Elisabeth Badinters 'Konflikt': Mutter oder doch eher Frau?
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Mit ihrem kürzlich auf Deutsch erschienen Buch Der Konflikt: Die Frau und die Mutter (Verlag C.H. Beck) marschiert die französische Philosophin, Historikerin und Feministin Elisabeth Badinter direkt in Richtung Kontroverse. Heutzutage, so ihre These, können Frauen immer weniger Frau und Mutter zugleich sein. Wie kriegt „frau“ beides unter einen Hut?
Elisabeth Badinter, 66 Jahre alt und angesehene Intellektuelle, weiß, wovon sie spricht. Schließlich bekam sie schon mit 22 Jahren das erste Kind, zwei weitere folgten. „Ich bin eine mittelmäßige Mutter, wie vermutlich die meisten Frauen“, so ihre Einschätzung. In der Tradition Simone de Beauvoirs machte sie sich schon 1980 mit dem Buch Mutterliebe daran, die Mutterschaft und vor allem den „angeborenen“ Mutterinstinkt zu entmystifizieren. In Der Konflikt setzt Badinter wieder dort an. Muttersein ist in ihren Augen weder die natürliche Aufgabe einer jeden Frau, noch besonders erfüllend. Kinder tauchen in Badinters Buch hauptsächlich als Last auf, die z.B durch La Leche Liga noch verstärkt wird. Die internationale NGO setzt sich nämlich für eine möglichst lange Stillzeit von Babies ein, Milchersatznahrung wird empört zurückgewiesen. Badinter erkennt hier einen beunruhigenden Wandel hin zu einem naturalistischen und traditionalistischen Mutterbild. Der Kampf um die Milch ist dabei nur ein Synonym für den Konflikt, in den Mütter fast unweigerlich hineingeraten: Stillen bedeutet eine größere Gebundenheit (im negativen Sinne) an das Kind, während das Füttern mit der Flasche der Mutter mehr Autonomie lässt. Letztendlich geht es also um die entscheidende Frage, wie „frau“ das Mutter- und Frausein unter einen Hut bekommen kann.
Frankreich: Wo Mütter noch Frauen sein dürfen
Tatsächlich ist das ein bis heute heikles Thema. Denn bei allen Fortschritten in Sachen Gleichberechtigung: Es sind noch immer die Frauen, die Kinder bekommen. In Frankreich tun sie das mehr als z.B. in Deutschland. Überhaupt, Deutschland. Badinter sieht in der deutschen Mutter, wie auch in der italienischen Mamma „ein mystisches Bild der sich aufopfernden, aber zugleich allmächtigen Mutter.“ Hier hätte man „die Mutterrolle so stark überbewertet, dass sie gänzlich mit der weiblichen Identität verschmolz.“ Von Konflikt kann also keine Rede sein, man ist entweder Mutter oder Frau. Ganz anders Frankreich: „(…) die Gesellschaft des 20. und 21. Jahrhunderts nimmt keinen Anstoß daran, dass Kinder mit der Flasche ernährt und schon bald nach ihrer Geburt in Betreuung gegeben werden.“ Dieses sehr positive Bild der Grande Nation, das Badinter hier vermittelt, darf angezweifelt werden. So war von gesellschaftlicher Akzeptanz nicht allzu viel zu merken, als Frankreichs damalige Justizministerin Rachida Dati 2009 das Krankenhaus bereits wenige Tage nach der Geburt ihres Kindes verließ, um sich der Arbeit zu widmen - in den Augen vieler Kritiker ein Bärendienst für Mütter. Die Frauenrechtlerin Maya Sturduts bemerkte, Arbeitgeber könnten sich auf den Fall Dati berufen und nun mehr Druck auf arbeitende Mütter ausüben. Aber auch Mütter, die der Kinder wegen zu Hause bleiben, könnten sich unter Druck gesetzt fühlen.
Schweden: Europas Musterschüler in Sachen Gleichberechtigung
Die kritische Distanz, die beim Blick auf Frankreich fehlt, macht Badinter immerhin mit ihrer Analyse der skandinavischen Länder wett. Besonders Schweden galt bislang als Musterschüler: Liberale Familienpolitik und eine im europäischen Vergleich hohe Geburtenrate von 12,2 Geborene je 1000 Einwohner - in Deutschland sind es nur 7,9. Gerne wird auf die Elternzeit mit Lohnausgleich verwiesen, welche unter den Eltern aufgeteilt werden kann. 1980 kam sogar noch ein Vaterschaftsurlaub hinzu. Doch in der Realität hat das die Verhältnisse nicht geändert: Zwar nehmen laut Badinter 75 Prozent der Väter ihren Vaterschaftsurlaub (zehn zusätzliche Tage mit einer Lohnfortzahlung von 80 Prozent), aber nur 17 Prozent Elternzeit (mindestens zwei Monate müssen vom Vater genommen werden, sonst verkürzt sich die Dauer der Lohnausgleichszahlungen). Schon Anfang 2009 rechnete die Schwedin Maria Sveland in ihrem Roman Bitterfotze gnadenlos mit patriarchalen Strukturen und der Ungleichheit in Beziehungen ab: Schweden sei konservativer, als viele denken würden, so die Botschaft. Gleichberechtigung ist auch hier immer noch ein Kampf.
Das Private ist politisch
Was können Frauen also letztendlich aus Badinters Werk lernen? Die Französin legt besonderen Wert auf die finanzielle Unabhängigkeit der Frauen/Mütter von ihrem Mann. Und das ist genau das Problem des Buches: Männliche und weibliche Interessen werden generell als antagonistisch dargestellt. Dabei zeigt Sveland, dass es ohne Zusammenarbeit nicht geht. Klar, das ist anstrengend, denn es bedeutet, auch in einer Beziehung die Verhältnisse ständig neu zu verhandeln und für sich selbst zu definieren, was man möchte. Aber vielleicht lohnt es sich eines Tages und bringt auch auf gesellschaftlicher Ebene Veränderungen. Denn: Das Private ist Politisch.
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