Deutscher Ratsvorsitz: Die Erwartungen sind hoch
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Verfassung, Energiepolitik, Bürokratieabbau: Seit dem 1. Januar hat Deutschland den Ratsvorsitz der EU inne – und hat sich viel vorgenommen.
„Europa gelingt gemeinsam“ ist das Motto der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, die von Januar bis Juni dauert. Das Motto ist Programm: Da sechs Monate sehr wenig sind, um Großes zu bewegen, will man in Berlin eng mit den folgenden Präsidentschaften Portugal und Slowenien zusammenarbeiten. So soll die notwendige Kontinuität in der EU-Politik gewährleistet werden.
Der 25. März wird ein besonderes Datum der Präsidentschaft sein. Am 25. März 1957 wurden die Römischen Verträge unterzeichnet. Sie markieren die Geburts des politisch geeinten Europas. Genau 50 Jahre später will der deutsche Ratsvorsitz zusammen mit den anderen Mitgliedsstaaten eine „Berliner Erklärung“ ausarbeiten, in der der Wertekatalog der EU bürgernäher formuliert werden soll.
Im Vorfeld warnte Außenminister Frank-Walter Steinmeier jedoch vor zu großen Erwartungen: „Wir werden bis Juni keine Wunder vollbringen können“. Steinmeier weiß, dass auf die Bundesregierung eine Menge Arbeit zukommt: Schließlich hat Deutschland zur selben Zeit den G8-Vorsitz inne. Ein Blick auf die drei wichtigsten Baustellen, auf denen die Regierung in Berlin zu tun haben wird:
EU-Verfassung
In der Regierungserklärung zur deutschen EU-Ratspräsidentschaft, die Bundeskanzlerin Angela Merkel Mitte Dezember im Bundestag hielt, stand die Europäische Verfassung nur an dritter Stelle. Aus gutem Grund: Vor den französischen Präsidentschaftswahlen im April 2007 sind der deutschen Ratspräsidentschaft in Sachen Verfassung die Hände gebunden.
Dennoch wird das Thema zweifellos das kommende Halbjahr bestimmen. Denn die Stimmen, die eine Rettung des Verfassungsvertrags fordern, werden lauter. Spanien und Luxemburg forderten die Erarbeitung eines konkreten Zeitplans: Bis zum Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs Mitte Juni solle Deutschland einen solchen Zeitplan und Vorschläge für weitere Beratungen ausarbeiten.
Tatsächlich will Angela Merkel einen solchen Plan vorlegen. Doch seine Ausarbeitung dürfte Schwierigkeiten bereiten. Denn man kann Franzosen und Niederländern, die die Verfassung 2005 in Volksabstimmungen ablehnten, unmöglich noch einmal den gleichen Vertragstext vorlegen. Derzeit wird vor allem die Möglichkeit diskutiert, eine verkürzte Form des Textes anzubieten, der sich auf die Grundrechte und die dringliche Reform der Institutionen konzentriert. Der dritte Teil der Verfassung, der besonders in Frankreich umstritten war, könnte dagegen unter den Tisch fallen.
Klimaschutz
Wenn Deutschland den Vorsitz von EU und G-8 übernimmt, will es in beiden Organisationen einen Schwerpunkt auf die Klimapolitik legen. Obwohl Deutschland kürzlich von der EU-Kommission wegen seiner mangelnden Umsetzung des Kyoto-Protokolls zur Reduzierung der Treibhausgase abgemahnt wurde, will es im kommenden Halbjahr die anderen Staaten in der EU zu strengerem Klimaschutz drängen.
Vor allem wird es darum gehen, wie stark die EU nach Auslaufen des Kyoto-Protokolls im Jahr 2012 Treibhausgase reduzieren will. Im Gespräch ist eine Reduzierung von dreißig Prozent bis 2020. Deutschland, größter Produzent von Treibhausgasen innerhalb der EU, hat in diesem Fall angeboten, seinen Ausstoß sogar um 40 Prozent zu reduzieren.
Außerdem werden die Staaten über den neuesten Vorstoß des Umweltkommissars Stavros Dimas diskutieren. Die Kommission hatte Ende Dezember einen Richtlinienentwurf vorgelegt, nachdem Fluggesellschaften ab 2011 in den Handel mit Emissionsrechten einbezogen werden könnten.
Abbau von Bürokratie
In ihrer Regierungserklärung verkündete Angela Merkel, dass ihr Schwerpunkt dem Abbau von Bürokratie in der EU gelte. In Berlin ist man sich bewusst, dass die Bürger die Union für zu bürokratisch halten. „Ein Mehr an Richtlinien bedeutet nicht in jedem Fall ein Mehr an wirtschaftlicher Prosperität für die Europäische Union“, so Merkel.
Das wichtigste Element ist für die Kanzlerin dabei die Anwendung der Diskontinuität auf das Europaparlament. Hinter diesem bürokratischen Ausdruck verbirgt sich ein simpler Vorgang, der in nationalen Parlamenten längst Anwendung findet. Wenn die Legislaturperiode zu Ende ist, sollen zukünftig alle Richtlinien, die noch nicht verabschiedet wurden, ihre Gültigkeit verlieren. So soll eine effizientere Arbeit des Parlaments sichergestellt werden.