Einfallstor nach Europa
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antje niebuhrImmer mehr illegale Einwanderer gelangen über Süditalien nach Europa. Doch die Maßnahmen der EU reichen nicht aus, das Problem zu lösen.
1997 trat Italien dem Schengen-Abkommen bei. Die illegalen Einwanderer, die an der Südküste ins Land dringen, sind seither ein europäisches Problem: Mit der Abschaffung der Passkontrollen an den Grenzen der 15 Schengen-Staaten ist ein Einwanderer nicht nur in Italien, sondern zugleich in Europa angekommen – wenigstens auf dem Papier.
Mangelnde Absprachen
Selbst wenn der Schengenraum längst Realität ist, so lässt die Koordination der Einwandererpolitik der einzelnen Länder noch zu wünschen übrig. Erst kürzlich erließ die sozialistische Regierung Spaniens Maßnahmen, um die Einwanderung aus Afrika über die spanischen Exklaven Ceuta und Medilla zu beschränken. Italienischen Berichten zufolge hat dies zu einer Zunahme der Landungen von Flüchtlingsschiffen in Süditalien geführt, da sich der Einwanderungsdruck von Marokko nach Libyen verschoben hat. Die Zahlen sind eindeutig. Nach Angaben der spanischen Regierung haben „die Anstrengungen der Polizei im Jahr 2005 es ermöglicht, die Anzahl der an der Grenze abgewiesenen Einwanderer um 35% zu erhöhen“. Bei diesen Maßnahmen starben in Mellila 11 Menschen – doch die Zahlen, die die italienische Regierung veröffentlichte, weisen einen gegenteiligen Trend auf. Die Anzahl der illegalen Schifftransporte aus Nordafrika ist in den Jahren 2004 und 2005 um beinahe 70 Prozent gestiegen, in absoluten Zahlen von 13.594 auf 22.824. Einer von drei illegalen Einwanderen stammte dabei aus Marokko. Im Jahr 2004 hatte der Anteil der Marokkaner noch bei zweieinhalb Prozent gelegen.
Zusammenarbeit mit Afrika
Italien reagiert auf diese Notsituation, indem es zum einen die Kooperation des libyschen Regimes unter Muammar al-Gaddafi anstrebt und andererseits Unterstützung in der Europäischen Union sucht. So ließ das Gaddafi-Regime in den Jahren 2003 bis 2005 wieder 7.737 illegale Einwanderer aus Italien heimkehren. Gleichzeitig gelang es Rom, die EU-Kommission in Brüssel dazu zu bewegen, „Across Sahara“ mit mehr als eineinhalb Millionen Euro zu finanzieren. Mit Hilfe dieses Gemeinschaftsprojekt wollen Italien, Libyen und Niger ihre Grenzen kontrollieren und illegale Einwanderung bekämpfen.
Aber nicht nur das: Im Dezember hatte der Europäische Rat beschlossen, eine Reihe von Treffen zwischen der EU und afrikanischen Staaten zu organisieren, die sich mit der Migration im Mittelmeerraum befassen. Zwei Initiativen stehen auf dem Programm: eine Konferenz von europäischen und afrikanischen Ministern, die noch im Jahr 2006 in Marokko zustande kommen soll, und eine Konferenz zur Migration und Entwicklungspolitik. Diese soll im März in Brüssel stattfinden. Auch wurde „Iconet“ installiert, ein Netzwerk im Internet, über das die EU-Staaten Informationen über den Strom der illegalen Einwanderer austauschen können.
Einwanderung nicht nur aus Südeuropa
Doch das spezifisch italienische Problem mit der Immigration bleibt bestehen. Italien wird immer öfter von anderen EU-Staaten beschuldigt, dem „Problem“ der illegalen Einwanderung nicht wirksam und rigoros entgegenzutreten. Im vergangenen Dezember bezichtigte der französische Innenminister Sarkozy Italien der Laxheit wegen seiner Kontrollen an der sizilianischen Küste. Der Deutsche Christoph Hein, Leiter des italienischen Flüchtling-Rates (Consiglio Italiano per i Rifugiati) glaubt, diese Äußerung hat den Beigeschmack einer "unangebrachten politischen Propaganda". Sie trage nicht dem Umstand Rechnung, dass die Mehrheit der illegalen Einwanderer in Italien nicht aus dem mediterranen Raum, sondern aus Frankreich und Österreich kommt. "Diese Ausländer reisen legal ein, sind aber später nicht im Stande, ihre Aufenthaltsgenehmigung zu erneuern", so Hein.
Das Mitte-Rechts-Bündnis hat im Wahlkampf angekündigt, im Falle eines Sieges bei den Parlamentswahlen vom 9. Mai die Abkommen mit den Herkunfts- und Transitländern der Einwanderer ausweiten zu wollen. Auch sollen die Antiterrorismus-Maßnahmen verstärkt werden, die die Ausweisung illegaler Einwanderer erleichtern. Die Mitte-Links-Parteien haben in ihrem Programm ebenfalls eine Reihe von Maßnahmen vorgelegt. Diese zieten nach Hein „auf die Überwindung der Idee des Gastarbeiters ab“ und schließen „die Teilnahme an Gemeindewahlen, die Aufhebung der festgesetzten Einwanderungs-Quoten und eine umfassende Asylgesetzgebung“ ein.
Translated from L’Italia nel mirino dell’immigrazione clandestina