Ein Wahlrecht für Einwanderer? – noch Zukunftsmusik
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julia lazaroPflichten? Ja! Rechte? Fehlanzeige. Immigranten müssen dieselben Pflichten erfüllen wie jeder andere Bürger auch. Aber noch ist die Stunde ihrer politischen Mitbestimmung nicht gekommen.
Würde es nach dem gesunden Menschenverstand gehen, müssten alle Personen, die in einer Gesellschaft zusammenleben, nicht nur das Recht auf politische Beteiligung haben sondern auch wählen können von wem sie regiert werden. Aber dieses Recht haben sie nicht immer – obwohl die Einwanderer zur Schaffung des Reichtums in kultureller und ökonomischer Hinsicht eines Landes beitragen. In Europa zeigt sich die Politik in dieser Frage jedenfalls gespalten.
Während es Länder gibt, die vor mehr als 26 Jahren die ansässigen Einwanderer in die Wählerschaft integriert haben, haben viele andere Länder– unter ihnen Spanien – noch nicht mal begonnen, ein solches vorhaben ernsthaft zu debattieren.
Der spanische Fall
In Spanien gibt es, laut dem Nationalen Institut für Statistik (INE), fast 1.500.000 gemeldete Ausländer. Aber da bei Kommunalwahlen nur die wählen dürfen, die in Mitgliedsländern der EU geboren sind, bleiben von dieser Gruppe fast 75% aller Einwanderer ausgeschlossen. Namentlich diejenigen aus Afrika, Lateinamerika oder dem Orient. Nach dem Ausländergesetz dürfen zwar Einwanderer aus Ländern, die Spaniern das Wahlrecht zuerkennen – wie Argentinien, Chile, Uruguay und Peru –, in Spanien wählen. Dennoch entspricht eine solche Integration nicht der vorherrschenden Mentalität, weshalb sie auch kaum in die Praxis umgesetzt wird.
Das Einwanderer, die außerhalb Europas geboren sind, rechtlich nicht gleich gestellt werden, hat Initiativen linker Strömungen und zahlreicher NGOs auf den Plan gerufen. Aber diese haben, zumindest bis jetzt, noch keine großen Erfolge erzielt.
In Spanien hebt die Organisation Städtisches Netz hervor, dass gerade die Stadtverwaltungen für die Immigranten am wichtigsten sind, und dass von ihnen immer mehr Bereiche, die das Leben und die soziale Integration der Einwanderer betreffen (soziale Dienste, Kindergärten, Wohnung und Arbeit) abhängen. Aus diesem Grund sind die Beteiligung der Einwanderer am politischen Leben und das Recht sowohl zu wählen als auch gewählt zu werden, von großer Bedeutung. Aber die Parteien zeigen Vorschlägen dieser Art weiterhin die kalte Schulter, und es ist schon auffällig, dass diese Forderungen, die bis jetzt noch Zukunftsmusik sind, nicht ihre Aufmerksamkeit erregen konnten.
Wo die Stimmen der Einwanderer zählen
In Europa sind ganze 7% der Bevölkerung, die infolge von Migrationswellen hierher gekommen sind, von diesem Recht ausgenommen. Jedoch gibt es eine Menge Länder, die schon vor vielen Jahren in diesem Punkt einen entscheidenden Schritt nach vorne gemacht haben. Dazu gehören zum Beispiel Norwegen, Dänemark, Schweden, die Niederlande und Irland. Alle diese Länder gewähren sämtlichen Einwanderern das Wahlrecht für Kommunalwahlen.
Irland gesteht den Einwanderern dieses Recht seit 1963 nach mehr als sechs Monaten Aufenthalt zu. Schweden gewährt das Recht seit 1975 denjenigen, die mehr als drei Jahre Aufenthalt nachweisen können; Dänemark – mit derselben Bedingung – , seit 1981; und die Niederlande seit 1985, hier jedoch ab fünf Jahren Aufenthalt. Weniger beispielhafte Fälle sind die Großbritanniens und Finnlands. Großbritannien gewährt dieses Recht seit 1948 allen Einwohnern die aus dem Commonwealth stammen, und Finnland nur den Ausländern aus anderen skandinavischen Ländern mit mehr als drei Jahren Aufenthalt.
