Elvis in Rot
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Dean Reed: im Westen ein Nobody, im Osten gefeierter Sänger, Schauspieler und Revolutionär. In 'Der rote Elvis' begibt sich Leopold Grün auf die Spuren des kurios-tragischen Lebens einer Pop-Ikone des Ostens.
"Wenn er nach Russland kam, war das wie Urlaub für uns. Wir vergaßen, dass wir unterdrückt wurden." Für Fans wie Lana Davis, die direkt zu Beginn des 90-minütigen Films zu Wort kommt, verkörperte Dean Reed diffuses Glücksversprechen und willkommene Ablenkung von der Tristesse des Realsozialismus. Tauchte sein Konterfei in den Zeitungen des Landes auf, vergaßen seine Anhänger für einen Moment die Lügen und Repressalien der Politik. Dabei bereiste Reed die ehemalige Sowjetunion in dem Glauben, ein freies Land vorzufinden. Ein Widerspruch, der sich mit der ersten Minute des Dokumentarfilms entfaltet, und der die Karriere des "Roten Elvis" wie ein Schatten begleitet.
Vor Jahren wurde der aus Dresden stammende Regisseur Leopold Grün einmal gefragt: "Wer war eigentlich dieser Dean Reed?" Seine Antwort fiel damals noch recht spärlich aus: mehr als Reeds Engagement als Friedenssänger und sein mysteriöser Tod fielen ihm zu dem Zeitpunkt nicht ein. Aber das Interesse des deutschen Regisseurs war geweckt. In Grüns Doku – einer Bastelei aus Zeitzeugenberichten, Archivmaterial und Filmmitschnitten -, die seit dem 2. August in deutschen Kinos läuft, schwankt das Porträt des selbsternannten Friedenssängers zwischen Idealismus und Versagensängsten. Reed ging für eine grenzüberschreitende Idee von Freiheit und Gerechtigkeit auf die Bühne, doch seinen hohen Idealen ließ er selten Taten folgen. Bis zuletzt wusste niemand so recht, wie der blendend aussehende Amerikaner und erfolgreiche Sänger einzuordnen war.
Armin Müller-Stahl, Schauspieler und Weggefährte des Wahlberliners, versucht es trotzdem: „Er hätte in Amerika die Chance gehabt, ein großer Star zu werden, sagt er im Film. Was unterscheidet ihn denn von Brad Pitt oder Tom Cruise?" Stattdessen wurde aber die DDR zur Wahlheimat des US-Amerikaners. "Wir fragten uns alle: Was will der hier?" Isabel Allende, die Reed besonders über ihren Vater kannte, ebenso wie der ehemalige Vorsitzende des Politbüros Egon Krenz oder die zweite Ehefrau des Sängers, Wiebke Reed, erinnern sich der Auftritte des "Roten Elvis". Wer war dieser Reed, der als Cowboy verkleidet durch die Welt zog, mit Politikern wie Salvador Allende und Yasser Arafat befreundet war und zu dessen Country-Rhythmen das DDR-Politbüro im Takt klatschte?
Vom Cowboy zum Staatsbürger der DDR
1938 in einem kleinen Städtchen im US-Bundesstaat Colorado geboren, zieht es Reed schon bald nach Südamerika, wo seine Single "Our Summer Romance" die Charts erobert. Doch schon bald stellt Reed seine Karriere in den Dienst der Politik und avanciert als 'Gringo', der sich für die Armen stark macht, zum Superstar in den Ländern hinter dem Eisernen Vorhang. 1972 wird der gelernte Cowboy, Staatsbürger der DDR. Die Alben des singenden Freiheitskämpfers verkaufen sich millionenfach.
Doch was sich zunächst wie der perfekte Soundtrack einer besseren Welt anhört, bekommt schon bald Risse. So erklärt Reed, der sich weltweit gegen Militär-Regimes stark macht, in einem der Fernsehmitschnitte des Films: "Ich glaube wirklich, dass es viele Wege gibt, Revolutionär zu sein. Und die Gitarre mit der Maschinenpistole zu tauschen, ist nicht abwegig." Kurz darauf hatte er sich mit einem Maschinengewehr im Libanon ablichten lassen.
Hinter seinen Bühnenauftritten bleibt der von Leopold Grün skizzierte Reed wenig greifbar und erstaunlich profillos. Sein fehlendes Engagement gegen Ungerechtigkeiten des DDR-Regimes steht im krassen Widerspruch zu seinen Auftritten im Zeichen der Gerechtigkeit. Und auch sein Privatleben erzählt die Geschichte eines naiven Idealisten, der an seiner realen Umgebung und seinem Unvermögen, damit umzugehen, letztlich scheitert. Selbst im Tod bleibt das Profil des Sängers unscharf: 1986 wurde Reed tot aus dem Zeuthener See geborgen. Er hatte sich das Leben genommen.
In Der rote Elvis nähert sich Leopold Grün dem Mythos Dean Reed auf verschiedenen Ebenen. Der idealistische, aber naive Revolutionär steht neben dem aufsteigenden und fallenden Star und dem gescheiterten Familienvater und Ehemann. Grün kommentiert nicht, sondern lässt Bilder und Stimmen aus dem Off zu Wort kommen. Was bleibt, ist der Eindruck eines Brückenbauers, der es trotz aller Widersprüche geschafft hat, Grenzen zu überwinden und Menschen für seine Idee einer gerechteren Welt zu begeistern. Statt eindimensionale und erschöpfende Antworten geben zu wollen, schafft Grüns "Roter Elvis" eine komplexe Charakterisierung der sozialistischen Rock-Ikone.