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"Dieses Jahr kam der Regen spät und nun sind die Bäume tot"

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Die Covid-19-Pandemie und der Krieg in der Ukraine haben weltweit verheerende Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit. Einkommensschwache Länder sind bereits mit dem Anstieg der Lebensmittelpreise konfrontiert und dadurch stark von Unterernährung oder sogar Hungersnöten bedroht. In unserer ersten GenerAction-Reportage erklärt der ONE Jugendbotschafter Jonas Nitschke am Beispiel Tansanias, warum sich der G7-Gipfel auf die Unterstützung der lokalen Nahrungsmittelproduktion konzentrieren sollte.

Ein heißer Sommertag im Juli 2019 in der ostafrikanischen Metropole Daressalam. Eine leichte Brise streicht durch die Palmenblätter in der kleinen Allee im Mikocheni-Viertel der tansanischen Hauptstadt. Vom nahegelegenen Indischen Ozean hört man die Schiffskutter allerlei frischen Fisch in den Hafen bringen. Auf der Hauptstraße hört man die dröhnenden Motoren der Lastwagen, die die Produkte der Bauern vom Feld zum Kariakoo-Markt bringen.

Es ist Freitagmittag und wir befinden uns in einer belebten Gegend der Stadt. Wir sitzen in unserem Lieblingscafé, der Container Bar. Der junge Kellner begrüßt uns mit einem Händedruck und nimmt unsere Bestellung auf Swahili auf. Unsere Teller werden bald mit Chips Mayai, Mchicha und Ugali gefüllt. In der Lokalsprache ist das ein Omelett mit Kartoffeln, Spinat und einer Mischung aus Mais und Maniokmehl. Ugali kann mit Polenta verglichen werden und ist bei den Tansaniern sehr beliebt. Die meisten Gerichte auf der Speisekarte werden mit lokalen Produkten zubereitet.

In Tansania macht die Landwirtschaft fast 30 Prozent der Gesamtwirtschaft des Landes aus und beschäftigt drei Viertel der Arbeitskräfte des Landes. Die Agrarproduktion ist jedoch, wie in anderen Ländern an der Ostküste Afrikas, sehr vielfältig.

Doch das Land leidet noch immer unter den Folgen der Covid-19-Pandemie, und die zahlreichen globalen Krisen wie der Krieg in der Ukraine haben verheerende Auswirkungen auf die Nahrungsmittelproduktion und Ernährungssicherheit Tansanias. Die Inflation ist ebenfalls hoch, da die Lebensmittelpreise seit April 2019 um 6,6 Prozent gestiegen sind.

Dafür sollten Industriestaaten zur Rechenschaft gezogen werden, erstens wegen ihrer Untätigkeit in Bezug auf den Klimawandel und dessen Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit. Dadurch, dass die tansanische Bevölkerung von der lokalen Landwirtschaft abhängig ist, wird ihre Ernte und Nahrungsmittelproduktion durch steigende Temperaturen, häufigere Dürreperioden oder stärkere Regenfälle extrem beeinträchtigt.

Dies wird besonders in Nationalparks im Landesinneren wie Mikumi oder Tarangire deutlich, da dort Wasserstellen für Elefanten oder Antilopen austrocknen. Trotz reichhaltiger Wasserressourcen leidet Tansania unter Wasserknappheit, die durch die Auswirkungen des Klimas auf die Flüsse des Landes und die drei größten Seen des Kontinents wie den Viktoriasee im Norden noch verschärft wird.

Das zweite Hauptproblem, das diesen Teufelskreis vorantreibt, ist die Ernährungsunsicherheit. Nach Angaben des Welternährungsprogramms ist Tansania bei der Nahrungsmittelproduktion derzeit selbstversorgend. Da sich die Einwohnerzahl dort jedoch bis 2050 verdoppeln wird, muss die Nahrungsmittelproduktion gesteigert werden, um chronische Unterernährung bei Kindern unter fünf Jahren zu vermeiden.

Die aktuelle Lage ist jetzt schon alles andere als perfekt: Etwa ein Drittel der tansanischen Kleinkinder sind unterernährt. Und auf dem gesamten afrikanischen Kontinent kann eine unausgewogene Ernährung die körperliche und geistige Entwicklung von 155 Millionen Kindern beeinträchtigen.

Bei der Mangelernährung geht es nicht nur um Lebensmittel.

Unterernährung ist auch die Ursache für das Auftreten vermeidbarer Krankheiten wie zum Beispiel Tuberkulose, HIV/AIDS und Malaria. Ein Fünftel aller Todesfälle bei Schwangeren und Kindern unter fünf Jahren gehen auf Malaria zurück, auch wenn die Behörden in den letzten Jahren den Kampf gegen Malaria durch mehr Investition in die Prävention und die medizinische Behandlung verstärkt haben, und dadurch die Kindersterblichkeitsrate halbiert werden konnte.

Dies wurde insbesondere durch die Arbeit des Global Fund möglich, einer Partnerschaft, die darauf abzielt, die Epidemien von AIDS, Tuberkulose und Malaria auszurotten. Seit ihrer Gründung hat die Partnerschaft durch die Investition von mehr als 47 Milliarden Euro und die Stärkung der Gesundheitssysteme in mehr als 155 Ländern dazu beigetragen, 44 Millionen Leben zu retten. Damit ist sie eine der größten Träger der globalen Gesundheit.

