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Die Pariser Metro von A-Z

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JSeb 2.0

Pariser Stadtgeflüster

Paris besitzt, wie man vielleicht schon gehört hat, das beste öffentliche Verkehrsnetz Europas, möglicherweise sogar weltweit. Das Netz ist herausragend, deckt das gesamte Stadtgebiet ab und die Bahnen fahren wunderbar regelmäßig – aber es geht um mehr als nur Effizienz.

Die Pariser Metro ist eine eigene Welt; sie hat eine Kaste bescheidener Arbeiter, die einmal monatlich einen Streik vom Zaun brechen, ansonsten aber ungesehen in den dunklen Schatten des Untergrunds hausen.

Und es scheint, als sei diese düstere Atmosphäre ansteckend, denn wie nirgendwo anders ist die Metro ein Ort kollektiver Depression. Wer also einen guten Tag hat, fahre auf keinen Fall mit der Metro. Man nehme lieber den Bus, denn die trostlosen Gesichter der anderen Fahrgäste schmettern einen nieder und erinnern daran, dass das Leben Positives an sich hat, sondern nur Mühe und Not. Tatsächlich gibt es aber noch andere Gründe, einen Spaziergang am Tageslicht der Metrofahrt vorzuziehen.

 

Das Unglaublichste ist, dass die Pariser auch nach über hundert Jahren Metro-Erfahrung noch immer nicht wissen, wie man sich in einer solchen verhält! Die meisten Pendler haben nicht die leiseste Ahnung, wie man sich beim Ein- und Aussteigen benimmt. Jeder logisch Denkende wird zu dem Schluss kommen, dass man zu erst alle Passagiere aussteigen lässt, um im Anschluss mit dem Einsteigen zu beginnen. Aber nein, Ungeduldige und Hungrige, die von der Arbeit heim kommen, steigen in den Zug, kaum dass sich die Türen an der Station halb geöffnet haben. Wer also nicht schnell genug ist, den drückt die einsteigende Masse mit aller Kraft in den Waggon hinein und es gibt keine Chance mehr, den Zug zu verlassen – bis zum nächsten Halt.

Ein weiterer Beleg für die fehlende Metro-Etiquette der Pariser: alle stopfen sich konsequent in die Eingangsbereiche anstatt zu versuchen, sich gleichmäßig in alle Ecken der Waggons zu verteilen. Dickköpfig steht jeder dort wo alle anderen auch sind. Ich weiß nicht ob ich es vorziehe, mit der Nase in irgendeine Jacke gepresst zu werden oder einen fremden Pferdeschwanz im Gesicht baumeln zu haben. Oder liegt es vielleicht in der Natur des Menschen so viel wie möglich so zu tun wie schon immer, und Veränderung zu meiden (wie zum Beispiel sich im Waggon zu verteilen); erst wenn die Situation unerträglich wird (man erstickt in einen Pferdeschwanz) sind Leute bereit, etwas zu tun.

Besonders interessant sind die vielen versteckten Talente in der Metro; Das dichte Netz von Zügen und Haltestellen bietet Leuten eine Menge Raum um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Und wenn's ums Geld geht, verwandelt sich der Mensch bekanntlich von einem eher passiven Wesen in ein innovatives Leistungswunder. Vom Ein-Mann- Gitarren-Ensemble bis zum großen Orchester werden alle Musikstile zwischen Jazz, Flamenco, Folk, Klassik und französischem Chanson gespielt.

Aber es gibt nicht nur Musiker: Wer kein Instrument spielt, nutzt sein tänzerisches Können, zum Beispiel in der Metro-Linie 2: hier tanzt ein 14-jähriger Junge zu ein paar groovigen Hiphop-Beats, Saltos inklusive. Später entdecke ich in der gleichen Linie einen zweiten Jungen, gleiches Alter, gleiche Musik, gleicher Tanz; ich wette hier wird zusammen gearbeitet.

Manche Leute stört es auch nicht, ganz offen um Geld zu betteln. Mit äußerster Höflichkeit (niemand in Paris ist jemals so höflich) beginnen sie zu erzählen, wie schwierig die Zeiten sind, dass sie zu Hause drei Enkelkinder ernähren müssen und wie freundliche es wäre, wenn die Mitreisenden doch ein paar centimes locker machen könnten. Ich weiß nicht, wie lukrativ diese Art des Geldverdienens ist, vielleicht haben sie aber auch einfach keine Wahl.

Trotz Gestank, Schmutz und depressiver Passagiere, die Metro in Paris kann alles in allem eine ziemlich amüsante Art der Fortbewegung sein. Wenn nicht gerade irgend ein Künstler herumschwirrt, bleibt einem immer noch, sich damit zu vergnügen Leute anzustarren; direkt vor dir, links, rechts... und wenn die Person, auf die man sein Auge geworfen hat den Blick bemerkt, wechselst man einfach zur nächsten. Denn das einzige, was der Pariser Metro definitiv nicht fehlt sind Leute.

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