Download - Du surfst nicht allein!
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Musik im Netz, Copyright, illegale Downloads. Diese Thematik macht gerade die Runde durch Europas Politikerbänke. Nationalstaaten versuchen mit neuen Mitteln Internetpiraterie einzubinden und stellen dabei wesentliche Grundrechte in Frage. In Brüssel stellt sich in dieser Frage das EU-Parlament gegen den Ministerrat und in Berlin diskutierte cafebabel.
com mit Bloggern, Politikern und Vertretern der Zivilgesellschaft.
Manuel hat sein Werkzeug mitgebracht: Einen Laptop und die passende Software, um sich in ein W-LAN Netz einzuhacken. Er möchte mir zeigen, wie einfach es ist, an den verschlüsselten Zugangscode für eine Internetverbindung zu gelangen. Wir treffen uns nicht ohne Grund.
In ganz Europa wird momentan nicht zuletzt durch den Raubkopierer-Prozess gegen das schwedische Internetportal The Pirate Bay über illegales Filesharing und Internetsperren diskutiert. Bis jetzt ermöglichte das schwedische Urheberrecht eine solche Plattform, die selbst keine Dateien anbietet, sondern nur aufzeigt, auf welchem Computer sie zu finden sind.
Auf der Hompage des Bundesverbandes für Musikindustrie zählt ein Counter illegale Downloads in Echtzeit - im Schnitt 10 Stück pro Sekunde.
Der Kampf gegen Internetpiraterie beschäftigt mittlerweile nicht nur die Entertainmentindustrie, sondern auch Europas nationale Parlamente und die Politiker in Brüssel, die im EU-Telekompaket eine einheitliche Regelung finden wollen. "Immer mehr Länder in der EU und weltweit sehen im Versand von Warnhinweisen in Verbindung mit Sanktionen einen effizienten Weg zur Eindämmung der Internetpiraterie", erklärt Stefan Michalk vom Bundesverband Musikindustrie. Auf der Hompage seines Verbandes zählt ein Counter illegale Downloads in Echtzeit - im Schnitt 10 Stück pro Sekunde.
In dem Café, in dem wir sitzen, hat Manuel mittlerweile seinen Laptop hochgefahren und zeigt mir die Abhörsoftware, mit der er einen W-LAN Code knacken kann. Es ist eigentlich ganz einfach: eine Anwendung schneidet gesendete Informationen zwischen Rechner und Router mit und ein anderes Tool analysiert die Datenpakete. Manuel hat ein funkstarkes Netzwerk gefunden, das die Software nun aufzeichnet. Jetzt heißt es abwarten. Während wir uns einen weiteren Milchkaffee bestellen, erklärt mir Manuel, der bei einer Computerzeitschrift arbeitet, wie er die Sache mit den illegalen Downloads sieht. „Die Musikindustrie schreit im Moment, weil ihnen die Einnahmen wegbrechen. Doch innovative Bands wie Radiohead, Manu Chao oder Jill Sobule zeigen, dass man auch mit copyrightfreier Musik Geld verdienen kann und dass Leute bereit sind dafür zu zahlen.“
Medienwissenschaftler Volker Grassmuck ergänzt auf der cafebabel.com Diskussionsrunde zum selben Thema, dass Musikdownloads aus dem Internet auch die Chance bieten, die Musikindustrie demokratischer zu machen. Bisher bekommen Musiker Lizenzzahlungen von Verwertungsgesellschaften wie der Gema prozentual zu ihrer Popularität in Radio und TV Charts. Interneterhebungen zeigen allerdings, dass Independentmusiker viel beliebter sind, als es der gängige Radio-Super-Mix vermuten lässt. Grassmuck fordert daher eine neue Offenheit und Kooperation zwischen Künstlern und Nutzern.
Seit September 2008 greift in Deutschland ein neues Gesetz zum Schutz des geistigen Eigentums, das es der Musikindustrie ermöglicht, bei Internetanbietern die Adressdaten mutmaßlicher Raubkopierer zu verlangen. Eine richterliche Anordnung reicht dazu aus.