Wir als junge Aktivisten haben kürzlich Mitglieder des Europäischen Parlaments aufgefordert, ihren nächsten Spendenaufruf vollständig zu finanzieren.

Tansania gehört zu den Ländern mit den höchsten Malariafällen. Der Anteil der Malariafälle in Tansania macht 3 Prozent der weltweiten Fälle und 5 Prozent der weltweiten Todesfälle aus. Um diesen erschreckend hohen Zahlen entgegenzuwirken, stellt der Global Fund zusammen mit der Malaria-Initiative des US-Präsidenten (President’s Malaria Initiative, PMI), dem größten Programm der US-Regierung zur Bekämpfung von Malaria, mehr als 90 Prozent ihrer finanziellen Mittel für Tansania bereit. Dies führt zur Verbesserung der Gesundheitssysteme.

Aber das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Bewältigung dieser Krisen erfordert von uns Industriestaaten einen systematischen Wandel und eine nachhaltige Politik.

Keine leeren Versprechen mehr

Die Blockade des ukrainischen Getreides im Schwarzen Meer zeigt uns einmal mehr, dass wir als G7-Länder nicht darauf vorbereitet sind, dass die globale Nahrungsmittelkrise in Kriegszeiten als politisches Instrument eingesetzt werden kann. Dies hat mit unseren unzureichenden politischen Lösungen zu tun, da wir nicht genügend Kapazitäten und Ressourcen in Diversifikationsstrategien und lokale Herstellung investieren.

Unsere politischen Prioritäten haben sich durch den Krieg in der Ukraine verschoben und das Geld wird vor allem aus dem Budget für Entwicklungshilfe genommen. Der Beitrag des Budgets meines Heimatlandes Deutschland für die Entwicklungshilfe soll insgesamt um 12 Prozent gekürzt werden. Zudem wird Finanzminister Christian Lindner von der FDP den Beitrag Deutschlands für das Welternährungsprogramm um 50 Prozent auf 28 Millionen Euro senken.

Wie bereits von der Y7, der offiziellen Youth Engagement Group (Jugendengagementsgruppe) der G7, in ihrem Abschlussdokument gefordert, muss hier wesentlich mehr geschehen, da dies ein Schritt in die falsche Richtung ist.

Jessica Antonisse, Leiterin der EU-Jugenddelegation beim diesjährigen G7-Gipfel, fasst die Aufgaben für die Staats- und Regierungschefs auf dem Gipfel in Deutschland zusammen: "Unsere Regierungschefs müssen die globale Nahrungsmittelkrise an der Wurzel packen, indem sie den Globalen Krisenreaktionsplan des Welternährungsprogramms mit 18,9 Milliarden Dollar (18,1 Milliarden Euro) im Jahr 2022 voll finanzieren, sie sollten keine Exportverbote verhängen, sich für diesen Lösungsansatz einsetzen, damit andere Länder ihm folgen, und diplomatische Mittel nutzen, um Häfen wieder zu öffnen, während sie gleichzeitig die Diversifizierung der nationalen Nahrungsmittelproduktion und der Handelspartner unterstützen, um die Abhängigkeit zu verringern."

Als junger Erwachsener, dem diese Themen besonders am Herzen liegen und der sein Herz an die Herzlichkeit und Freundlichkeit der Menschen in Tansania verloren hat, ist dies eine entscheidende Aufgabe für unsere Politiker beim kommenden G7-Gipfel in Elmau.

Für unsere Führungskräfte ist der G7-Gipfel eine Gelegenheit, endlich ihre Versprechen zu erfüllen und in eine bessere Zukunft für den afrikanischen Kontinent zu investieren. Die Europäische Union braucht mehr als nur leere Versprechen, um eine weitere globale Krise zu verhindern, zumal Tansania, Äthiopien, Malawi oder Kenia mit schweren Dürreperioden konfrontiert sind.

In dem Film "Der Junge, der den Wind einfing" baut der dreizehnjährige William Kamkwamba in Malawi dank seiner Kreativität und sein eigenständiges Denken eine sparsame Windturbine und rettet so seine Familie und sein Dorf vor einer Hungersnot.

Wir müssen alle wie William sein. Wir müssen uns weigern, an diesen Krisen oder dem Teufelskreis der Ungerechtigkeit, der damit einhergeht, zu zerbrechen. Wir können unsere Welt verbessern, und zwar für alle. Wir sind GenerAction und wir fordern unsere Regierungschefs zum Handeln auf!


Dieser Beitrag ist Teil der Partnerschaft von Cafébabel mit der Nichtregierungsorganisation ONE und ihrer GenerAction-Kampagne. Mit Blick auf den G7-Gipfel, der vom 26. bis 28. Juni in Deutschland stattfindet, will GenerAction die Aufmerksamkeit von Entscheidungsträgern auf sich ziehen und sie auffordern, jetzt zu handeln und die Zukunft neu zu gestalten. Füge deinen Namen hinzu, um Teil der GenerAction-Bewegung zu werden.

Titelbild: "Der Junge, der den Wind einfing" von Mark Lombardo

Story by

Default profile picture Jonas Nitschke

Student in Political Science @univienna. Focused on Southeast Asia and Sub-Sahara Africa. Youth ambassador at @ONEinEU. All opinions are my own.

Translated from “The Rains came late this year and now the trees are gone”