Währenddessen haben in Deutschland und Italien die Regierungen in ihren Wahlprogrammen vorgesehen, das Wahlrecht nach einem Jahr Aufenthalt zu bewilligen. Aber es war in Italien, wo die aktuelle Debatte zu diesem Thema entstanden ist, nämlich als Gianfranco Fini, der Führer der ehemals faschistischen Partei Alianza Nacional und Vizepräsident der Berlusconi-Regierung, im vergangenen Oktober einen Vorschlag machte, der eher als linksgerichtet einzustufen ist: Einwanderer sollen wählen dürfen.
Eine grundlegende Debatte
Für und wieder wurden jahrelang ins Spiel gebracht, ohne dass sie immer zu jeder Zeit vom politischen Links-Rechts-Gegensatz erfasst gewesen wären. Eben deswegen, weil man in Bezug auf die Immigration nicht sagen kann, dass es eindeutige Meinungen gibt, die von einer bestimmten Ideologie, Partei oder Regierung vorgegeben werden. Wer das Gegenteil behauptet, dem sei das Beispiel Fini genannt.
In Spanien kommt die einzige Stimme innerhalb der Parteien, die man in Einklang mit diesen Forderungen gehört hat, von der Izqierda Unida Vereinigten Linken, die dieses Jahr die Kampagne „Hier leb’ ich, hier wähl ich“ gestartet hat, um für das Wahlrecht der Einwanderer, die nicht aus der EU stammen, zu kämpfen. Nach Ansicht von Izquierda Unida beeinträchtigt diese politische Ausgrenzung die Legitimation der Demokratie. Außerdem kann es so keine allgemeingültigen Rechte geben, die den Weg in die Integration ebnen könnten.
Wie kann man denn verlangen, mit der Diskriminierung Schluss zu machen, unter der die Immigranten in der Tat leiden, wenn diese Art der legalen Diskriminierung weiter anhält?
Aber andere Stimmen, die nicht ausschließlich aus dem rechten Spektrum kamen, haben diese Argumente zurückgewiesen. Sie sind, aus Angst, dass die Migrationswellen die „Reinheit“ der alten europäischen Zivilisationen beflecken könnten, gegen einen Integrationsprozess.
Eine von denen, die mit ihrer Einstellung am meisten erstaunt hat, ist Oriana Fallaci: „Gerade weil sie so deutlich definiert ist, kann unsere kulturelle Identität keine Einwanderungswelle aushalten, die aus Menschen besteht, die auf die eine oder andere Weise versuchen, unsere Lebensweise zu ändern. Ich sage, dass es in Italien, in Europa, keinen Platz gibt für Muezzine, Minarette und so weiter gibt. Und selbst wenn es Platz gäbe, würde ich ihn ihnen nicht machen. Denn dann würden wir unsere Zivilisation zusammenstürzen lassen“.
Nach einem Einwanderungsbericht aus Brüssel sind für die Aufrechterhaltung des aktuellen Bevölkerungsniveaus im Jahre 2050 um die 16 Millionen Einwanderer notwendig. Und diese Zahlen steigen, wenn man andere Parameter heranzieht: Damit im Jahr 2050 ein Lebensstandard, der dem von 1998 entspricht, garantiert werden kann, braucht man 50 Millionen Einwanderer, und damit es die gleiche Anzahl an aktiver Bevölkerung gäbe, stiege diese Zahl auf fast 80 Millionen Ausländer.
Nach diesen Voraussagen käme in Europa in 47 Jahren ein Einwanderer auf jeweils drei Einheimische. 25% der Bevölkerung hätte eine nicht-europäische Muttersprache und gehörten einer nicht-europäischen Religion an. Sicher ist, dass keine Zivilisation bisher eine ähnliche Erfahrung gemacht hat. Man muss also abwarten, ob die Debatte um das Wahlrecht im Laufe der vielen Jahre, die noch bleiben, auflebt. Denn wenn sich Europa nicht einer drastischen Verjüngungskur unterzieht, wird sich die Integration früher oder später durchsetzen, da das Wahlrecht nicht nur von der nationalen Identität abhängen kann. Und in pluralistischen Staaten wir Spanien und Italien erst recht nicht.
Translated from El fantasma del sufragio inmigratorio