Dolce Vita in Trulliland
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Anne GlaseIbiza? Polynesien? Oder doch lieber die Seychellen? Von wegen. Die beliebtesten Ferienziele haben sich entsprechend der Ansprüche der Touristen von Grund auf gewandelt. Eine Entdeckungsreise der besonderen Art im Land von trulli und taralli…
Abgeschiedene Paradiese, die durch ihre jahrhundertealten Traditionen und ihre Einfachheit bestechen, laufen exotischen Touristenmagneten, künstlichen Strand- und Badeparadiesen und Vergnügungshochburgen wie Ibiza immer öfter den Rang ab. In Italien spricht man schon von einer „Rückkehr zu den Ursprüngen“. Mit dem traditionellen Italienurlaub –inklusive berühmter Kunststädte, spektakulärer Küsten, Pilgerreisen und Modetourismus – hat das aber nicht viel zu tun. Viele Touristen zieht es mittlerweile in die ehemaligen Sommerresidenzen des italienischen Adels oder in die einfachen Behausungen der Landbevölkerung. Nicht Florenz, Venedig, Rom oder Neapel werden da angesteuert, sondern Alberobello, Conversano und Noicattaro im süditalienischen Apulien oder die winzigen Dörfer der Toskana, die fernab vom Touristenchaos des prächtigen Florenz liegen.
Das Land der trulli steht bei Reisenden hoch um Kurs
Mit internationalen Popstars und Ökotouristen im apulischen Trulliland
Trulliland: So wird das Itriatal in Apulien mitunter auch bezeichnet. Die für ihre kegelförmigen Steinbauten aus Kalkstein, die von den Einheimischen trulli genannt werden, bekannte Gegend ist seit ihrer Ernennung zum UNESCO-Weltkulturerbe kein Fleckchen mehr, über das man auf der Landkarte schlicht hinwegsehen kann. Dass sich gutbetuchte Reisende einmal für diese Steinkegel interessieren würden, hätte vor ein paar Jahren noch niemand gedacht. Die sonderbare Bauweise der trulli war ursprünglich wohl eher ein Weg, der Grundsteuer zu entgehen. Ihre zahlungsunwilligen Besitzer gaben sich sogar Rauchzeichen, um sich gegenseitig vor plötzlichen Kontrollbesuchen des Steuereintreibers zu warnen: Dann wurden die Kegelhäuschen blitzschnell mit Steinen verdeckt, was ihnen, bis die Gefahr wieder vorüber gezogen war, den Anschein eines bloßen Steinhaufens verlieh. Unter den heutigen Besitzern dieser Behausungen, die wohl mit Recht als eines der frühesten Beispiele von Steuerhinterziehung bezeichnet werden können, sind Promis und Touristen aus aller Welt.
Kunst und Kultur in Gutshäuser aus dem 18. Jahrhundert
Von der Adelsresidenz zum alternativen Urlaubsort
So gar nichts mit den trulli gemein haben die Gutshäuser aus dem 18. Jahrhundert, meist hochherrschaftliche Residenzen, die heute als Veranstaltungsort für kulturelle Ereignisse genutzt werden. Ein Beispiel gefällig? Da wäre etwa Sanrà, der Wohnsitz der Freiherren von Noja, zwischen den Städtchen Noicattaro und Nola in der Provinz Bari gelegen, das mit einer wechselvollen Geschichte aufwarten kann. Zunächst Adelsresidenz, dann Bauernhof und später gar Zufluchtsstätte, als die Pest das Land heimsuchte. Heute sind die Gebäude wieder instand gesetzt und in eine großen Gutshof umgewandelt worden, auf dem neben Hochzeiten und ähnlichen Feierlichkeiten vor allem Kulturprojekte und -veranstaltungen Raum gegeben wird.
„Die Besonderheit dieser Orte liegt nicht in ihrer baulichen Substanz, im landschaftlichen Panorama, sondern in ihrer magischen Beziehung zur Umgebung begründet: Die Bewohner der umliegenden Gegenden fühlen sich bei uns daheim, sie sind mit diesem Gut aufgewachsen, es ist Teil ihres Lebens“, sagt der Besitzer Sante Radogna.
„Der Reisende muss hier weiter nichts tun, als die Natur zu genießen”
Bleiben wir in Italien, um einen Blick auf die sogenannten agriturismi (ein ähnliches Konzept wie der deutsche „Urlaub auf dem Bauernhof“; A.d.R.) zu werfen. Die italienische Version des Urlaubs auf dem Lande hat die Bauernhöfe und Gutshöfe in ganz Italien erfasst. Gerade in der Toskana mit ihren entlegenen Dörfern ist das Konzept besonders verbreitet. Zu dieser Art von Ferien gehört es auch, den typischen Alltag auf dem Bauernhof zu neuem Leben zu erwecken: Die Herstellung von Pasta und Milcherzeugnissen und die Arbeit im Weinberg steht daher auf der Tagesordnung. Ein Tourist muss hier weiter nichts tun, als die Natur zu genießen und sich aktiv am Leben der Hausgemeinschaft zu beteiligen. Die Preise reichen dabei von 20 bis 250 Euro pro Tag… da ist für alle Portemonnaies etwas dabei!
Diskotheken mit musikalischer Animation rund um die Uhr oder Schlangen vor den Museen wird man hier nicht finden: Das neue dolce vita, das so gar nicht mit Mastroiannis Version vom süßen Leben zu tun hat, erfreut sich bei jungen Touristen aus allen Teilen Europas wachsender Beliebtheit erfreut. Denn was kann schöner sein, als ein Glas Wein, dazu taralli, eine Gebäckspezialität aus Apulien, und ein paar Käsebrocken zu genießen? Das Erlebnis wird nur umso einprägsamer, je länger man vorher selbst bei der Weinlese geholfen, Teig geknetet und gemolken hat!
Anfahrt:
Der Gutshof Sanrà in Noicattaro:
- Mit dem Auto kommend, fährt man auf der Staatsstraße SS16 bis Mola di Bari und dann weiter bis Contrada Gallinaro, zwischen Noicattaro und Mola.
- Wer die öffentlichen Verkehrsmittel bevorzugt, nimmt von Bari einen Zug oder Bus der Linien Sud-Est oder Miccolis bis Noicattaro. Von dort sind es mit dem Auto noch 30 Minuten bis Sanrà.
Die Trulli von Alberobello:
- Mit dem Auto nimmt man von Bari aus die Staatsstraße SS110 (ca. eine Stunde Fahrt) oder die SS16 (wenn man die Aussicht genießen will) bis zur Ausfahrt Alberobello. Dann geht es Richtung Monopoli weiter auf der SP113.
- Nach Alberobello fahren auch Züge ab Bari sowie eine Reihe von Bussen von Reiseveranstaltern, die auch Touren anbieten.
Translated from Vacanze italiche: La Dolce vita rurale