Erasmus für alle zum Fünfundzwanzigsten
Published on
Von Maike Wohlfarth Das Erasmusprogramm feiert 2012 seinen 25. Geburtstag. Es ermöglichte bereits fast drei Millionen Studenten und zahlreichen Dozenten aus nunmehr 33 Ländern die europäische Gemeinschaft aus einer anderen Perspektive zu erleben und ist damit eine der größten Erfolgsgeschichten der Europäischen Union. Zum Jubiläum gibt es nun „Erasmus für alle“ und mehr finanzielle Mittel.
Cafebabel.com sprach mit dem belgischen Erasmusbotschafter Hugo Marquant, der sich bereits an Erasmus beteiligte, bevor das Projekt startete, und Noelia Casares Soto, die ihre Zeit als Erasmusstudentin in Brüssel genießt.
Prof. Dr. Marquant, ehemaliger Erasmuskoordinator an der Hochschule Leonardo da Vinci, startete bereits 1986 ein Pilotprojekt. Die französischsprachige Gemeinschaft Belgiens war damit eine der ersten Regionen, die sich für das Programm stark machten. Besonders zu Beginn sei es eine echte Entdeckungsreise gewesen, berichtet Hugo Marquant. Das Engagement der Region hat bis heute nicht nachgelassen. 2010 war fast jeder zehnte Hochschulabsolvent in Belgien Erasmusstudent.
Mobilität und Flexibilität
Für Hugo Marquant sind Mobilität und Flexibilität das Entscheidende am Erasmusprogramm und es öffne durch diese beiden Aspekte auch Türen zur Beschäftigung. Auch die spanische Logopädie-Studentin Noelia würde jedem einen Erasmusaufenthalt empfehlen. Dabei sei es noch nicht so selbstverständlich, wie man vielleicht glaubt: „Ich bin die einzige von meinem Studiengang, die weggegangen ist“. Viele ihrer Mitstudenten haben Angst, in ein fremdes Land mit einer fremden Sprache zu gehen. Doch auch das Geld spiele eine Rolle. Eigentlich soll das Erasmusstipendium die Mehrkosten durch den Auslandsaufenthalt decken. 2010 belief sich die Unterstützung durchschnittlich auf 254 Euro. Das reiche nicht immer aus.
Nichts als Party?
Nicht selten hört man, Erasmusstudenten seien häufiger auf Partys als in Hörsälen anzutreffen und manche sprechen gar von „Orgasmus“ statt Erasmus. Auch in Brüssel wird den Austauschstudenten viel geboten. In Facebook-Gruppen werden die besten Weggehtipps ausgetauscht. Ist Erasmus im Endeffekt nur eine Riesenparty? Noelia kann dies nicht unbedingt bestätigen. Natürlich sei sie auch hier, um neue Leute kennen zu lernen und Spaß zu haben, doch man muss auch eine gewisse Anzahl an Credits sammeln. Sie sei vor allem nach Brüssel gekommen, da die Hochschule einen guten Ruf habe.
Auch Hugo Marquant sieht das gelassen: „Studenten, die nicht ins Ausland gehen, machen auch Party“. Er findet auch, dass sich die Grundidee des Programms seit 25 Jahren nicht geändert habe. Er hatte stets einen festen Glauben an das Projekt und das vor allem wegen der Studenten selbst, die das Programm trotz einiger Hindernisse stets fortsetzen wollten.
Aus sieben mach eins
Mit dem neuen Programm „Erasmus für alle“ sollen ab 2014 die finanziellen Mittel aufgestockt werden. Es wird auch strukturelle Änderungen geben. Sieben bereits bestehende Programme, darunter Comenius (für Schüler) und Leonardo (für Arbeitstätige), werden vereint und dadurch administrative Hürden abgebaut und Kosten gespart. So soll der „Zugang für alle die sich dafür interessieren“ ermöglicht werden, erklärt Hugo Marquant. Außerdem werden mit dem neuen Programm beispielsweise auch Freiwilligendienste in Drittländern gefördert, sowie Masterstudenten durch ein Garantieinstrument für Studiendarlehen die Studienfinanzierung erleichtert werden.
Noch ist nicht alles perfekt
Defizite gibt es vor allem noch bei der Anerkennung der Studienleistungen. Hugo Marquant war einer der Initiatoren des ECTS (European Credit Transfer System). Zunächst war es nur ein Erasmus-Programm, doch heute ist es aus der europäischen Hochschullandschaft nicht mehr wegzudenken. Es gehe jedoch nicht darum, die Studiengänge völlig zu vereinheitlichen. Er sehe es eher als ein Werkzeug, um Studienleistungen leichter anrechnen zu können. Gerade die unterschiedlichen Systeme machen seiner Meinung nach den Aufenthalt in einem anderen Land so erlebenswert. Durch „Erasmus für alle“ sollen die Schwierigkeiten bei der Anerkennung weiter abgebaut werden.
Eine europäische Staatsbürgerschaft?
Europa bleibt weiterhin eine Idee, ein Ideal, doch Erasmus macht diese Idee erlebbar und Noelia fühlt sich hier „europäischer“ als in ihrem Heimatland. Mit den „Geschenken“ zum 25. Geburtstag kommen wir der Verwirklichung des Europäischen Hochschulraums wieder einen Schritt näher. Die Erfolgsgeschichte geht weiter.