Ecosia, viel Lärm ums Internet
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Nach einem Jahr der Begeisterung, der Zweifel und Meinungsverschiedenheiten wird die „grüne“ Suchmaschine Ecosia erneut lanciert. Was bisher geschah und was geschehen wird.
Kristian Kroll war schon seit anderthalb Jahren unterwegs, als er die üppige Schönheit des Regenwaldes mit eigenen Augen bewunderte. Er spürte, wie wichtig es ist, etwas für den Erhalt des Regenwaldes zu tun; es gab keine Zeit mehr zu verlieren. So kam er auf die Idee, Forestle – eine ökologische Suchmaschine und der Vorfahre von Ecosia - zu entwickeln. Das war im Norden Argentiniens, an der Grenze zu Brasilien, vor zwei Jahren. Zu dieser Zeit lebte er mit zwei Freunden in einer Wohngemeinschaft in Buenos Aires und las das meistverkaufte Buch von Thomas L. Friedman „Hot, Flat and Crowded“, in dem die grüne Revolution als neues Schlaglicht der westlichen Gesellschaften dargestellt wird. Die Lektüre dieses Buches, gepaart mit seinen Erfahrungen vor Ort, ließen die Idee des neuen Projektes „Ecosia“ entstehen.
Nach seinem BWL-Studium in Nürnberg war er auf der Suche nach einer eigenen Berufsidee, von der mehr Menschen als er selbst profitieren könnten. In seinen Plänen gab es keinen großen Konzern, der ihm ein gutes Gehalt zahlen könnte. Nach dem Abschluss hatte er dennoch keine konkrete Idee, er ging auf eine einjährige Weltreise und machte sich auf den Weg nach Indien, dann Richtung Norden nach Nepal, wo er für einige Monate blieb.
Dort setzte er seine erste eigene Idee um: die Suchmaschine Xabbel. Die Idee hinter Xabbel ist dieselbe, mit der jetzt Ecosia funktioniert: Die Werbeeinnahmen der Suchmaschine werden gespendet und unterstützen gemeinnützige Zwecke. Um das zu erreichen, lernte Kristian Kroll, selbst zu programmieren und stellte die Eingabemaske online. Die ersten unterstützten Projekte waren kleine Bildungsprojekte und medizinische Hilfe für Kinder in der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu. Die Schwierigkeiten waren groß, sowohl das Programmieren als auch die Beobachtung der verschiedenen Projekte brauchten eine strukturierte und komplexe Organisation. Dafür engagierte er zwei junge Nepalesen, Sita und Rajendra.
Jetzt befindet sich das Büro von Ecosia in Berlin und die Mitarbeiterzahl ist auf fünf gestiegen, ähnlich wie in Kathmandu arbeitet das Team in einem kleinen Hinterhof. Doch das Leben in Berlin ist anders. In dem Büro mit drei Räumen hinter einem kleinen Laden in Schöneberg gibt es Strom und die Mitarbeiter können einfach nach Hause gehen, um zu schlafen. In Nepal gab es Strom nur drei Stunden pro Tag und niemand wusste genau zu welcher Zeit. Die zwei Mitarbeiter, die täglich von außerhalb der Stadt kamen, wohnten deshalb oft im Büro, um die Arbeit an dem Computer leisten zu können.
Kristian Kroll selbst wohnt nicht mehr in einer günstigen Pension in der überfüllten nepalesischen Hauptstadt, sondern in einer Wohnung in der Nähe des Büros mit einem ruhigen Balkon. Nach dem Aufwachen, manchmal bei Sonnenschein, liest er hier die neuesten Blogeinträge über Ecosia. Dann beginnt die tägliche Arbeit. Unter einem Poster des Regenwaldes, das die ganze Wand des langen und engen Zimmers bedeckt, arbeiten Sebastian und Nikolas. Sebastians Aufgabe besteht darin, sich um die verschiedenen Partnerschaften, zum Beispiel mit dem WWF, zu kümmern und immer neue Kooperationen zu schaffen. Nikolas befasst sich mit allen technischen Problemen. Kleine Fehler und Bugs korrigieren, das System verbessern, die Suchergebnisse anpassen - die Technik macht ständig Arbeit. Die letzte Aufgabe, mit der er sich beschäftigt hat, ist die Anpassung der Map-Suche und der Routenplaner zu Ecosias Website, damit alle Funktionen sauber integriert werden. Ecosia bekommt die Suchergebnisse von Bing und dem gesponserten Link von Yahoo – das ist Teil des neuen Geschäftsmodells. Die Internetbenutzer diskutieren oft über den Umfang und die Genauigkeit der Suchanfrage. Viele Nutzer behaupten auf den Blogs, dass Google in diesem Bereich viel besser als die Microsoft-Konkurrenz von Bing und Yahoo sei, während andere meinen, dass kaum ein Unterschied in ihren normalen Suchanfragen zu bemerken sei.