In Irland braucht man gar keinen Richter mehr. Der Anbieter Eircom hat sich mit Europas größten Plattenfirmen geeinigt, bei einem Verdacht auf Raubkopien nach zwei Mahnungen den Internetanschluss zu kappen. Das französische Gesetz „Loi Hadopi“, das gerade in der Nationalversammlung diskutiert wird, sieht ein ähnliches „3-Strikes-System“ vor.
Auf europäischer Ebene liefern sich das Parlament und der EU-Ministerrat seit mehreren Monaten eine Debatte mit viel Sprengstoff, denn die Internetsperren, die von Regierungschef Nicolas Sarkozy und Silvio Berlusconi ersehnt werden, bedeuten eine komplette Überwachung der Nutzer.
„Demokratie braucht Anonymität“, fordert Martin Häcker, Mitglied der Deutschen Piratenpartei, die sich in Ahnlehnung an das schwedische Pendant gegründet hat. „Seitdem in Deutschland das Prinzip der Vorratsdatenspeicherung gilt, sind die Anrufe bei der Aidshilfe, Telefonseelsorge und den Drogenberatungsstellen merklich zurückgegangen“, erklärt Häcker. Unter dem Deckmantel der Terrorismusbekämpfung würden seit dem ersten Januar Millionen von Daten gespeichert, die eine offene Gesellschaft in Frage stellen. Menschen könnten davon abgehalten werden, sich staatskritisch zu engagieren und Informanten würden gehindert, Missstände und illegales Handeln aufzuzeigen.
Bernd Carstensen, Pressesprecher des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, entgegnet allerdings, dass sich mit der Vorratsdatenspeicherung de facto nicht viel bei den Internetanbietern ändere. Auch vorher hätten diese Firmen Daten zu Abrechnungszwecken gesammelt. Nun sind sie mit einem richterlichen Antrag für die Staatsanwaltschaft abrufbar. Viel schlimmer bezeichnete Carstensen den Umgang mit Daten in der freien Wirtschaft, wie die aktuelle Affäre bei der Deutschen Bahn zeigt.
Eineinhalb Stunden hat Manuel gebraucht, um den Zugangsschlüssel zu einer W-LAN Verbindung in Berlin Prenzlauer Berg zu knacken. Zugegeben, der Nutzer verwendet den veralteten Verschlüsselungsstandard WEP (Wired Equivalent Privacy), aber Manuel versichert mir, dass der Lauschangriff auch mit neueren Standards funktioniert hätte. Ein Klick auf thepiratebay.org und schon eröffnet sich die ganze Welt der Downloads mit einer völlig fremden Computerkennung. Zum Abschluss unseres Experiments fragt Manuel rhetorisch, „wie kann man denn jemanden wegen illegaler Downloads zur Rechenschaft ziehen wollen, wenn gar nicht eindeutig festzustellen ist, wer dafür verantwortlich ist? IP-Adressen sind keine Telefonnummern!“
„Wir befinden uns mitten in einem Kulturkampf“, erklärt Markus Beckedahl vom Weblog netzpolitik.org zum Ende der cafebabel.com Diskussionsrunde. Bis jetzt wurde Kultur von wenigen gemacht und an viele weiterverkauft. Das Internet ändert dieses Modell, denn alle können nunmehr etwas kreieren und dies weitergeben. Und Markus fügt an, „das Urheberrecht ist nicht mehr zeitgemäß. An jeder Stelle im Netz steht man mit einem Bein in der Urheberrechtsverletzung. Es muss sich etwas ändern, aber so manch einer versucht, das Zeitalter zurückdrehen.“
Nicolas Sarkozys Partei UMP scheint es aber mit dem Urheberrecht selbst nicht so genau zu nehmen. Die Partei hat den Song "Kids" und zwei Videos von MGMT ohne Erlaubnis bei einem Meeting im Januar verwendet und wurde nun prompt von der New Yorker Band verklagt.