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Erst Vorlesen, dann Liebe machen: Deutscher Bestseller Der Vorleser auf großer Leinwand

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Kultur

Die Literaturverfilmung von Bernhard Schlinks Erfolgsroman Der Vorleser war die mit der meisten Spannung erwartete Produktion der diesjährigen Berlinale. Stephen Daldrys Liebesgeschichte um Schuld und Sühne funktioniert dank einer herausragenden Kate Winslet, die zu Recht für Ihre Rolle mit dem BAFTA-Award und einem Golden Globe geehrt wurde.

Am Anfang ist es Sommer im Nachkriegsdeutschland der 1950er Jahre. Der 15j-ährige Schüler Michael Berg (David Kross) verliebt sich in die doppelt so alte Straßenbahnschaffnerin Hanna Schmitz (Kate Winslet), die für ihn genauso reizvoll wie unerschlossen bleibt. Die beiden verbringen jede freie Minute miteinander und Michael kann sich bei den Mädchen seiner Klasse nur entschuldigen, als sie ihn auf eine Geburtstagsfeier einladen. „Tut mir leid, ich muss weg“, erklärt er zögernd und eilt schnell zu seiner Hanna mit einem Buch in der Hand. Sie liebt es, wenn Michael ihr vorliest und verlangt sogar, die Reihenfolge ihres täglichen Rituals zu wechseln: erst Vorlesen, dann Liebe machen. Durch seine vorgetragenen Geschichten schafft es Michael, Hanna zum Lachen, zum Weinen und zum Nachdenken zu bringen. Doch er schafft es nicht, ins Innere dieser resoluten Frau zu blicken. Hanna bleibt ihm auf merkwürdige Weise fremd und unerreichbar. 

©berlinale.de

Erst Vorlesen, dann Liebe machen

Am Ende des Sommers ist sie verschwunden und Michael muss mit den Mädchen seines Jahrgangs vorlieb nehmen, was nicht so recht klappt. Erst als Jurastudent sieht er Hanna im Gerichtsaal während einer Verhandlung wieder. Er verfolgt den Prozess mit seinen Kommilitonen, sie wird als ehemalige KZ-Aufseherin angeklagt, 300 Juden umgebracht zu haben. Wie der altersweise Professor (Bruno Ganz) erklärt, ginge es nicht darum Hannas Akt moralisch zu werten, sondern festzustellen, ob er mit den damaligen Gesetzen vereinbar war. Mittlerweile befinden wir uns in den 1960er Jahren und die Studenten fordern harte Strafen für die Täter des Holocausts.

Hannas Prozess steht exemplarisch für eine ganze Generation von Deutschen, die sich nach dem Krieg mit der Vergangenheit arrangieren mussten. Wer war schuldig und wer war es nicht? Das ganze Ausmaß von Schuld und Sühne wird in der Frage deutlich, die Hanna dem Richter perplex entgegenbringt: „Was hätten Sie denn gemacht?“ Für Michael wird der Prozess zu einer Gewissensfrage, auf die er keine Antwort weiß. Bis zum Ende des Films wird ihm seine Jugendliebe zum Verhängnis. 

Eigentlich sollte Nicole Kidman die Rolle bekommen

Regisseur Stephen Daldry, der zuerst Nicole Kidman die Rolle der Hanna Schmitz geben wollte, verdankt es vor allem Kate Winslet, dass sein Vorleser nicht zu einem larmoyanten Drama über die Nazivergangenheit wird. Winslet versteht es auf eindrucksvolle Weise, die Gespaltenheit der Hanna Schmitz darzustellen. „Für mich war es eine sehr komplizierte Rolle“, erzählte Winslet auf der Pressekonferenz nach der Premiere. „Ich fühlte eine riesige Verantwortung, die Wage zu halten zwischen Schuld und Schamgefühl, das Hanna empfindet, und sie trotzdem als Frau und menschliches Wesen zu zeigen.“

Eine grandiose Überraschung ist ebenfalls die Leistung des 18-jährigen David Kross, der zu den diesjährigen European Shooting Stars gehört. Ralph Fiennes wirkt dagegen deplatziert und leidig als älterer Michael Berg.

Der Vorleser vermag keine Antworten zu geben auf die Fragen, die er aufwirft. Als Film, der die Nazivergangenheit aus Sicht einer Täterin schildert, ist er einzigartig und regt zum Nachdenken an über Geschichte, Recht und Verantwortung.

Mehr zum Festival, den Filmen und dem Geschehen auf dem roten Teppich steht in unserem Berlinaleblog.

Translated from The Reader: Jak mogliśmy na to pozwolić? – bolesne pytania na Berlinale