'Die Toten kommen': Mittelmeerflüchtlinge im Vorgarten von Merkel
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Nachdem das Zentrum für politische Schönheit bereits mit ihrer gigantischen Diebstahlaktion ‚Europäischer Mauerfall‘ für Aufsehen sorgte, bringt das Künstlerkollektiv nun gegen die „Abschottung des europäischen Mitgefühls“ Mittelmeertote nach Deutschland – und rückt somit ein immer wieder aufgeschobenes Problem in den Fokus.
Mit der Crowdfunding-Kampagne ‚Die Toten kommen‘ will das deutsche Kunstkollektiv, Zentrum für politische Schönheit, die im Mittelmeer ertrunkenen Flüchtlinge „in die Mitte Europas“ holen, um sie hier würdig zu beerdigen. „Ab dieser Woche lassen wir die Toten nicht mehr in Südeuropa in Massengräbern oder Kühlkammern verrotten“, heißt es im Video zur Kampagne, das am 14. Juni veröffentlicht wurde und Fotos der Anfang des Jahres ertrunkenen 17 Flüchtlinge, übereinandergestapelt in einem alten Kühlschrank, zeigt.
Wir holen das Problem nach Deutschland
Der Clip zeigt außerdem Schaufeln und ausgegrabene Särge. „Gemeinsam mit Angehörigen, Imamen, Pfarrern und Bestattern haben wir unwürdige Grabstätten geöffnet und die Leichen exhumiert. Unter den Augen der europäischen Öffentlichkeit präsentieren wir sie ihren bürokratischen Mördern.“
Schon jetzt stehen für 2015 erschütternde Zahlen im Raum. Es gibt bereits 30 mal mehr Tote im Mittelmeer als im Vorjahreszeitraum, so die Internationale Organisation für Migration. Und während die europäische Politik weiter an theoretischen 10-Punkte-Plänen schraubt oder Bodeneinsätze in Libyen plant, wie Wikileaks veröffentlichte, ist dem Zentrum für politische Schönheit mit seiner neuesten Awareness-Kampagne zumindest eines gelungen: den Menschen das Flüchtlingsproblem regelrecht vor die Tür zu legen.
Nachrichten der Schönheit
Innerhalb weniger Tage brachte das Crowdfunding auf der Plattform Indiegogo fast 32 500 Euro zusammen. Damit stehen die ersten zwei Beerdigungen „der Opfer der europäischen Grenzabschottung“. Die Adressen der Friedhöfe in Berlin werden erst 6 Stunden vor der Beerdigung bekannt gegeben, damit den Aktionen nichts in die Quere kommt. Die erste Beerdigung findet heute auf dem Friedhof Berlin-Gatow statt.
Auf Facebook können User in einem virtuellen Kondolenzbuch Angehörigen ihre Anteilnahme ausdrücken. Da sagt zum Beispiel Geli: „Wir sollten gelernt haben, dass Wegsehen Menschen tötet. Wir haben es augenscheinlich nicht gelernt. Mein Beileid ist gemischt mit Scham. Mit Scham und Wut über die Gleichgültigkeit in unserer Gesellschaft. Verzeiht. Bitte verzeiht.“
Am Sonntag um 14 Uhr soll in Berlin ebenfalls der Marsch der Entschlossenen, angeführt von einem Bagger, Tote bis vor das Kanzleramt bringen. Der Vorgarten von Angela Merkel soll ein gigantischer Friedhof, eine Gedenkstätte für diejenigen werden, die sich voller Hoffnung auf den Weg nach Europa gemacht hatten. Warum die Flüchtlinge nicht einfach einen Flug nach Europa buchten? Das sei günstiger und ungefährlich. Die Frage, die Professor Hans Rosling in der schwedischen YouTube-Serie Gapminder stellt, könnte nicht simpler sein. Auch die Antwort ist glasklar: Die EU-Richtlinie 2001/51/EC besagt, dass Fluganbieter, die illegale Einwanderer ohne Papiere nach Europa bringen, ihre komplette Rückführung finanzieren müssen.
Nicht sehr lukrativ für die Fluglinien. Nicht sehr verantwortlich von Europa, das Schicksal der Flüchtlinge dem Check-In-Schalter zu überlassen. Und während das Zentrum für politische Schönheit in Berlin Gräber aushebt, steht nachwievor ein Elefant im Raum: Wie nah muss die Flüchtlingsfrage noch rücken, damit Europa seine Willkommenskultur neu denkt?