wachstums- und Beschäftigungspakt, mit dem den Mittelmeerländern geholfen werden soll, war mehr oder weniger eine Routineangelegenheit. Doch die wahre Herausforderung, nämlich die Einführung von Maßnahmen gegen eine weitere Ausbreitung der Schuldenkrise, steht noch an." (29.06.2012)

To Vima Online: Für den deutschen Machtrausch werden wir alle zahlen; Griechenland

Deutschland wird bis zum Untergang des Euros nichts an seiner Haltung ändern, klagt die linksliberale Online-Zeitung To Vima mit Blick auf den EU-Gipfel in Brüssel: "Wir müssen endlich kapieren: Das, was von vielen Ländern Europas sowie von der internationalen Wirtschaft als enorm gefährliche Krise gesehen wird, ist für Berlin eine Chance, seine politische, wirtschaftliche und institutionelle Macht zu vergrößern. Wir müssen endlich aufhören, die deutsche Führung zu unterschätzen, indem wir behaupten, dass sie nicht wirklich versteht, was sie tut. Sie versteht es sehr gut. Doch wir wollen das nicht einsehen. [...] Die Deutschen sind nicht in der Lage, ihre Stärke zu verwalten. Sie waren immer von ihr berauscht. Und nun sind sie vom 'Traum' eines Europas unter deutscher Führung geblendet. [...] Sie werden diesen Traum nicht aufgeben, auch nicht in den letzten Momenten vor dem Untergang. [...] Für diesen Macht-Rausch werden wir alle zahlen. Europa und am Ende die Deutschen selbst." (29.06.2012)

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Illustrationen: (cc)-Alina-/flickr

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