Erinnerungen an die Gegenwart
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maryam schumacherIn einem riesigen Zyklus hat der kongolesische Maler Tshibumba Kanda Matulu die Geschichte seines Landes dargestellt.
Wenn man an den Kongo denkt, ist es schwer, die täglichen Ströme an Medienbilder von Krieg und Armut auszublenden. Doch die Malerei erzählt mehr von der Geschichte des Landes als tausend Fotografien. Und nur wenige Maler könnten einen dabei mehr lehren als Tshibumba Kanda Matulu.
Historiker und Aufklärer
In seinem berühmtesten Werk, „Die Geschichte Zaires“ (1973-1974), kombiniert Tshibumba Elemente traditioneller afrikanischer Sagen mit einem urbanen, modernen Malstil und schafft so seine Vision von der Vergangenheit des Kongo, der von 1971 bis 1997 Zaire hieß. Das Werk hält die kollektive Erinnerung wach und gibt tiefe Einblicke in die Geschichte.
Tshibumba arbeitete mehrere Jahre als Maler in Lumbumbashi, wo er seine kleinen figürlichen Szenerien an einheimische Kunden verkaufte. Doch die damals dominierenden Maßstäbe in der Kunst schränkten ihn ein. Er verstand sich als Historiker und Aufklärer seiner Landsleute. Tshibumba war sich klar darüber, dass seine Kunden ihm nie die Möglichkeit geben würden, seine Vision der nationalen Einheit zu verwirklichen.
In Johannes Fabian, einem deutschen Anthropologen, der in Lumbumbashi lebte und arbeitete, fand Tshibumba einen Förderer. Fabian lernte Tshibumba 1973 kennen und erkannte schnell sein fundiertes Geschichtswissen und sein Erzähltalent. Zwischen den beiden entwickelte sich eine enge Freundschaft und schon ein Jahr später offenbarte Tshibumba seine Idee: die gesamte Geschichte des Kongo in einer Serie von Gemälden darzustellen. Fabians beschrieb dieses Werk später in Remembering the Present – Paintings and popular history in Zaïre.
Die Geschichte eines Volkes
Das Werk Tshibumbas kann man nur verstehen und schätzen, wenn man weiß, dass seine Geschichte zugleich die Geschichte seines Volkes ist. Seine Arbeit ist keine exakte oder objektive Wiedergabe historischer Ereignisse, sondern reflektiert die Sicht des Volkes auf diese Ereignisse, nicht den tatsächlichen Verlauf der Geschichte. Tshibumba konnte nicht immer die historische Präzision seiner Bilder überprüfen. Oft baute er bewusst Fehler ein, ironische Übertreibungen sollen zur Diskussion anregen. „Seine Fehler sollen schockieren und amüsieren“ schreibt Fabian in seinem Buch.
Die ersten Bilder der „Geschichte Zaires“ zeigen das Land vor der Kolonisation. Tshibumba malt das „Landleben“, als „die Menschen noch wussten, wie man lebt.“ Die Kommentare des Malers zeugen von Respekt und Nostalgie für das traditionelle Leben einer anderen Zeit. Das Konzept hierfür sind mythische Lanschaften, in die er die Zeit des präkolonialen Afrikas eintaucht.
Die folgenden Malereien handeln vom ersten Auftauchen europäische Forscher. Tshibumba zeigt die Portugiesen, die 1487 den Kongo betraten, sowie die berühmten Forscher David Livingstone und Henry Morton Stanley, die die europäische Begeisterung für den Kongo entfachten und so den Anfang der Einflussnahme Europas markierten.
Der belgische König Leopold II, der zu Beginn der Kolonialzeit den Kongo regierte, wird mehrmals porträtiert. Für Tshibumba ist diese Zeit des „Freistaates Kongo“ so wichtig, weil das im Grunde genommen Privatbesitz des Königs war: Seine Bilder zeigen die Unterdrückung durch die belgischen Kolonialherren.
Mitte der 1950er wurde dann der Schrei nach Unabhängigkeit lauter. Einer der Anführer der Kämpfe war Patrice Lumumba, ein engagierter Pan-Afrikanist. Tshibumba zeigt seinen Aufstieg und Sturz in einer Serie von 18 Bildern. Am 30. Juni 1960 konnte der Kongo schließlich seine Unabhängigkeit feiern und Lumumba hielt seine berühmte Rede, in der er die Kolonialzeit in scharfen Worten verurteilte. Doch die Regierung Lumumbas überlebte nur zehn Wochen: Mit Hilfe belgischer Unterstützung löste sich die Provinz Katanga kurz darauf putschte der General Joseph Mobutu. Patrice Lumumba wurde verhaftet und am 17.Januar 1961 auf mysteriöse Weise ermordet.
Tshibumbas Bilder verdeutlichen die Mühsal und den Schmerz des kongolesischen Volkes in den Jahren nach der Unabhängigkeit. 1965 übernahm Joseph Mobutu endgültig die Macht und regiert das Land durch eiserne Härte. Die Opposition wurde unterdrückt. 1971 dringt er auf ein neues Verständnis nationaler Identität und nennt das Land in Zaire um. Unter seiner Herrschaft wurden ausländisch geführte Unternehmen nationalisiert und ein enormer Personenkult um den Diktator eingerichtet.
„Die Geschichte Zaires“ endet mit Malereien, die die 70er Jahre darstellen. Tshibumba versucht, eine mögliche Zukunft seines Landes aufzuzeigen. Er malt Träume eines neuen Systems, in dem die Gesellschaft geeint ist und Parteien die Religion ersetzen.
An die Gegenwart erinnern
Tshibumbas Riesenwerk wirkt wie ein Rückblick in die hoffnungsvolle Zeit der 1960er Jahre. Der Kolonialismus neigt sich seinem Ende zu, eine starke Mittelklasse schafft wirtschaftliche und soziale Stabilität. Lumumba erscheint als messianische Gestalt in den Kämpfen um Unabhängigkeit. Sein Tod ist eine Vorankündigung des folgenden Horrors. Die ergreifendsten Bilder Tshibumbas sind die Darstellungen Szenen, die man heute gut kennt: Sie zeigen Armut, Flüchtlingslager und Blauhelme.
Die letzten Bilder Tshibumbas datieren von 1981. Seitdem waren sämtliche Bemühungen, mit ihm Kontakt aufzunehmen, vergeblich. Es ist wahrscheinlich, dass er nicht mehr lebt, und ein Opfer der tragischen Geschichte seines Landes wurde.
Copyright der Bilder: KIT Tropenmuseum, Amsterdam
Translated from Painting Congolese history: Tshibumba Kanda Matulu