Im Büro von Ecosia sind sich alle dieser Kritik bewusst. „Im Moment ist Google einfach das Beste“, sagt Jana Kroll, Schwester von Kristian und Pressesprecherin des Projekts. „Fakt ist, je mehr eine Suchmaschine benutzt wird, desto genauer sind die Suchergebnisse; derzeit leistet Google die meisten Suchanfragen, aber Bing ist die nächste seriöse Konkurrenz und wächst ständig“, sagt die Pressereferentin. Sie erzählt auch, dass Ecosia am Anfang einen Vertrag mit Google hatte, der schon nach einer Woche, nachdem die Klicks starke gestiegen waren, gekündigt wurde. Der Grund dafür war, dass die Vertragskriterien die Einnahmen für gemeinnützige Zwecke nicht erlaubten. Google, der „gute Riese“, ist nicht einverstanden mit der Idee von Kristian Kroll, die Werbung als Spenden zu verwenden. Microsoft hingegen verpasste nicht die Gelegenheit, mehr Nutzer daraus zu ziehen: Ecosia bringt eine Aussteuer in Höhe von 220.000 Nutzern pro Tag mit. Was bedeutet das konkret für den Regenwald? Das ist die zweite große Frage, die sich die Nutzer von Ecosia häufig stellen. Seit der Lancierung im Dezember 2009, anlässlich des Klimagipfels in Kopenhagen, wurden ungefähr 160.000 Euro gespendet, alles Spenden sind zertifiziert. Das bedeutet ein „Gehalt“ von 12.000 Euro im Monat für den Regenwald; das durchschnittliche Gehalt in Brasilien ist 750 Euro pro Monat.
Der Empfänger der Spende ist nach dem neuen Abkommen der WWF International, vorher war es der WWF Deutschland. Die Berichte über die Fortschritte der Hilfen werden regelmäßig auf der Seite von Ecosia gepostet. Das neue Abkommen und die Wiederlancierung, die vier Monate gebraucht hat, wurden eingeleitet, um den Beschwerden von vielen Nutzern entgegenzukommen, da sie die Informationen nicht präzise genug fanden und die Kommunikation mit den Nutzern und Kunden im Ecobusiness ein besonders wichtiger Teil des Erfolges eines Projekts ist. Neben Kristian Kroll gibt es deshalb jetzt zwei neue Mitarbeiter, die sich um die Kommunikation kümmern. Jana, die Schwester, und Schannon arbeiten auf Facebook, Blogs und mit E-Mails, um die Bedürfnisse der Nutzer mitzubekommen, während Daniel, ein Schüler aus Griesheim, in den Pausen mit den technischen Fragen der Wiederlancierung hilft.
Zwei Stunden sind mit dem Rundgang durch das Büro und mit dem Gespräch vergangen - Spenden von 157.913 bis 158.075, d.h. 162 Euro sind eingegangen. Nach den Daten von IMPE, dem Nationalen Brasilianischen Institut für Weltraumforschung, wurden in der gleichen Zeit ungefähr 1,5 Quadratkilometer Regenwald zerstört.
Von Stefano Lippiello
Foto 1: Photo von peter wankerl 2009/ Flickr 2: Photo von James Ghuppy 2009/Flickr 3: Photo von Von Simon Law 2005/ Flickr 4: Photo von global2000 Jahr 2010/ Flickr