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„Deutsche Unternehmen wollen weiter investieren“

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Politik

Für deutsche Unternehmen wäre Bulgarien ein attraktiver Standort – wenn es nicht die Korruption gäbe. Mitko Vassilev, Geschäftsführer der Deutsch-Bulgarischen Industrie- und Handelskammer in Sofia, ist dennoch optimistisch.

Herr Vassilev, wenn wir über deutsch-bulgarische Wirtschaftsbeziehungen sprechen, über welche Größenordnungen reden wir da?

Über eine Größenordnung von etwa 2,9 Milliarden Euro Handelsumsatz. Das ist eine absolute Rekordmarke. Das ist besser als in den Glanzzeiten des Sozialismus und besser als alle bisherigen Ergebnisse seit der Wende 1990. 2004 waren es 22 Prozent Zuwachs, 2005 sind es weitere 15 Prozent Zuwachs, und wir hoffen, dass auch diese Rekordmarke gebrochen werden kann.

Warum sollte ein deutscher Investor hier in Bulgarien investieren?

Deutschland ist der größte Handels- und Wirtschaftspartner für Bulgarien. Der Standort Bulgarien bietet einige Vorteile, zum Beispiel gut ausgebildete Arbeitskräfte, die auch ziemlich preiswert sind im Vergleich zu anderen EU-Ländern. Das Material, technische Kapazitäten stimmen.

Aber natürlich haben wir auch Probleme. Jedes Jahr machen wir eine Stimmungsumfrage unter deutschen Investoren und Geschäftsleuten. Und da hören wir positive und negative Dinge.

Dann reden wir doch mal über die Stimmungsumfrage. Was sagen deutsche Unternehmer über die Zusammenarbeit mit Bulgaren, über das Arbeiten hier vor Ort?

Die sagen, dass sie größere Wachstumsraten im Umsatz erwarten. Dass sie weiterhin investieren wollen. Dass sie neue Mitarbeiter einstellen werden. Aber die nennen auch die Störfaktoren, etwa das träge Justizsystem, die Administration. Da gibt es Hindernisse, inklusive Korruptionsfälle.

Ein Problem sind auch die Arbeitskräfte. Einerseits sind sie gut ausgebildet und preiswert. Andererseits mangelt es auch langsam an Arbeitskräften. In bestimmten Branchen, etwa der Baubranche, gibt es einen Boom. Aber gut qualifizierte Arbeitskräfte sind nicht so einfach zu finden. Und man rechnet damit, dass die Löhne und Gehälter mit dem EU-Beitritt Bulgariens weiter steigen werden. Damit schwindet der bisherige Investitionsvorteil.

Sie haben das Stichwort Korruption angesprochen. Was erleben deutsche und bulgarische Unternehmer da?

Erstaunlicherweise reden viele Leute über Korruption, aber es gibt wenige Fälle, in denen Korruptionsverdächtige hinter Gittern gelandet sind. Die Korruption ist kein typisch bulgarisches Phänomen, die gibt es in anderen Teilen der Welt genauso. Nur ist Bulgarien derzeit unter besonderer EU-Beobachtung. Und einige Fälle sind jetzt vor Gericht gelandet.

Nennen Sie mal ein Beispiel

Ein Beispiel ist die Fernheizung in Sofia. Die ist teilweise im Besitz der Sofioter Großgemeinde, teilweise auch im Staatsbesitz. Der Geschäftsführer, ein Herr Dimitrov, war 10 Jahre an der Spitze. Über Interpol hat man einige seiner Konten in der Schweiz gefunden. Und es hat sich herausgestellt, dass Unsummen für teure Luxusgüter, für Repräsentationskosten in den Rechnungen versteckt waren. Bei dem Skandal geht es um einige Millionen. Aber er war nicht alleine. Das ist ein Netzwerk. Inwieweit die Justiz die Schuldigen verurteilen kann, das müssen wir abwarten.

Aus ihren Worten höre ich Skepsis, dass die Justiz das hinkriegt.

Es ist klar, dass das ziemlich lange dauert. Am Anfang der Reformen wurde Bulgarien mit einer Geldvernichtungsmaschine verglichen. Deutsche Firmen haben viel Geld verloren, weil wir eine Hyperinflation hatten. Und die Gerichtsverfahren dauerten sehr lang, zwei bis vier Jahre. Damals sagten deutsche Firmen: Es lohnt sich überhaupt nicht, vor Gericht zu ziehen, um unser Geld zurück zu bekommen. Heute ist das anders. Wir haben ein stabiles Wirtschafts- und Bankensystem. Aber die Gerichtsverfahren dauern zu lange. Und das steht besonders in der EU-Kritik.

Stichwort Braindrain. Also Abwanderung Hochqualifizierter. Wie hoch schätzen Sie diese Gefahr ein?

Bulgarien hat schon eine Million Menschen dadurch verloren. Gerade Spezialisten haben nach der Wende das Land verlassen in Richtung Nordamerika, Westeuropa, Australien. Das waren gut ausgebildete IT-Spezialisten, Ingenieure, Chemiker. Das Problem ist nicht neu. Diese Leute unterstützen heute ihre Eltern. Die bekommen hier bekanntlich wenig Rente. Bulgarien bekommt viele Euros und Dollars von diesen Auslandsbulgaren. Aber man hofft, dass diese Spezialisten eines Tages zurückkehren. Die niedrigen Löhne und Gehälter sind dabei aber ein Hindernis.

Sie sagen: Viele gehen weg. Gibt es denn Fachkräfte, die die Lücke füllen können – Leute, die wegen des EU-Beitritts einwandern?

Ja. Viele Mazedonier stellen den Antrag auf bulgarische Staatsangehörigkeit. Ethnische Türken, die ausgewandert sind, wollen wieder zurück und auch ihre Immobilien zurück haben. Aus Moldawien und anderen Ländern holt man sich Leute für bestimmte Projekte – sogar aus China.

Seit dem 1. Januar 2007 sind Bulgarien und Rumänien Mitglieder der Europäischen Union. Aus diesem Anlass präsentiert cafebabel.com in loser Folge Artikel, die die beiden neuen Mitglieder vorstellen. Der nächste Artikel beschreibt den Parlamentspalast in Bukarest, eines der größten Gebäude der Welt. Er erscheint am 27. Februar.

Diese Artikel werden von Autoren des Korrespondenten-Netzes n-ost verfasst. Der Verein n-ost wurde im Dezember 2005 in Berlin gegründet. Das Netzwerk existiert bereits seit Frühjahr 2003. In ihm organisieren sich Journalisten und Initiativen aus über 20 Ländern, die sich als Vermittler zwischen Ost- und Westeuropa verstehen. Sie setzen sich für Demokratie und Medienfreiheit ein und leisten mit ihrer Arbeit einen Beitrag zum Zusammenwachsen Europas.