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Die Furcht der Eurokraten: Papandreou fordert zum Referendum in Griechenland

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Politik

Trotz massiver Kritik und weltweiter Kurseinbrüche hält der griechische Premier Giorgos Papandreou an der geplanten Volksabstimmung fest. Sein Kabinett stellte sich am Dienstag hinter das Referendum über die Sparmaßnahmen. Unverantwortlich gegenüber Europa finden das einige Kommentatoren, andere loben den zwar steinigen, aber notwendigen Weg der demokratischen Legitimierung.

Gießt der G20-Gipfel, der vom 3. - 4. November im französischen Cannes stattfindet, erneut Öl ins Feuer rund um die Eurokrise?

Süddeutsche Zeitung: Es droht der völlige Stillstand; Deutschland

Europa hat gezeigt, dass es Verantwortung für Griechenland übernehmen will. Das griechische Referendum hingegen ist verantwortungslos gegenüber Europa, kritisiert die linksliberale Süddeutsche Zeitung: "Papandreou [...] hat Europa mit seinem Alleingang in Richtung Volksabstimmung nun wieder in die Unsicherheit jener Tage vor dem EU-Gipfel zurückgeworfen. Schlimmer noch: Während man in den vergangenen Wochen noch handeln konnte, droht nun der völlige Stillstand. [...] Ein Ausweg ist schwer erkennbar: Zieht Papandreou jetzt noch einmal zurück, desavouiert er sich selbst und potenziert vermutlich nur den Ärger auf den Straßen Athens und in seiner eigenen Regierung. Zieht er die Sache durch, müssen sich Angela Merkel und Nicolas Sarkozy, müssen sich die Euro-Staaten und die EU als Ganzes, müssen sich die EZB und der IWF, muss sich also - schlicht gesagt - fast der ganze Rest der Welt etwas einfallen lassen, wie man die Zeit bis zur Entscheidung überbrücken will; und auch, wie man damit umgehen wird, wenn sich eine Mehrheit der Griechen gegen die Rettungspläne ausspricht." (Artikel vom 02.11.2011)

Libération: Griechen werden de facto von Politikern regiert, die in anderen Ländern gewählt wurden; Frankreich

Die Volksabstimmung in Griechenland ist der richtige Weg, Europa mehr Demokratie zu bringen, meint die linksliberale Tageszeitung Libération: "Papandreou stellt die einzig richtige Frage: Was hält das Volk von den brutalen Sparmaßnahmen, die man ihm verordnet? Man muss den Griechen, dieser Avantgarde der Verzweifelten, dankbar sein, dass sie die Frage stellen und als Erste beantworten. Sie erinnern uns nebenbei an die Tatsache, dass Wirtschaftskrisen immer der Auftakt zum Verfall der Demokratie sind. Im Augenblick erleben wir die Auswirkungen eines rein negativen Katastrophen-Föderalismus, der dazu führt, dass bestimmte Staaten im Notfall unter Vormundschaft gestellt, ihrer Souveränität beraubt und von Geldgebern übernommen werden. Sie werden de facto von Politikern regiert, die in anderen Ländern gewählt wurden. Das Volk ist in diesem Schema nur eine Variable bei der Justierung, Demokratie wird zum Risiko. Auch ein positiver Föderalismus in einem Europa, das sich Kontrollmechanismen und eine Regierung gegeben hat, wird zu einem Teilverlust an Souveränität führen. ... Dieser muss unbedingt durch demokratische Institutionen ausgeglichen werden." (Artikel vom 02.11.2011)

Blog Jugular: Nicht nur die deutsche Regierung hat das Recht, sich Gedanken um die öffentliche Meinung zu machen; Portugal

Die heftigen Reaktionen aus Politik und Wirtschaft auf die Ankündigung des Referendums in Griechenland beweisen vier Dinge, meint der Wirtschaftsexperte João Pinto e Castro im Blogportal Jugular: "Erstens: Die Idee hinter der Vereinbarung der vergangenen Woche war nicht, den Griechen 50 Prozent ihrer Schulden zu erlassen, sondern 50 Prozent der Zahlungen zu sichern. Mit der nun wieder unsicheren Vereinbarung sanken die Aktien sofort. Zweitens: Nicht nur die deutsche Regierung hat das Recht, sich Gedanken um die öffentliche Meinung zu machen. Die Griechen haben in ihrem eigenen Land das Sagen und ihnen gegenüber muss sich ihre Regierung verantworten, auch wenn sie dabei enorme Risiken eingeht. Drittens: Selbst Länder in großen Schwierigkeiten haben immer einen gewissen Verhandlungsspielraum. Inzwischen ist deutlich, dass sowohl Schuldner als auch Gläubiger ein Problem haben, da beide Fehler bei der Risikobewertung gemacht haben, und am Ende werden beide Seiten etwas aufgeben müssen. Viertens: Wenn Stärke zeigen die einzige anerkannte Sprache in internationalen Beziehungen ist, nutzt jeder seine ihm zur Verfügung stehenden Trümpfe, um den gewünschten Effekt zu erzielen." (Artikel vom 01.11.2011)

The Daily Telegraph: Führer der EU sind offensichtlich bereit, die griechische Demokratie zu zerstören; Großbritannien

Die Aufregung um das griechische Referendum zeigt Europas wahres Problem, meint die konservative Tageszeitung The Daily Telegraph, nämlich die Furcht der Eurokraten vor der bitteren Wahrheit über die Einheitswährung: "Die Eurokraten sind bereit, jeden Preis zu zahlen, solange sie nur nicht zugeben müssen, dass die Einheitswährung ein Fehler war. Genauer gesagt erwarten sie von ihren Bürgern, dass sie zahlen, während EU-Beamte von nationalen Steuern befreit sind. Die Länder an Europas Peripherie leiden unter Armut, Arbeitslosigkeit und Auswanderung, die Länder im Zentrum unter ständigen Steuererhöhungen, damit die Befürworter des Euro ihr Gesicht wahren können. Es ist schaurig, das schreiben zu müssen, aber die Führer der EU sind offensichtlich bereit, die griechische Demokratie zu zerstören und die griechische Wirtschaft zu vernichten. Alles nur, um den Euro nicht scheitern zu lassen." (Artikel vom 02.11.2011)

Dienas Bizness: Erschütterung des deutschen Finanzsystems würde eine neue Krise in ganz Europa auslösen; Lettland

Die Kursstürze an den Börsen nach der Ankündigung eines griechischen Referendums machen der Wirtschaftszeitung Dienas Bizness Sorgen: "Im Grunde will Papandreou ein Referendum über folgende Frage abhalten: 'Liebes Volk, seid ihr dafür, dass wir unsere Schulden an unsere internationalen Gläubiger zurückzahlen?' […] Man könnte sich über diese Südeuropäer und ihre Fähigkeit amüsieren, die Gläubiger an der Nase herumzuführen, aber leider hat eine solche Politik weitreichende Folgen: Unmittelbar nach Ankündigung des Referendums gab es an Europas Börsen einen kräftigen Kurssturz. Es ist kein Geheimnis, dass sich gerade Deutschland große Sorgen über das künftige Schicksal Griechenlands macht, denn viele deutsche Rentenfonds haben griechische Staatsanleihen gekauft. Es geht den Deutschen also weniger um die Griechen, sondern vielmehr um ihr eigenes Geld. Aber das kann man ihnen nicht zum Vorwurf machen, und eine Erschütterung des deutschen Finanzsystems würde eine neue Krise in ganz Europa auslösen." (Artikel vom 02.11.2011)

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Illustration: (cc)dumyat/flickr

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