Egal, eklig, am Ende? Europäischer Feminismus!
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Deutschland, so wie der Rest Europas, scheint modernen Feminismus nicht mehr zu brauchen. Die so genannten Anti-Feministinnen haben es teilweise geschafft, mit ihren radikalen Positionen Fuß zu fassen. Ein Plädoyer für Offenheit und Reflexion über Feminismus in den „aufgeklärten“ Ländern.
Zur Sache: Die von der Welt losgetretene Feminismusdebatte neulich ging gründlich ins Höschen. Der deutschen Tageszeitung ist bei dem Gedanken an Feminismus offenbar langweilig geworden. Drei junge Redakteurinnen wurden gebeten, dazu radikal Stellung zu beziehen: dafür/ dazwischen/ dagegen. Das Ergebnis: Wilde Texte wurden geschrieben, die nichts Neues brachten, bis auf eine dreckige Schlammschlacht. Warum bloß?
Bleiben wir einmal bei der „Dagegen“-Position der Redakteurin Ronja von Rönne, da lässt sich doch eine positive Feststellung machen: Wenn eine junge und erfolgreiche Frau in Deutschland heute das Gefühl hat, der Feminismus habe in ihrem Leben keinen Platz (ist ihr also egal), weil er ihr zu abgestanden (gut, „eklig“, aber wir wollen hier ja nicht so übel schreiben, das wurde schon genug), dann haben die Jahre des Jammerns doch was gebracht, Alice Schwarzer! Alice Salomon könnten wir aufs Grab schreiben, sie sei nicht umsonst ins Exil gegangen, Ronja von Rönne braucht ihre Ideen nicht mehr, denn sie darf heute wählen, sich ihren Ehemann selbst aussuchen, eine Abtreibung vornehmen, sie muss auch nicht die Unterschrift ihres Ehemannes oder ihres Vaters vorlegen, wenn sie eine Arbeitsstelle annehmen will, wie die Frauen es noch bis in die siebziger Jahre in Deutschland mussten.
Seien wir also froh für Ronja von Rönne, sie fühlt sich ganz gleichgestellt, und wenn sie es in ihrem Leben zu etwas bringt, dann hat das nichts mit ihrem Geschlecht, sondern mit ihrer Leistung zu tun. Frauen in Deutschland verlassen endlich die Opferposition, soll das heißen. Wenn unsere jungen Frauen in Deutschland mit der Gewissheit aufwachsen, dass es für sie keine Grenzen gibt, bis auf die eigenen, dann hat der Feminismus doch wenigstens etwas in Deutschland gebracht: ein tolles Lebensgefühl einer sorglosen, jungen Generation.
„Feministischer Terror“ in ganz Europa
Doch nicht nur in Deutschland erklären Figuren wie Rönne, die offenbar noch nie über den Tellerrand geschaut haben, den Kampf um Gleichheit als gewonnen. In Frankreich hat sie eine Mitstreiterin in Elisabeth Lévy, der Chefredakteurin des Magazins Causeur, die zum Beispiel ein Dossier namens „feministischer Terror“ (orig.: „Terreur feministe“) verfasste. In einem Interview mit dem französischen Blatt Le Figaro denunziert Lévy die Neo-Feministinnen, die nach ihr bereits überkommene Strukturen bekämpfen würden und lediglich „Denken und Verhalten beherrschen wollen“.
Die italienische Bloggerin, Autorin und Journalistin Costanza Miriano schlägt mit ihrem Anti-Feminismus in die christlich-katholische Kerbe und beschäftigt sich beispielsweise mit Ehe, Familie und Geschlechterbeziehungen. Sie versteht die Aufregung um ihre drei Bücher, die Titel tragen wie „Sposati e sii sottomessa“ (etwa: „Heirate und unterwirf dich“) überhaupt nicht; auch nicht, warum die spanische Kultusministerin den Verkauf eben dieses Buches in Spanien verbieten wollte. In der BBC News Night im Dezember 2013 sagte Miriano zusätzlich aus: „Ich denke, Frauen, die dieselben Rechte wie Männer verlangen, fehlen Ambitionen. Wir sind so unterschiedlich zu Männern. Wir brauchen nicht dieselben, wir brauchen andere Rechte.“ Ein Armutszeugnis für ein aufgeklärtes Italien so wie ein aufgeklärtes Europa.
Zusätzlich zu nationalen „Leitfiguren“ hat sich 2013 eine globale Kampagne namens „Women against Feminism“ im Netz etabliert. Aufgrund von Posts wie „Ich bin gegen Feminismus, weil ich es mag, wenn Männer mich anschauen“ und „Ich bin gegen Feminismus, weil mich mein Freund gut behandelt“ wurde die Bewegung allerdings kritisiert. Die Frauen hätten den Feminismus nicht verstanden, so das Hauptargument.
Über den Bauchnabel die Realität nicht vergessen
Der Antifeminismus ist nichts Neues: Der junge Soziologe Hinrich Rosenbrock hat zu Antifeminismus-Bewegungen eine intelligente Studie durchgeführt. Eine Anti-Bewegung gibt es, seit es den Feminismus gibt. Anfangs wollte sie an der traditionellen Rollenteilung fest halten. Heute ist es eher so, dass sich Männer heute vermehrt als Opfer des Feminismus sehen. Umgekehrte Rollen also. Die jungen, europäischen Anti-Feministinnen wollen keine positive Diskriminierung, sondern um ihrer selbst Willen anerkannt werden. Als positiv zu vermerken ist, dass die einen wie die anderen darum bemüht sind, ausschließlich aufgrund ihrer Leistungen anerkannt zu werden und nicht aufgrund ihres Geschlechts. Aber genügt das?
Sicher nicht, solange eine junge Frau aus dem Iran, die gegen Menschenhandel und Ehrenmorde kämpft und nicht einmal bei ihrer Kleiderwahl frei ist, um ihr Leben fürchten muss. Auch nicht, solange junge Frauen in Deutschland mit Migrationshintergrund wie Lareeb Khan, von ihrem Vater erwürgt werden, weil sie sich ihren Ehemann selbst aussuchen wollen. Es wird Zeit, dass über den eigenen Tellerrand geschaut wird. Wir sind bei allen Positionen auf uns selbst bedacht.
Das mit der Bauchnabelperspektive geht gut, vor allem in Deutschland und uns geht es gut, zu gut, und zwar so lange, bis die Bombe platzt. Dazu muss man sich nicht unbedingt mit so dunklen Szenarios beschäftigen wie in dem neuen Roman „Unterwerfung" von Houellebecq, denn da gibt es keinen Feminismus mehr, eigentlich auch keine Frauen, sondern nur noch brave Muschis, die kommentarlos und diensteifrig zur Verfügung stehen. Eine Tatsache, die den modernen Frauen, denen es so gut geht, dass sie keinen Feminismus mehr brauchen, vielleicht das Fürchten lernen sollte, und sie dazu auffordern, nicht nur das eigene Frausein zu betrachten, sondern hinaus zu schauen in die Welt.