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Eduardo Dávila Miura: Ein Torero denkt nie über seinen Tod nach

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BrunchGesellschaft

Er zählte zu den besten Stierkämpfern Spaniens, bevor er im Herbst letzten Jahres seine Karriere beendete. Ein Gespräch mit Eduardo Dávila Miura, 33, über die Einsamkeit in der Arena und den Stierkampf als Kunstform.

"Ein Schauspieler und ein Torero treffen sich. Sagt der Schauspieler zum Torero: 'Eigentlich haben wir zwei ganz ähnliche Berufe. Wir beide treten vor Zuschauern auf und wir beide können am Ende ums Leben kommen.' Antwortet der Torero: 'Das stimmt. Nur das du mehrmals sterben kannst – und ich nicht'." Eduardo Dávila Miura lacht schallend, als er uns diesen Witz erzählt. Dabei zieht sich sein Mund weit auseinander und aus seinen Augen schießt ein schelmischer Blick.

Innige Beziehung

Als er im Oktober letzten Jahres seine zehnjährige Karriere beendete, zählte Dávila Miura zu den bekanntesten Stierkämpfern Spaniens. Er hat in dieser Zeit zahlreiche Ehrungen gewonnen und ist nicht nur in seiner Heimat Andalusien, sondern auch im restlichen Spanien, in Portugal, Südfrankreich und Lateinamerika aufgetreten. Der Rücktritt des 33jährigen kam für viele überraschend. "Ich habe alles erreicht und war am höchsten Punkt angekommen. Und ich dachte, das ist jetzt der beste Moment, aufzuhören", erklärt er seine Entscheidung im Rückblick.

Der Stierkampf ist Dávila Miura in die Wiege gelegt worden. Der Andalusier stammt aus einer bekannten Stierzüchter-Familie Sevillas, der Stadt, in der er geboren wurde, in der seine Laufbahn begann und auch endete. Er erzählt, wie er bereits als Jugendlicher auf der Farm seiner Eltern mit Stieren trainierte und so immer vertrauter mit ihren Verhaltensweisen und Eigenarten wurde. Die Verbundenheit mit den Tieren ist für ihn Voraussetzung eines guten Stierkämpfers. "Als Torero hat man eine innige Beziehung zu den Stieren", sagt er mit Nachdruck. "Das ist genau das, was die meisten Menschen nicht verstehen wollen."

In diesem intensiven Zweikampf mit dem Stier offenbare sich unweigerlich die Seele des Toreros. "Du kämpfst so, wie du bist", zitiert Dávila Miura den berühmten andalusischen Stierkämpfer Juan Belmonte. "Als Stierkämpfer bist du völlig allein. Auch wenn deinem Kampf viele tausend Menschen zuschauen: Es ist eine unvorstellbare Einsamkeit. Der einzige, den du in diesem Moment wahrnimmst, ist der Stier". Es gehe darum, den Charkter des Tieres zu entschlüsseln. Denn es gebe verschiedene Arten von Stieren, und mit allen müsste man auf verschiedene Art und Weise kämpfen. "Es gibt auch falsche Stiere, richtige Schauspieler", lacht er. Wenn man Dávila Miura über Stiere sprechen hört, spürt man die Liebe zu den Tieren, mit denen er aufgewachsen ist - und die er so zahlreich in der Arena getötet hat.

Kunst und Grausamkeit

Gerne vergleicht er den Stierkampf mit einem Kunstwerk, den Torero mit einem Künstler. "Der Stierkampf ist ein Drama, der einer genauen Choreographie folgt", fährt er fort. Drei Akte habe dieses Drama, die Tercios. Zunächst werde der Stier gereizt und verwundet, doch alles Ziele auf den letzten Akt: "Am Ende gibt der Torero mit dem Degen den tödlichen Stoß". Bei diesen Worten zeichnet Dávila Miura die Bewegung mit seiner riesigen Hand nach und fixiert uns dabei mit seinem Blick. "Es braucht höchste Konzentration, um zu wissen, wann der richtige Moment gekommen ist. Man ist ein Künstler, aber im Gegensatz zu einem Maler oder einem Schriftsteller hat man nur einen Versuch." Das einzige Ziel des Stierkampfes ist der Tod des Stiers: Dafür begibt sich jeder Torero in Lebensgefahr. Hat er während eines Kampfes nie an seinen eigenen Tod gedacht? Dávila Miura schüttelt den Kopf, seine Lippen zucken verächtlich: "Ein Torero denkt nie über seinen Tod nach."

Jedoch ist ein Stierkampf nicht nur ein kunstvolles, sondern auch ein grausames Spektakel. Der finale Stoß des Matadors wird von seinen Helfern, den Picadores und Banderilleros, sorgsam vorbereitet. Mit Lanzen und Spießen verwunden sie den Stier nach und nach an Nacken und Schultern, bis er vor Schmerzen brüllt. Die Corridas werden in Spanien immer unbeliebter, vor allem bei jüngeren Menschen. "Mag sein, dass der Stierkampf in Spanien derzeit in der Krise ist. Aber uns Toreros kümmert das nicht." Dávila Miura versucht, sämtliche Bedenken mit einer Handbewegung beiseite zu wischen. Für "diese Handvoll Kritiker" hat er nur einen verächtlichen Blick übrig. Wie würde er einen Skeptiker davon überzeugen, seinen Fuß in eine Stierkampf-Arena zu setzen? "Er muss ganz einfach eine Corrida sehen. Und er muss das Wichtigste im Stierkampf begreifen: Der Stier ist geboren, um zu sterben."

Eduardo Dávila Miura redet ungern über die Schattenseiten seines Berufes. Wenn er vom torear, dem "Stierkämpfen" schwärmt, durchdringt die Leidenschaft jede Faser seines kräftigen Körpers. Es falle ihm außerordentlich schwer, jetzt, nach dem Ende seiner Karriere, nur noch Zuschauer zu sein. "Es ist hart, immer nur andere kämpfen zu sehen. Der Stierkampf ist meine Berufung." Doch schließlich habe er auch Familie und Kinder, und da sei es schwer, einen so gefährlichen Beruf auszuüben. Acht, neun Mal sei er gefährlich verletzt worden. Was würde er sagen, wenn sein Sohn eines Tages zu ihm käme und ihm sagen würde, dass er Torero werden wolle? Dávila Miura stutzt, doch dann sagt er entschlossen: "Ich hätte sehr viel Angst um ihn, weil es ein hartes und gefährliches Leben ist. Aber ich würde es ihm erlauben. Schließlich ist es der schönste Beruf der Welt."

Mit Dank an Eduardo S. Garcés