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Die Post-Erasmus-Depression: Wer sie kennt, wird sie zu vermeiden wissen

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Eurogeneration

In dieser Woche steht Eurogeneration Rede und Antwort in der Radiosendung „In Europa“ auf Radio Uno. In dem Gespräch mit Tiziana Di Simone geht es um die Post-Erasmus-Depression, zu der wir schon mehrere Beiträge veröffentlicht haben, nämlich: Die Post-Erasmus-Depression Flucht nach vorne: Es gibt ein Leben nach Erasmus.

Das Interview mit Fiorella

Fünf Lektionen für die Erasmusstudenten von morgen

Außerdem will ich Euch hier auf eine Reportage von Prune Antoine hinweisen, meiner französischen Kollegin – Kommentare sind, wie immer, erwünscht!

Das Post-Erasmus-Syndrom: Droht die Depression?

Erasmus = Party + Flirts non stop, und das alles in einem anderen Land. Doch wieder ‚zu Hause‘ verfallen viele Studenten in eine Art Depression, eine Mischung aus Nostalgie und Apathie. Heißt das, die Zeit der Unschuld ist vorbei?

„Wer kennt das nicht, nach dem Ende der Erasmuszeit, dass einem das Leben zu Hause trist, die Heimatstadt hässlich, die Uni langweilig, das Fernsehprogramm öde und selbst die Freunde nervig erscheinen?“ So sagt Fiorella de Nicola, die ihre Abschlussarbeit im Fach Soziologie zur Anthropologie des Erasmusstudenten verfasst hat. Was sie über das „Post-Erasmus-Syndrom“ herausgefunden hat, spricht für sich.

Schwierige Landung

„Das Auslandsjahr ist eine sehr intensive Zeit, voller neuer Erfahrungen und Begegnungen, und gibt einem das Gefühl, ein bisschen „besonders“ zu sein“, so erklärt Aurélie aus Orléans, die längere Zeit in Newcastle gelebt hat. „Wieder zu Hause sieht alles viel zu einfach und langweilig aus, es fehlt das Neue, das einen die gesamte Erasmuszeit über begleitet hat.“ Juliane, die zum Sprachenstudium in Glasgow gewesen ist, ergänzt: „Wir kommen zurück und alles ist genau gleichgeblieben. Aber wir haben uns komplett verändet.“

Im Jahr 2007 kann das Erasmusprogramm, das bekannteste Austauschprogramm für Studenten in der EU, auf zwanzig erfolgreiche Jahre zurückblicken. Eineinhalb Millionen Studenten sind losgezogen in ein anderes Land, die teilnehmenden Universitäten finden sich in allen Ecken und Enden des Kontinents und endlich funktioniert auch die Anrechnung der Studienleistungen innerhalb Europas. Ein einziger, eher negative Aspekt taucht in der offiziellen Statistik jedoch nicht auf: Ist die „Zeit der Wunder“ einmal vorbei, fällt ein Großteil der Studenten in ein emotionales Loch. So mancher entzweit sich mit den Freunden von damals, weil diese die Erfahrungen oder auch das idealisierte Bild des jeweils anderen Landes nicht teilen können oder wollen. Diese Schwierigkeiten, wieder im Alltag zu landen, nach einem Jahr dolce vita zwischen Fiesta und Wodka, führen in einzelnen Fällen zu ernstzunehmenden Depressionen.

„Wegfahren ist leichter als zurückkehren“

„Erasmus stellt heute eine Art Initiationsritus dar,“ bestätigt Christophe Allanic, klinischer Psychologe und Spezialist für Auslandserfahrungen. „Die Heimatstadt und die Eltern zu verlassen und sich in einer fremden Umgebung, mit anderen, zurechtfinden zu müssen, ist eine Probe“. Und wenn man diese bestanden hat, steht mit der Rückkehr eine weitere bevor. „Wegzufahern ist wesentlich leichter als zurückzukehren“, warnt Allanic.

„Wer einmal unabhängig war, kehrt nicht so leicht ins Nest zurück“, sagt Domenico, 28 Jahre, Präsident der Studentenorganisation „Planeterasmus“. „Am schlimmsten ist es für diejenigen, die in einer kleinen Stadt leben und vorher noch nie weg von Zuhause waren“, fügt er hinzu. Dann ist erst einmal Schluss mit „Tiramisù-, Tortilla- und Quiche-Lorraine-Abenden“, mit alkoholgetränkten Diskussionen auf Polnisch oder Italienisch, mit Wohnen im Stil der Auberge Espagnole!

„Man muss sich wieder an die Normalität gewöhnen“, sagt Mina, 21 Jahre. Das heißt auch, dass die Entschuldigung wegen Sprachschwierigkeiten nicht mehr zählt, dass man eben nicht mehr einfach „anders“ ist, keine exotische Seltenheit mehr, sondern einer wie jeder andere.

Fremd in der Heimat

Werden die Studenten mit dieser deprimierenden Erfahrung alleine gelassen, fühlen sie sich oft fremd in ihrem eigenen Land und manchmal sogar innerhalb ihrer Familie, die die Bedeutung des Auslandsjahres nicht in dem Maße begreifen kann. „Wie soll ich eine so intensive Erfahrung in ein paar Sätzen beschreiben?“ fragt Pauline, 21 Jahre, von denen sie eines in Irland verbracht hat. Unterstützung erhalten viele Studenten von Organisationen für Ex-Erasmus, die „International Partys“ veranstalten oder sich gleich als ‚Euro-Paar‘ zu versuchen. Das alles in der Hoffnung, die goldene Zeit wiederzubeleben. Agnieszka Elzbieta Dabek, die Generalsekretärin des Erasmus Student Network (ESN), bestätigt: „Viele ehemalige Erasmus melden sich bei uns, um ihre Erfahrungen weiterzugeben oder internationale Treffen zu veranstalten. Sie versuchen damit, ihr persönliches Erasmusgefühl am Leben zu erhalten“. Domenico hält es für „illusorisch“, hier auf Gemeinsamkeiten zwischen Ex-Erasmus und Erasmus-Neulingen zu spekulieren. „Am Ende bleiben die ausländischen Teilnehmer in ihrer eigenen Gruppe, anstatt sich mit den Einheimischen auszutauschen.“

Trotzdem ist diese Art der „Trauerarbeit“, zwischen Depression und Idealisierung „absolut normal“, meint Allanic. Zumindest wenn sie nicht länger als einige Wochen dauert. In Wirklichkeit zeigen diese sentimentalen Phasen den Übergang ins Erwachsenenleben an und damit den Verlust eines kindlichen Ideals. „Alles ist darauf ausgerichtet, die jungen Menschen in Europa zu einem Auslandsaufenthalt zu ermutigen, das ist bestens organisiert. Aber an das „Danach“ hat keiner gedacht“, kritisiert Allanic. Hier sind die Universitäten gefragt: Sie sollen sich um die Rückkehr ihrer Studenten kümmern, sie auch in diesen Übergangsphasen begleiten, „ohne die die Erfahrung auch in einer Katastrophe enden kann. Schließlich sind es die Erwachsenen, die den Jungen beim Erwachsenwerden helfen sollen.“