EU Erweiterung, Papierherzen und eine Fliegerbrille
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Text: Christiane Lötsch // Fotos: Alexander Gumz
Über tief sitzende Ängste und neue Hoffnungen der kommenden EU Erweiterung diskutierten Piotr Buras (Autor & Journalist) aus Polen, Marijana Cosic (Theaterautorin) aus Serbien und Anel Spahovic (Doktorand) aus Bosnien mit Karolina Golimowska (Café Babel Berlin), den Orient Express Journalisten aus Kroatien, Türkei und Serbien und vielen
Besuchern. Das Kino der Regenbogenfabrik bot eine entspannte Atmosphäre, um Analysen und persönliche Erfahrungen der Redner zu hören und anschließend die gemeinsame Diskussion zu starten.
Wie ist nun die aktuelle Lage in den Balkan-Ländern? Anel wies auf das fehlende bürgerschaftliche Engagement in Bosnien hin, das die Menschen aus ihrer politischen Lethargie aufwecken könnte, die vorangegangene totalitäre Systeme und der Balkan-Krieg hinterlassen hätten. Der Beitritt zur Europäischen Union würde angesichts der momentanen Krise nicht mehr so attraktiv erscheinen; eventuelle Vorteile in ferner Zukunft liegen.
Piotr analysierte, wie der EU Beitritt von Polen ablief und welche Ängste sich als völlig unbegründet erwiesen haben. Zum Beispiel, dass westliche Europäer billiges Land aufkaufen würden, dass die Bauern durch Überflutung von Billigprodukten nichts mehr verkaufen würden oder dass sich die polnische Identität angesichts einer übermächtigen EU auflösen würde. Im Endeffekt sei der polnische Beitritt eine Erfolgsgeschichte gewesen. Vor allem die Fördergelder hätten die Wirtschaft angekurbelt. Laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung sind 65% der Polen von der EU begeistert.
Als Autorin wußte Marijana, wie es mit den Ängsten um die kulturelle Identität in Serbien aussieht. Nach den traumatischen Erfahrungen während des Balkan-Krieges bedauert sie nun die wiederkehrenden nationalistischen Einstellungen von Politikern und Menschen. Der "braindrain" von Künstlern und Intellektuellen sei eine Folge. Auch dass die junge Generation trotz Reisefreiheit die Möglichkeit nicht wahrnehmen würde, durch eigene Auslandserfahrungen ihre Perspektive zu verändern. Von stereotypen Vorstellungen zweier junger Serben, die nach Holland reisen, handelt auch ihr aktuelles Theaterstück.
Anel fügte hinzu, dass der Identitätsverlust mit der Befürchtung um politischen Machtverlust einhergehe. Er persönlich erhofft sich vom EU Beitritt weniger bürokratische Hürden für seine Promotion und zukünftige Karriere. Marijana wünscht sich, dass ihre Generation die Welt bald auch ohne Grenzen wahrnehmen könne.
Diese Hoffnungen wurden von einem fulminanten Konzert der Silly Circus Band weiter in den Abend getragen. Papierherzchen flogen durch den Raum, Badeanzüge und Fliegerbrillen betonten die Körper einzelner Bandmitglieder und alle zusammen sangen: "Yes, you can!"
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