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Eboy: Urbanes Bauchgefühl aus Berlin

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Kultur

London, Köln, Berlin, Venedig, Tokio: Die Berliner Designergruppe 'eboy' pixelt Städtevisionen und bezeichnet sich selbst als Jazzkapelle, die festen Konzepten von Urbanität zum Trotz, einfach improvisiert.

Kai Vermehr (43), Steffen Sauerteig und Svend Smital (41) sind eboy - eine 1997 gegründete Grafikertruppe, die aus einzelnen Pixelpunkten witzige Stadtposter, Zeitungsillustrationen oder Stoffe für berühmte Modedesigner wie Paul Smith entwerfen. Zum Interview an einem nasskalten Berliner Montag erscheinen die Berliner getrennt - sie bevorzugen Videochat, da sie in verschiedenen Büros quer über die Stadt verteilt arbeiten.

(Foto: Louisa Reichstetter)

Wie alt wart ihr, als ihr die Legokisten endgültig auf den Speicher geräumt habt?

Die sind immer noch nicht auf dem Speicher! Wir haben eher noch viel mehr davon, seit wir Kinder haben.

Wie funktioniert eure Arbeit im Alltag? Arbeitet ihr mit Photoshop oder habt ihr ein eigenes Programm entwickelt?

Unsere kleinen Bausteine sind die Pixel. Wir arbeiten tatsächlich mit Photoshop und zwar mit dem Pen-Tool, dem einfachsten Werkzeug, das wie ein Stift funktioniert. Damit bauen wir auf Pixelebene und speichern ein Haus oder einen Baum oder einen Menschen in einer Datenbank ab. Die großen Bilder entstehen dann dadurch, dass wir uns überlegen, wie wir die Objekte aus unserer Bibliothek verdichten und zusammenfügen. Wir verändern ihr Aussehen, die Farbe und arbeiten in Photoshop mit ganz vielen Ebenen, sodass wir immer wieder kleine Details verändern können.

Wie lange ist die Entstehungsphase eines Stadtporträts?

Das ist ganz unterschiedlich, aber ein bis zwei Monate dauert es mindestens. Es kann auch Jahre dauern, weil wir einfach immer wieder etwas Neues einbauen.

Stadtporträt Berlin (Foto: ©eboy)

Verarbeiten die Bilder auch eure Reise- oder Alltagserlebnisse in den Städten?

Zunächst suchen wir nach typischen Merkmalen, damit man die Städte überhaupt erkennt. Aber natürlich ist auch viel von uns selbst drin und sicher auch was von dem, was wir in den Städten erleben oder erlebt haben. Das geschieht aber nicht geplant, sondern ist das Resultat von Fantasie und Spielerei.

In Zeiten, in denen Kameras mit immer mehr Megapixeln und besseren Auflösungen werben, ist euer Design grob und verpixelt. Wie kamt ihr auf die Idee dieser gegenläufigen Ästhetik?

Wir haben einfach vor Ewigkeiten angefangen, auf dem Bildschirm Bilder zu zeichnen, denn Eboy gibt es seit 1997. Hey, uns gibt es schon länger als Google! [Lachen] Jedenfalls haben wir unsere ersten Bilder auf Disketten gespeichert und an Freunde und Bekannte verteilt. Wir haben ihnen gesagt: `Wenn sie euch gefallen, dann gebt doch einfach eine neue Diskette an eure Freunde weiter. So wurden wir immer bekannter und es macht bis heute Spaß, direkt mit Pixeln zu arbeiten. Das ist weder entschiedenes Abgrenzen vom Trend der immer höheren Auflösung, noch eine bewusste Retro-Masche.

Stadtporträt London (Foto: ©eboy)

Auf euren wild-bunten Stadtentwürfen sieht man wenig Organisches - also wenig Grün, wenige Tiere, auch die Menschen sehen aus, als wären sie aus Plastik. Außerdem rollen Monster durch die Szenerie. Ist dieses Lebensfeindliche die Zukunft der Städte?

Das sehen wir nicht bewusst so. Wir könnten genauso gut ein Dschungelbild machen. Werden wir bestimmt auch bald tun, gute Idee! Die Pixelobjekte haben die Eigenschaft, dass sie steifer und gerader aussehen, als wenn wir sie mit dem Stift auf Papier zeichnen würden. Es trotzdem gut aussehen zu lassen, ist gerade die Herausforderung: Das hat nichts mit Lebensfeindlichkeit oder Zukunft zu tun, sondern ist vielmehr ein Resultat der einfachen Mittel, derer wir uns bedienen.

Welches Konzept von urbanem Raum steckt hinter euren Entwürfen?

Gar keins! [Lachen] Nein, mal ehrlich: In unseren Bildern gibt es quasi keinen theoretischen Anspruch. Wenn wir irgendwas geil finden, dann muss es rein. Es ist eine Bauchsache. Und somit ist es auch wichtiger, dass irgendwo ein Monster drin steht, als dass es ein Konzept von Urbanität gäbe. Eboy ist wie eine Jazzkapelle: Wir improvisieren.

Was bedeutet Europa für euer Bauchgefühl?

Europa - das ist ein Haufen verschiedener Eindrücke. Das Berlinposter vereint eigentlich alles, was in Europa an Veränderung stattfindet: Ost und West wachsen zusammen, hier passiert so viel, die Stadt ist jung und wild.

Inwiefern fließt die Geschichte der Orte in ein Bild mit ein?

Wir lieben schöne Dinge, das Leben an sich und wir mögen es, uns in unseren Bildern auszutoben. Da kann auch schon mal eine historische Szene mit rein, wenn sie abgefahren ist. Zum Beispiel haben uns die uralten japanischen Gärten an Tokio fasziniert.

Zurück zu den Bildern, sie sehen ja ein bisschen so aus wie zusammengestoppelte Suchbilder. Seid ihr die Cyber - James Rizzis?

Den kennen wir noch gar nicht, gleich mal googlen. Ich [Kai] habe früher die Bilderbücher von Ali Mitgutsch sehr gemocht. Diese Ähnlichkeiten sind aber trotzdem Zufall.

Wie sind die Reaktionen von Frauen darauf, wie sie von euch dargestellt werden?

Verständnisvoll. [Alle prusten nach kurzem Schweigen laut los] In all den Jahren haben wir nur vereinzelt böse E-Mails von Frauen bekommen. Wir sind halt Jungs und so bauen wir uns auch mal Pixel für Pixel eine nackte Frau.

Und wer kauft sich eure Plastikfiguren?

So Leute wie wir! Unser Nachbar zum Beispiel leitet die Verwaltung eines großen Krankenhauses. Und trotzdem fährt er auf unsere Spielfiguren ab. Viele Leute kaufen sie auch für ihre Kinder, weil sie so groß wie Playmobilmännchen und eher Spielzeug als Designobjekte sind.

Eure Büros liegen in Berlin verstreut. Braucht ihr diese Ferne voneinander, um zusammenarbeiten zu können?

Das hat eher ganz pragmatisch mit Wohnorten zu tun. Seit ich [Steffen] in Zehlendorf wohne, habe ich einfach keine Lust mehr, jeden Tag durch die ganze Stadt zu reisen, um dann doch nur am Computer zu arbeiten. Ich [Kai] hab mir schon mal ein Büro mit den beiden geteilt, aber ich habe nur gequasselt.

Danke für dieses Gespräch.