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Engagiert sich die Jugend noch?

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Default profile picture Anke Lutz

KulturGesellschaftPolitik

Der Jahrestag der Mai-Unruhen von 1968 rückt näher. Auch wenn es Einigen nicht gefällt, so ist die Erinnerung an diesen Volksaufstand immer noch gegenwärtig. Die Jugend tritt die Nachfolge an.

Um sich mit der Polemik vertraut zu machen, genügte es schon, genau hinzuhören. Die Reaktionen auf die Erklärungen des damaligen Präsidentschaftskandidaten Nicolas Sarkozy am 29. April 2007 waren heftig. Er bekräftigte seinerzeit, er wolle "den Mai '68 ein für alle Mal aus der Welt schaffen". Eine Provokation für alle - gleich welchen Alters - die an sozialen Fortschritt, Freiheit und Humanismus glauben.

Direkt am Tag nach seiner Wahl zum Staatspräsidenten, wurde ein großes Fest Revival Mai 68 auf der Musikplattform myspace eröffnet. Und es blühten sogar schon einige Graffitis mit dem Aufruf zu einem Mai 2008 auf den Mauern von Paris.

Barrikadenromantik für die einen, ein Schreckgespenst für die anderen: die Erinnerung an Achtundsechzig taucht immer wieder auf. Vor allem dann, wenn die Jugend unzufrieden ist. Während der Proteste 2005 gegen den Erstanstellungsvertrag (CPE) in Frankreich haben manche "Erwachsene" darin ein Ereignis der gleichen Größenordnung gesehen. Einige Zutaten waren auch tatsächlich vorhanden: Polizei-Repressalien, soziale Ungerechtigkeiten, Einschränkung persönlicher Freiheiten, Infragestellen gewisser sozialer Errungenschaften.

Andererseits ist seit 40 Jahren viel Wasser den Rhein hinuntergeflossen. Ein Teil der Werte, auf die damals gepocht wurde, hat die Gesellschaft bereits auf den Kopf gestellt. Die Globalisierung und das Internet haben die Spielregeln erheblich verändert. Diejenigen, denen man das abgenutzte und weitläufige Label "Jugendliche" aufdrückt, entwickeln sich in einer Gesellschaft, die teilweise von Repräsentanten der 68er-Generation - seien sie nun Anhänger oder Gegner der Bewegung gewesen - gelenkt wird.

Jede Zeit braucht ihr eigene Form des Engagements

Die Formen des Engagements haben sich verändert. Junge Erwachsene sehen ihr Handeln außerhalb der Strukturen einer Organisation. Ihr Engagement ist auch zeitlich begrenzter. Wie auch in der Arbeitswelt scheinen Jugendliche zu vielfältigen Erfahrungsmöglichkeiten zu neigen.

Die klassischen Formen des Protestes, wie Demonstrationen, Streiks oder Boykotte, gibt es immer noch. Sie haben aber nicht mehr zwangsläufig die gleiche Wirkung. Heute besitzen die jungen Generationen unzählige Studienabschlüsse, leben aber oft in unsicheren Arbeitsverhältnissen und außerhalb politischer und gewerkschaftlicher Kreise. Sie erneuern die Waffen des Engagements vollständig, indem sie kollektiv gezielte, spektakuläre Aktionen angehen, oft auf humoristische Art und Weise.

Sie gehen gegen die Omnipräsenz der Werbung an, prangern die Situation der Praktikanten an, wie die französische Bewegung Génération précaire, oder auch die Wohnungskrise (Jeudi Noir; Les Enfants de Don Quichotte). Die jungen Aktivisten haben eines gemeinsam: sie setzen ihre Aktionen in Szene und sind sehr geschickt im Umgang mit Bildern und neuen Technologien. Wie sehen die Zukunft und der Einfluss dieser Aktionen auf die Entwicklung des Engagements junger Menschen aus? Schwer zu sagen. Eines ist jedoch sicher: sie konnten die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf Themen lenken, die von den Medien vernachlässigt werden.

Dienste an der Allgemeinheit boomen

Was also treibt einen Jugendlichen dazu, sich zu engagieren? Es kann ein Ereignis sein, das aufwühlt, wie das Erdbeben im Frühjahr 2003 in Algerien. Etliche Jugendliche, meistens algerischer Herkunft, haben sich zu einer Aktion der Solidarität zugunsten der Erdbebenopfer zusammengefunden.

Engagement findet auch im privaten oder beruflichen Bereich seinen Ausdruck: in der Persönlichkeitsentwicklung, dem unsicheren Job. Sich selbst, seinen Platz, seine "Nützlichkeit für die Gesellschaft" finden. Obendrein wird eine ehrenamtliche (oder freiwillige) Tätigkeit oft als ein "Plus" im Lebenslauf angesehen.

Die kollektive oder individuelle Kreativität ermöglicht es Jugendlichen ebenfalls, ihr Engagement für eine Sache unter Beweis zu stellen. Da ist zum Beispiel der Fotograf JR, dessen Fotos von Grimassen schneidenden Jugendlichen "der Vorstädte" auf dem Vorplatz des Rathauses von Paris ausgestellt wurden. Ziel: den Betrachter wachzurütteln und dessen eigenen Blickwinkel auszuloten.

Handeln, ja… und danach?

Die Jugend… sie hat Willensstärke, ist aber auch hin- und hergerissen. Oft fühlt sie sich verloren zwischen einem Gefühl von Ohnmacht, der Ideologie des Verzichts und ihrem Willen auf Hoffnung und Veränderung, wie die Soziologin Anne Muxel in einem Aufsatz ausführt.

Sie prangern vor allem an, "unterbeschäftigt" zu sein, nicht genug eingesetzt zu werden. Handelt es sich dabei um Ungeduld oder einen Mangel an Vertrauen der Erwachsenen in die Jugend? Dazu meint Eliza Braley vom Bund der Studentenvereinigungen (FAGE): "Es gibt nur wenige Vereinigungen, die die Kompetenzen zu würdigen wissen, die Jugendliche im Hinblick auf Verantwortung, Autonomie und Fachwissen erworben haben und die ihnen interessante Bedingungen für ein Engagement anbieten."

Der Verein als Antriebskraft

Gemäß Untersuchungen der Stelle zur Beobachtung der Lebensbedingungen der Studenten (OVE) und des französischen Instituts für Statistik und Wirtschaftsplanung (INSEE) sind 4 von 10 Studenten ehrenamtlich in einem Verein tätig. In rund der Hälfte der Fälle handelt es sich um sportliche Aktivitäten. 23 Prozent der Studenten engagieren sich anderweitig, hauptsächlich im kulturellen und solidarischen Bereich.

Zusammengefasst verteilt sich das assoziative Engagement der Studenten in Frankreich folgendermaßen: in Studentenvertretungen (13 Prozent der Aktiven), sozialer Nachbarschaftshilfe (12 Prozent), internationaler Solidarität (9 Prozent) und schulischer Unterstützung (6 Prozent). Überraschend ist, trotz der Bedeutung des Themas in Medien und öffentlicher Meinung, dass sich nur 3,5 Prozent der Ehrenamtlichen für die Umwelt einsetzen, das ist weniger als 1 Prozent der gesamten Studenten.

Anne Muxel, Les héros des jeunes français : vers un humanisme politique réconciliateur. La Fabrique des Héros. La maison des sciences de l’Homme, 1999.

Intext-Fotos: 'Jeudi noir' (William Hamon/ flickr), Fotograf JR (e-chan/flickr)

Translated from Une jeunesse engagée ?