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Die SDGs sind nicht perfekt, aber wir sollten trotzdem an sie glauben!

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In unserem dritten Beitrag der GenerAction-Reihe erinnert sich die ONE-Jugendbotschafterin Bruna Passaretti an den Volksgipfel 2012 in der brasilianischen Stadt Rio de Janeiro. Diese Versammlung von Gewerkschaften und der Zivilgesellschaft hatte zum Ziel, dass die kommenden Sustainable Development Goals (Ziele für nachhaltige Entwicklung) der Vereinten Nationen gemeinsam mit den örtlichen Gemeinschaften ausgearbeitet werden. Ein Jahrzehnt und eine Pandemie später ist es an der Zeit, Bilanz zu ziehen.

Im Jahr 2012 nahm ich am Volksgipfel teil, einer Parallelveranstaltung zur Konferenz der Vereinten Nationen über nachhaltige Entwicklung (Rio+20) in meinem Heimatland Brasilien. Ziel dieses alternativen Weltgipfels war es, internationale Experten und Beamte dazu zu bewegen, mehr die örtlichen Gemeinschaften einzubeziehen, während sie dabei waren, eine Reihe gemeinsamer Ziele zu formulieren, um eine nachhaltige Entwicklung zu gewährleisten.

Als junge Aktivistin kam ich zu diesem Gipfel, weil ich mich für die Jugend engagieren und sie stärken wollte. Ich wollte lernen, wie ich eine Rolle in meiner persönlichen Entwicklung und die meiner Gemeinschaft spielen kann.

Meine persönliche Erfahrung ist, dass junge Menschen, wenn sie die notwendigen Möglichkeiten und Ressourcen erhalten, eine überraschende treibende Kraft für einen relevanten sozialen Wandel sind. Und das ist genau das, wonach ich gesucht habe.

Dieser von der Zivilgesellschaft und sozialen Bewegungen mehrerer Länder organisierte Volksgipfel war für uns ein Ort, an dem wir gemeinsam über die Ursachen der sozialen und ökologischen Krise diskutieren konnten. Und wie wir praktische Lösungen finden und die sozialen Bewegungen auf lokaler Ebene stärken können.

Wie die SGDs entstanden sind

Drei Jahre nach Rio+ verabschiedeten die Vereinten Nationen im Jahr 2015 die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung. Ein neues Akronym wurde weltweit schnell populär: die SDGs.

Diese 17 Nachhaltigkeitsziele streben nach Angaben der Vereinten Nationen "eine Welt der universellen Einhaltung der Menschenrechte und der Menschenwürde, der Rechtsstaatlichkeit, der Gerechtigkeit, der Gleichheit und der Nichtdiskriminierung" an. Diese Ziele und ihre 169 Unterziele "zielen auf die Beseitigung aller Form von Armut ab und streben die Verwirklichung der Menschenrechte für alle und die Gleichberechtigung der Geschlechter an".

Diese SDGs sind alles andere als perfekt. Bereits auf dem Volksgipfel drängten die Organisatoren darauf, die Bürger*innen bei der Ausarbeitung dieser Ziele stärker einzubeziehen.

Die von den Vereinten Nationen vorgeschlagenen Ziele unterstützen eher Unternehmen als die Interessen der Menschen. Das Ziel der Zivilgesellschaft und der Gewerkschaften bestand jedoch nicht darin, gegen diese Ziele zu rebellieren, sondern bessere Maßnahmen und Lösungen vorzuschlagen.

Wie die Pandemie uns ein Jahrzehnt gekostet hat

Wie weit sind wir 10 Jahre nach Rio+20 mit den SDGs? Zum einen finde ich es großartig, wie sich junge Menschen weiterhin für eine nachhaltigere Welt einsetzen. Besonders nach einer Pandemie und einer ungleichen und ungerechten Erholung der Wirtschaft.

Andererseits sind Ziele aber auch nicht erreicht. Der Bericht über die Nachhaltigkeitsziele 2021 zeigte die verheerenden Auswirkungen der COVID-19-Krise auf die mangelhafte Umsetzung der SDGs auf der ganzen Welt.

Das vielleicht wichtigste aller SDGs ist das erste Ziel zur Beseitigung der Armut "aller Menschen überall". Bis 2030 darf also niemand, egal wo er oder sie sich befindet, mit weniger als 1,90 Dollar pro Tag leben.

Die Forschung warnt, dass "die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie Armut weltweit um bis zu einer halben Milliarde Menschen oder 8 Prozent der Gesamtbevölkerung erhöhen könnte. Dies wäre das erste Mal, dass die Armut weltweit in den letzten dreißig Jahren seit 1990 zunähme".

Auch das vierte SDG, das der Bildungsqualität gewidmet ist, war stark betroffen. Während der Pandemie waren 70 Prozent der Schüler weltweit von der Schließung von Schulen oder einem eingeschränkten Zugang zu Bildung betroffen. E-Learning ermöglicht es den Schülern, auf dem Laufenden zu bleiben, aber sie müssen zuerst einen Internetzugang erhalten.

