Deutschland: GroKo oder Gruselkabinett?
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Nach dem positiven Votum der SPD-Mitglieder haben Union und Sozialdemokraten am Sonntag in Berlin das neue Kabinett präsentiert. Am heutigen Montag wollen sie den Koalitionsvertrag unterzeichnen. Angela Merkel hält die Zügel weiter fest in der Hand und wird ihr Spardiktat fortsetzen, meinen einige Kommentatoren. Andere glauben, dass SPD-Chef Sigmar Gabriel der Kanzlerin Paroli bieten wird.
Kurier: Hürden für Erfolg und Dauer von Merkel III sind höher; Österreich
SPD-Chef Sigmar Gabriel geht gestärkt aus der Mitgliederabstimmung seiner Partei hervor und wird Angela Merkel das Regieren schwer machen, prophezeit die liberale Tageszeitung Kurier: "Das unerwartet klare Ja seiner Basis zur Koalition kürt den Wahlverlierer Gabriel nun doch noch zum Sieger. Dem Parteichef gelang es, den Starrsinn der im Schnitt fast 60 Jahre alten Genossen zu schwächen, die auch in Zeiten der Schuldenbremse nur wie in denen von Willy Brandt regieren wollten - als die bisher steilste Neuverschuldung noch fast alle Wünsche erfüllen half. [...] Die Kanzlerin hat nun einen stärkeren Gabriel zur Seite, der damit mühsamer ist als es der Rest der reformorientierten Schröder-SPD in der ersten Koalition war. Von der will Gabriel weiterhin weg - zurück nach links. Für ihn ist diese Regierung nun noch mehr Sprungbrett zu Machtwechsel und eigener Kanzlerambition. Die Hürden für Erfolg und Dauer von Merkel III sind höher geworden." (16.12.2013)
El País: Vermutlich hat die rigoröse Sparsamkeit ein Ende; Spanien
Die neue Bundesregierung wird vom Sparkurs in Europa ein Stück weit abrücken, hofft die linksliberale Tageszeitung El País: "Alles weist darauf hin, dass es mit der exzessiven Sparpolitik vorbei ist. [...] Die (wenn auch stufenweise) Einführung eines Mindestlohns, der dreimal so hoch ist wie der spanische, ist ein Ausgleich für die großen Opfer, die der Sozialdemokrat Gerhard Schröder vor zehn Jahren den Arbeitnehmern abverlangte. Und das flexible Renteneintrittsalter steht im Kontrast zu dem, was man bislang von einigen der wirtschaftlich schwächsten Staaten einforderte. Folglich müsste nun auch bei den Forderungen nach einer Sanierung der Staatsfinanzen und nach Kürzungen der Sozialausgaben der Druck etwas nachlassen. Vermutlich hat die rigorose Sparsamkeit ein Ende und beginnt nun eine Ära einer ausgeglicheneren und angemesseneren Bescheidenheit." (16.12.2013)
Corriere del Ticino: Kurs kommt auch der Schweiz zugute; Schweiz
Berlins Europapolitik wird sich mit der neuen Regierung zum Glück nicht ändern, freut sich die liberale Tageszeitung Corriere del Ticino: "Mag sein, dass es Regierungen im Euro-Raum gibt, die glauben, sie könnten dank der neuen schwarz-roten Regierung in Berlin die Maßnahmen zum Abbau der unleugbar exzessiv hohen Staatsdefizite auf unbestimmte Zeit verschieben. Doch diese Regierungen haben sich gründlich getäuscht. Merkel wird nicht von der Linie abweichen, dass eine Sanierung der Haushalte Voraussetzung ist für ein neues und solideres Wirtschaftswachstum. Und das wird zum Wohle der Gemeinschaftswährung sein, die ohne die Berliner Linie einen neuen Einbruch erleiden würde. Dieser Kurs kommt auch der Schweiz zugute, die in Deutschland ihren wichtigsten Handelspartner hat und der im Falle einer neuen Euro-Krise eine weitere Aufwertung des Franken drohen würde - mit negativen Folgen für den Export und die Wirtschaft des Landes." (16.12.2013)
Lidové noviny: SPD steht langer Kampf um linke Wahler bevor; Tschechien
Die oppositionelle Linkspartei hat den SPD-Mitgliedern, die den Koalitionsvertrag in der innerparteilichen Abstimmung abgelehnt haben, eine neue politische Heimat angeboten. Das zeigt, dass der SPD ein langer Kampf um linke Wähler bevorsteht, bemerkt die konservative Tageszeitung Lidové noviny: "In der Koalition mit den Konservativen kann die SPD dabei nur weiter verlieren. Verständlich, dass die Linkspartei ihre Chance wittert. Vor allem in Ostdeutschland wäre es für die Sozialdemokraten schmerzhaft, wenn sie dort nicht mehr als die wichtigsten Träger linker Ideen wahrgenommen würden. Bislang war für die SPD die Zusammenarbeit mit den Postkommunisten auf Bundesebene ein Tabu. Von marxistischen Gedanken hatte sie sich schon 1959 im Godesberger Programm verabschiedet. Zuletzt aber begann sie, über ihr Verhältnis zur Linken neu nachzudenken. Auch wenn die Sozialdemokraten nun für die kommenden vier Jahre den Konservativen den Vorzug gaben - nach den Wahlen 2017 kann das ganz anders aussehen." (16.12.2013)
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