Die Bretter von Berlin: Subkultur auf Skateboards
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Katha KlossNach dem Filmerfolg von This Ain’t California über die Skatekultur in der ehemaligen DDR scheinen sich deutsche Skater in Berlin auch heute noch als die Repräsentanten einer gewissen Underground-Kultur zu definieren. Besuch in Friedrichshain, wo die Berliner Skate-Kultur nach wie vor am Rollen ist.
Wir sind in Deutschland zu Beginn der 1980er. Denis ist ein Junge ohne Geschichte. Seine Kindheit ist durch einen autoritären Vater geprägt, der aus seinem Sohn einen Schwimmweltmeister machen will. Eines Abends hört Denis ein komisches Kratzgeräusch auf dem Asphalt und springt kurzerhand aus seinem Fenster in Olvendest in der Nähe von Magdeburg. Zu diesem Zeitpunkt kam er zum ersten Mal mit einem Skateboard in Berührung. 1985 wird Denis schwach, schießt den traditionellen Sport in den Wind und macht sich nach Ostberlin auf – wo er von fortan Panik heißen wird, einer der emblematischsten Skater in Ostdeustchland.
Skaten in der DDR – ein Marketing-Virus made in USA
Geschichten wie die von Denis gibt hunderte. Viele Leute zwischen 30 und 40 Jahren können heute stundenlang über ihre graue Kindheit im ostdeutschen Sozialismus der DDR plaudern. Nur dass die Geschichte von Denis gleichzeitig der Pitch zu einem Film ist, der kürzlich auf der Berlinale und auf dem Festival in Cannes (Preis der besten Doku) ausgezeichnet wurde.
This Ain’t California erzählt aus der Kindheit und Jugend von einer Gruppe Jungs in einer Gesellschaft, die mit Alternativkulturen eher wenig am Hut hatte. „Die DDR war eine politisierte Gesellschaft, was heute nur schwer vorstellbar ist. Kinder mussten politische Hymnen auswendig lernen, die Fahne grüßen und mit den Pionieren des Sozialismus jede Woche an Paraden teilnehmen“, erklärt der Regisseur des Films, Marten Persiel – gerade auf Promo-Tour in New York. Für ihn ist This ain’t California „ein Haufen Skater, die grundsätzlich unter staatlichem Radar lebten.“ Wenn die Kids im Film beispielsweise zum ersten mal Skates in einer slowenischen Fernsehserie sehen, sprechen die Medien entsprechend von einem Ansteckungsrisiko „durch ein Marketing-Virus made in USA“.
Konterkultur, Mainstream und Anderssein
In This ain't California geht es zunächst nicht wirklich um Konterkultur. Auch wenn es an vielen Stellen durchsickert, dass Skaten in der DDR an sich schon ein Akt der Auflehnung war, „waren die Straßen in Ostdeutschland nicht wirklich praktisch für Skateboards.“ Ziemlich lässig sitzt einer der Filmproduzenten, Michael Schöbel, in einem italienischen Café gleich gegenüber seiner Firma Wildfremd. Michael lässt sich lieber über die Ontologie des Skaters aus als irgendwelche politischen Botschaften zu verbreiten: „Als Skater verbringst du deine Zeit 2 Zentimeter vom Boden entfernt und die Landschaft zieht immer an dir vorüber. Wenn du die meiste Zeit deines Lebens auf einem Skateboard verbringst, ist einfach alles anders.“ Ein Gefühl also, das „nur die Skater nachempfinden können und das bei ‚normalen Menschen‘, die diese Sachen eben nicht machen können, notwendigerweise Reaktionen hervorruft.“ Warum sind Skater anders? « Sie sind freiheitsliebender als der Durchschnittsmensch. Sie verbinden spezielle Werte. Martin hätte diesen Film zum Beispiel nicht drehen können, wenn er nicht selbst Skater gewesen wäre.“
„Egal wohin es dich in Berlin verschlägt, wenn du dein Skateborad dabei hast, gibt es immer direkt Gemeinsamkeiten. Das ist ganz natürlich, ein Feeling, das zeigt, dass Skater einzigartig sind.“Daniel, Skater seit 1997.