Das Gleiche gilt für andere Ziele. Nach Angaben der Global SDG Indicators Database hat die Covid-19-Pandemie die Fortschritte des dritten SDG-Ziels "Gesundheit und Wohlergehen" zum Stillstand gebracht oder sogar rückgängig gemacht. Das SDG8-Ziel "Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum" steckt ebenfalls in einer schwierigen Lage, da die Pandemie zum Verlust von 255 Millionen Vollzeitarbeitsplätzen weltweit geführt hat.

Laut Ahmad Alhendawi, der die World Organisation of the Scout Movement (Weltpfadfinderorganisation) leitet, könnten die SDGs also statt 2030 erst 2082, wenn nicht sogar 2092 erreicht werden.

Gesellschaftliches Engagement

Es gibt jedoch Lichtblicke am Horizont in dieser düsteren Zeit. Sowohl draussen in allen Ecken der Welt als auch online habe ich eindrucksvolle Demonstrationen des Engagements junger Menschen für Gleichberechtigung, Klimaschutz und Menschenrechte erlebt. Viele junge Menschen haben gezeigt, dass sie sich für die Erreichung der SDGs einsetzen.

Zum Beispiel veranstaltete das Projekt Youth 2030 Cities im März drei Foren in Lateinamerika. Bei dieser Veranstaltung kamen Aktivisten zusammen, um über die wichtigsten Herausforderungen zu diskutieren, mit denen ihre lokalen Gemeinschaften konfrontiert sind, und darüber, wie sie inklusive und nachhaltige Lösungen finden können. Dieses Treffen unterstrich zudem die Verantwortung der Jugend, politische, ökologische und nachhaltige Veränderungen zu schaffen um die SDGs voranzubringen.

Diese Art von Initiativen erinnert mich immer an den Volksgipfel im Jahr 2012, als ich gerade mit meiner "Überzeugungsarbeit" anfing, ohne zu wissen, was als Nächstes kommen würde, aber ich versuchte, zu lösungsorientierten Initiativen in der Hoffnung auf eine nachhaltige Zukunft beizutragen.

Das Jahr 2030 rückt in greifbare Nähe, und mir ist bewusst, dass es sein könnte, dass wir gar kein Ziel erreichen. Die aktuellen Perspektiven sind verschwommen; es fühlt sich an, als seien die verschiedenen SDGs miteinander verbunden und ihre Verwirklichung irgendwie in unseren Händen läge. Wie Richard Dzikunu, ein Verfechter der Rechte junger Menschen, sagte, "da heute die Hälfte der Menschheit unter 30 Jahre alt ist, steht niemand anderes besser im Mittelpunkt dieses Entscheidungsprozesses als junge Menschen."

Ich glaube nicht, dass die SDGs der beste Ansatz sind, um eine nachhaltige Welt für alle zu schaffen. Aber trotz aller Herausforderungen setzen sich junge Menschen weltweit weiterhin für eine besseren Zukunft ein. Die tiefgreifenden, altruistischen und zielgerichteten Eigenschaften, die der heutigen Jugend zugrunde liegen, scheinen für die Fortschritte bei der Verwirklichung der SDGs entscheidend zu sein.

Was mich betrifft, so bin ich immer noch ein Aktivist, der versucht, seinen Teil beizutragen.

Zurzeit arbeite ich ehrenamtlich für ONE in Belgien - eine globale Bewegung, die sich für die Beendigung der Armut und vermeidbarer Krankheiten einsetzt, damit alle Menschen überall ein menschenwürdiges und erfüllendes Leben führen können.

Im Hinblick auf den G7-Gipfel fordere ich zusammen mit anderen jungen Freiwilligen aus ganz Europa die Staats- und Regierungschefs auf, Maßnahmen gegen die zusammenlaufenden Krisen Klimawandel, Hungersnot, Covid-19 und Konflikte zu priorisieren. Untätigkeit wirft uns nur noch weiter zurück, macht eine Herausforderung praktisch unmöglich und treibt viele Menschen noch weiter in die Armut.

Aber wenn die SDG-Agenda die beste Hoffnung ist, die wir haben, dann bin ich bereit, mich zu engagieren. Wie siehst du das?


Dieser Beitrag ist Teil der Partnerschaft von Cafébabel mit der Nichtregierungsorganisation ONE und ihrer GenerAction-Kampagne. Mit Blick auf den G7-Gipfel, der vom 26. bis 28. Juni in Deutschland stattfindet, will GenerAction die Aufmerksamkeit von Entscheidungsträgern auf sich ziehen und sie auffordern, jetzt zu handeln und die Zukunft neu zu gestalten. Füge deinen Namen hinzu, um Teil der GenerAction-Bewegung zu werden.

Titelbild: Frauen protestieren in Rio während des Volksgipfels im März 2012 in Rio © Brent Millikan/International Rivers

Translated from The SDGs are not perfect, but we should still believe in them!