Etiketten-Schwindel
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ruth esserBrüssel hat seine Lektion aus den Skandalen der Vergangenheit gelernt: Durch Lebensmittel-Etiketten soll der Verbraucher sicher gehen können, dass das, was drauf steht, auch drin ist.
2002 gab die Europäische Kommission eine detaillierte Umfrage in Auftrag. Sie hat ergeben, dass 90% der 16 041 befragten Europäer von der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) die Garantie für eine gesundheitsgerechte und sichere Lebensmittelherstellung erwarten. Dieser Anspruch der europäischen Verbraucher geht einher mit einer kleinen Revolution im Konsumverhalten und im Verhältnis zu unserer Erde: Ein erweiterter Obst- und Gemüseanbau wird unterstützt, die landwirtschaftlichen Nutzflächen aufgeforstet und die biologische Landwirtschaft gefördert. Es geht nicht mehr darum, viel zu produzieren, sondern darum, gut und nachhaltig zu produzieren. Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft und Transparenz in der Lebensmittelherstellung sollen heutzutage dem Wohlergehen der Tiere und der Sicherheit der Verbraucher dienen. Sie sind die Schlüsselwörter einer wieder entdeckten Wertschätzung der Lebensmittelqualität. Die restlose Ausbeutung der Felder ist vorbei: Die Landwirte weigern sich, die Erde auszubeuten. Und die Bürger sind dazu verdammt, immer zu wissen, woher genau die Waren kommen, die wir zu uns nehmen.
Etikettiertes Futter
Damit sich die Verbraucher auch zurecht finden, schmückt nun eine ganze Schar von Etiketten, von denen der eine Name unaussprechbarer ist als der andere, die Regale in den Supermärkten. Unter anderem stößt man dort auf g.U. (geschützte Ursprungsbezeichnung), g.g.A (geschützte geographische Angabe) und g.t.S. (garantiert traditionelle Spezialität). Dadurch sollen erfolgreiche Lebensmittel vor Nachahmerprodukten mit zweifelhaften Ersatzstoffen geschützt und die Verbraucher mit eingebunden werden: Handelt es sich wirklich um einen echten BabybelTM? Und kauft man vielleicht gerade eine gefälschte Version des Kartoffelauflaufs Tartiflette de Savoie? Eine ganze Palette von Produkten, die durch die verschiedensten Vorschriften geschützt sind, bietet sich dem Gaumen aller Europäer preis.
Die Erzeugnisse aus der biologischen Landwirtschaft sind davon nicht ausgenommen: im März 2000 haben sie ein kleines grünes Logo bekommen. Um als „Bio“ bezeichnet zu werden, muss ein Produkt mindestens 95% an Zutaten enthalten, die in so genannten „biologischen“ Verfahren hergestellt worden sind, und sich außerdem offiziellen Kontrollen unterziehen. Ein wahrer Hindernislauf, den der Kämpfer für eine gesunde Ernährung der wehklagenden Stadtbewohner da auf sich nimmt. Jene dürstet es nach echten Produkten vom Lande und sie wollen die GVO (gentechnisch veränderte Organismen) um jeden Preis vermeiden. Auf diese muss im Übrigen auch ordnungsgemäß hingewiesen werden. Man will schließlich auf keinen Fall ein Risiko eingehen: Der Markt ist in der Hand von Vorschriften und Richtlinien und jeder GVO, der in einem Lebensmittel enthalten ist, muss gesondert aufgeführt werden. Der Verbraucher soll die Produkte schließlich nach bestem Wissen und Gewissen auswählen.
Do you speak Eurofood?
Außerdem versucht man, Otto-Normalverbraucher mit Informationen zu versorgen: Salzgehalt, Zuckerzusatz, Süßstoff und andere Informationen, die notwendig sind, um seinen Zucker- und seinen Cholesterinspiegel, seinen Blutdruck oder seine Figur unter Kontrolle zu halten. Nach dem Willen der Europäischen Kommission soll es spezielle Vorschriften geben für die Beschriftung von Mineralwasser, Kindernahrung, Nahrungsergänzungsmitteln, Diätprodukten ebenso wie für Sportler, Schwangere oder Personen, die eine Diät machen oder unter Lebensmittelallergien leiden. Um das Etikett auf einem Lebensmittel zu lesen, sollte man gut in Chemie, Ernährungs- und Agrarwissenschaften und in Jura sein: Sicherheit hat ihren Preis.
Translated from Parlez-vous eurofood ?