Über eines ist man sich bezüglich der kulturellen Identität der Skater in Berlin einig. Der Skate gehörte und gehört bis heute zur Subkultur. An den Spreeufern in Friedrichshain, hinter einigen besprühten Schuppen, steht die größte Skatehalle Berlins mit einer Außenrampe und einem Skatepark im Inneren. Inmitten der vielen Bärte und Piercings, den Mädels mit tiefsitzenden Hosen und einem Geruch von frisch gedrehten Joints, erzählt uns Daniel, 27 Jahre: „Es handelt sich klar um eine Subkultur. Weit weg vom Mainstream. Das verstehen manche einfach nicht, weil es sich eben nicht um einen ‚normalen‘ Sport handelt. Zum Beispiel gibt es keinen offiziellen Verband. Mehr als ein Sport ist es vielleicht ganz einfach ein Lebensgefühl.“ Daniel hat sein erstes Brett 1997 unter den Füßen gehabt, das ist 15 Jahre her. Heute erklärt er die Skate-Kultur mit einem ziemlich weitgreifenden Konzept: „Freundschaft“. Egal wohin es dich in Berlin verschlägt, hast du dein Board dabei, dann gibt es direkt Gemeinsamkeiten. Das kommt ganz natürlich zustande. Das ist so ein Gemeinschaftsgefühl, das dafür sorgt, dass die Skater-Community einzigartig ist.
« Children of the Revolution »
« Check » und Begrüßung wie die Rapper von der West Coast, Carhartt-Shorts und die letzten Strahlen der untergehenden Sonne, welche die Silhouetten der 30 Rider kitzelt, die sich zu einem Stück der Beastie Boys bereit für die Tour machen - so sieht das Dekor aus. This ain’t California-Stimmung in der Grünberger Straße an einem Sommerabend in Friedrichshain.
Vor dem Longboard-Laden Lassrollen der Straße versammeln sich jeden Mittwoch um die dreißig Longboarder, um durch Berlin zu ‚rushen‘. Unter ihnen ist auch Janko Lehmann, ein 18-jähriger Slowake, der mehr oder weniger entschieden hat im Namen seiner Leidenschaft zweimal sitzen zu bleiben. „Ich habe vor 3 Jahren angefangen. Ich habe eine Gruppe gefunden, der ich mich anschließen konnte, eine Art freie Community. Longboard und Skate gehören auf jeden Fall zur Subkultur – soweit gibt Janko Daniel recht. „Der Skate ist wie eine zweite Familie. Um Skate als eine Subkultur zu betrachten, muss man ihn ganz einfach leben. Das ist so ein Ding, das man eher fühlt als beschreibt.“ Seine Schlussfolgerung: „Wenn du Skater bist, bewegst du dich auf jeden Fall irgendwo am Rand.“
Janko würde nicht soweit gehen und von einer Revolution auf dem Brett sprechen. Als die Mauer fiel haben die Skater in den Ruinen und Nischen der Stadt ihre Tricks üben können. Dank oder aufgrund der Öffnung, konnte sich die Skatekultur in Berlin demokratisieren. Der Skate ist nicht mehr ein Haufen Unbeugsamer, angeführt von einem Ex-Profisportler, der lieber Punk sein wollte. Was bleibt ist eine gewisse Idee des Multikulturalismus, der sich irgendwo zwischen so weiten Konzepten wie Freundschaft, Freiheit und Zusammengehörigkeit manifestiert. Zur 45. Geburtstagsfete des Skateboardclubs von Berlin, die am 26. Mai organisiert wurde, führen Daniel und seine Leute eine Freestyle-Aktion für Kinder vor. Danach drückt mir Daniel mit einem Augenzwinkern den Promo-Pin in die Hand. Darauf steht: „Children of the Revolution.“ Wicked?
Dieser Artikel ist Teil der cafebabel.com Reportagereihe 2012 MULTIKULTI on the ground. Vielen Dank an das cafebabel.com Team in Berlin, insbesondere Sandra Wickert.
Illustrationen: Teaser und Micha Schöbel ©Maria Halkilahti für 'Multikulti on the ground' in Berlin von cafebabel.com; Im Text: Daniel & Janko ©Matthieu Amaré; Video: (cc)bestensgelaunt/YouTube
Translated from Berlin et le skate : sous-culture et amitié en roue libre