Die Welt zu Gast bei Ukrainern: Euro 2012 Facebook-Deal für Fußballfans
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Eine ukrainische Bürgerbewegung öffnet ihre Türen für Fußballfans aus aller Welt. Ein gastfreundlicher Protest gegen Korruption und horrende Übernachtungspreise in der Ukraine, neben Polen Austragungsland der Fußball-Europameisterschaft 2012.
Nur wenige Wochen vor Anpfiff der Fußball-Europameisterschaft 2012 leidet das Image der Ukraine zusehends. Internationale Medien berichten von Klientelwirtschaft, Hundetötungen und politischer Verfolgung. Die jüngste Empörungswelle richtet sich gegen die ukrainische Hotelbranche. Die soll die Übernachtungspreise während der EURO 2012 in die Höhe treiben.
Laut dem Internetportal Booking.com liegt die Preisspanne für noch verfügbare Doppelzimmer im Austragungsort Charkiw bei durchschnittlich 400 Euro pro Nacht. Der Hinweis „Kharkov ist zu Ihren Reisedaten sehr gefragt, die Preise könnten also höher sein. Tipp: Versuchen Sie es doch mit einem anderen Reisedatum“, könnte so manchen Fußballfan an den Rand der Verzweiflung bringen.
Willkommen bei uns zu Hause in der Ukraine
„Diese Situation ist weder normal noch vernünftig!“, empört sich auch Ivan Varchenko. Der Oppositionspolitiker aus Charkiw ist Initiator der kürzlich gegründeten Bürgerbewegung „Laskavo Prosymo“. Der Name lässt sich mit „Willkommen in der Ukraine“ übersetzen. Aus Protest gegen überzogene Preise und Korruption im Lande haben sich bereits über sechshundert Ukrainer, die Fußballfans kostenlos bei sich zu Hause aufnehmen wollen, in einer Facebook-Gruppe namens ЛАСКАВО ПРОСИМО! WELCOME TO UKRAINE! zusammengeschlossen. Die Zahl dieser ehrenamtlichen Privathoteliers steigt weiter an.
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Unter ihnen ist auch Victoria Sklyarova, eine resolute Elektroingenieurin und Fremdenführerin. „Im Gegensatz zu dem Bild, das Regierungsmitglieder gegenwärtig von uns vermitteln, sind wir Ukrainer eine gastfreundliche Nation. Deswegen laden wir alle Fußballfans zu uns nach Hause ein.“ Ein Pärchen aus Berlin hat sich schon bei ihr gemeldet. Zwei Nächte werden der Politikwissenschaftler und Journalist Jochen Gößmann und seine Frau bei Victoria verbringen. Sie wollen die deutsche Nationalmannschaft anfeuern und nebenbei Land und Leute kennenlernen. „Wir werden die Ukraine nicht nur als Touristen, sondern auch aus dem Blickwinkel von Einheimischen kennenlernen. Dieses Angebot ist sensationell. Genau das, was wir gesucht haben“, freut sich Gößmann.
Im Gegensatz dazu fällt die Reaktion von offizieller Seite überaus verhalten aus. Die Idee sei zwar schön, doch glaube er nicht an ihren Erfolg, sagte Markian Lubkiwski, ukrainischer Turnierdirektor, in einem Interview auf Radio Svoboda. Die Zurückhaltung seitens der Politik wundert Ivan Varchenko nicht. In einem offenen Brief klagen er und Mitstreiter aus den anderen Austragungsorten Kiew, Donezk und Lwiw die ukrainischen Regierungsmitglieder an, sich an der Europameisterschaft persönlich zu bereichern. „Unsere Aktion für kostenlose Fanübernachtungen ist deshalb auch eine politische Aktion“, sagt Varchenko. Er ruft alle Ukrainer auf, sich zu beteiligen: „Wir Bürger können so das Image der Ukraine zumindest teilweise retten.“ Er hofft, dass sich möglichst viele Gäste aus dem Ausland dazu einladen lassen. Wer dabei sein will: Eine Nachricht auf Facebook genügt!
Die Autorin dieses Artikels, Constanze Aka, ist Mitglied der unabhängigen und länderübergreifenden Gruppe Kick-off Ukraine 2012, eine junge Blogging-Initiative von Studenten der Freien Universität Berlin.
Illustrationen: Teaserbild (cc)SebastianSantaMariaPhotography/flickr; Im Text ©KickOffUkraine2012