Die Moscheesendung feiert Geburtstag
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Ein Jahr nach der Einführung des "Islamischen Worts" im Südwestrundfunk hat sich die Sendung noch nicht richtig etabliert. Zwar ist die anfängliche Kontroverse verstummt, doch für eine Ausweitung der Sendung, die ihr ein breiteres Publikum erschließen könnte, fehlt der Wille. Sonntag 20.
April 2008
Ein Jahr nach seiner Einführung ist es ruhig geworden um das "Islamische Wort" des Südwestrundfunks. Nichts ist von den Protesten geblieben, die ertönten, als der SWR im Januar vergangenen Jahres seinen Plan bekanntgab, eine islamische Glaubenssendung einzuführen. Während der damalige SWR-Intendant Peter Voß die Sendung als Beitrag zur Integration verteidigte, sah der Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion Stefan Mappus darin einen Verstoß gegen den gesetzlichen Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Andere CDU-Kritiker erklärten, eine muslimische Sendung sei nicht mit der christlich-abendländischen Tradition vereinbar und könnte von Hetzpredigern als Plattform missbraucht werden. Da zur gleichen Zeit das ZDF seinen Plan vorlegte, im Internet ein "Forum am Freitag" einzurichten, sah der CSU-Generalsekretär Markus Söder den öffentlich-rechtlichen Rundfunk gar auf dem Weg zum "Moscheesender".
Nun, da der zwölfte Beitrag des "Islamischen Worts" auf der Internetseite des Nachrichtenkanals SWR-Contra steht, scheint das Programm fast vergessen - und das nicht nur von der Politik. "Die Debatte, die der Veröffentlichung des ersten Beitrags vorausgegangen war, hat zu Anfang für viel Aufmerksamkeit gesorgt", sagt Reinhard Baumgarten, der als Redakteur für die Sendung zuständig ist. Doch nach den hohen Zugriffszahlen und der zahlreichen Zuhörerpost der ersten Monate sei das Interesse mittlerweile zurückgegangen. Ein Grund für die sinkende Nachfrage ist nach Ansicht von Baumgarten, dass die Homepage des "Islamischen Worts" von der Startseite des SWR nur schwer zu finden ist. Ein weiterer Grund könnte auch sein, dass der Abstand zwischen den Beiträgen zu groß ist. Schließlich erscheint das "Islamische Wort" bisher nur einmal im Monat.
Keine Angst vor Kontroversen Themen
Den Vorwurf, dass die Beiträge des vierköpfigen Autorenteams aktuelle Themen umgingen, weist Baumgarten hingegen zurück. "Kontroverse Fragen werden nicht ausgespart", sagt der frühere Ägyptenkorrespondent und verweist auf den Beitrag des Generalsekretärs des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, der sich dem Thema "Islam und Gewalt" widmet. Tatsächlich sind auch sonst einige mutige Beiträge zu finden. So hat der Dialogbeauftragte des Religionsverbands Ditib, Bekir Alboga, sich mit dem Thema Zwang im Glauben befasst, die Frankfurter Publizistin Hilal Sezgin hat dem islamischen Frauenbild einen Beitrag gewidmet, und die Stuttgarter Religionspädagogin Emina Corbo-Mesic hat sich mit dem Bildungsverständnis des Islam auseinandergesetzt.
Es fällt auf, dass die Autoren oft Kritik am Islam zum Ausgangspunkt ihrer Überlegungen nehmen. Vielfach ist das Bemühen zu erkennen, durch die selektive Auslegung des Korans diese Kritik zu widerlegen. So zitiert Aiman Mazyek in seinem Beitrag zum Thema Gewalt nur jene Schriftstellen, die den Schutz Andersgläubiger gebieten, zur Toleranz auffordern und Gewalt ablehnen. Die ebenso im Koran vorhandenen Stellen, in denen zum Kampf gegen Ungläubige aufgerufen wird, übergeht er hingegen. Baumgarten findet eine solche selektive Deutung der Schriften aber nicht nur zulässig, sondern auch notwendig.
Eine Glaubenssendung von Muslimen für Muslime
"Wir müssen dazu kommen, dass der Koran so gelesen wird, wie wir heute die Bibel lesen", sagt Baumgarten. Schließlich werde auch in der Bibel keineswegs allein zu Toleranz und Nächstenliebe aufgerufen. "Nicht nur durch den Koran, sondern auch durch die Bibel zieht sich eine Spur von Blut. Das Alte Testament ist ein einziges Gemetzel." Diese Passagen spielten in der heutigen Sicht auf die Bibel aber keine Rolle mehr. Der Redakteur widerspricht der Idee, eine solche Neuauslegung der Schrift sei im Islam nicht möglich, da der Koran als Wort Gottes jeder Interpretation entzogen sei. "Auch im Islam gibt es eine Debatte darüber, ob der Koran als direktes oder als übermitteltes Wort Gottes zu verstehen ist." Für künftige Sendebeiträge könnte er sich durchaus vorstellen, diese Frage aufzugreifen.
Auf das im vergangenen Juli gestartete "Forum am Freitag" des ZDF angesprochen, sagt Reinhard Baumgarten, ein direkter Vergleich sei unpassend. Schließlich sei die wöchentlich im Internet angebotene Videosendung ungleich ambitionierter - und sie verfüge auch über weit mehr Mittel. Auch sonst fallen einige Unterschiede auf. So versteht sich das "Forum am Freitag" vor allem als Informationssendung über den Islam, während das "Islamische Wort" sich als Glaubenssendung von Muslimen begreift. Zwar werden auch im ZDF-Forum religiöse Fragen wie das Eheverständnis, das Almosengebot oder das Erziehungsideal des Islam angesprochen. Doch sind dort neben Vertretern der muslimischen Gemeinden auch Ärzte, Dozenten und Regisseure eingeladen, um über politische und soziale Themen wie Muslime und Gesundheit oder Homosexualität im Islam zu diskutieren.
Eine Überarbeitung des Sendekonzepts nicht absehbar
Eine solche Erweiterung des Themenspektrums könnte sich Baumgarten auch für das "Islamische Wort" vorstellen. Bisher gebe es beim SWR aber keine Pläne, das Sendekonzept zu verändern - auch wenn Baumgarten zugibt, dass das bisherige Angebot nur ein erster, vorwiegend symbolischer Schritt sei. Welche Schritte folgen könnten, lässt er offen. Vorstellbar wäre sicher, die Frequenz der Sendungen zu erhöhen, da dies die Sichtbarkeit des Angebots verbessern und erlauben würde, rascher auf aktuelle Ereignisse und Debatten zu reagieren. Vorstellbar wäre auch, ein Onlineforum einzuführen, um die in den Beiträgen angestoßene Debatte fortzuführen. Mit dem derzeit sehr begrenzten Budget ließe sich eine Erweiterung des Angebots aber nicht erreichen. Baumgarten gibt zudem zu bedenken, dass zusätzliche muslimische Autoren gefunden werden müssten, wenn die Beiträge wöchentlich erscheinen sollten, und dies sei keineswegs einfach.
Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Stuttgarter Zeitung. Erschienen am 19. April 2008. Alle Rechte vorbehalten.