Design in Paris: Fass mich bloß nicht an
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Sophie BeeseDie neusten Strömungen in puncto modernes Design? Der 14. Pavillon des Arts et du Design, welcher vom 24. bis 28. März in Paris stattfand, sollte auf diese Frage eine Antwort liefern. Nach einem kleinen Abstecher auf diese internationale Messe für Design und Kunstgewerbe quält uns nun aber eine neue Frage: „Was ist eigentlich Design und hat es noch Zukunft?“
„Form follows function“ (Form folgt Funktion), dieser berühmte Leitsatz verkörpert das Designkonzept des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts.
Die Definitionen für Design sind einfach zu verstehen, sie lauten in etwa: Alles, was eine sichtbare Form hat, hat auch ein Design. Der Begriff Design entstand Ende des 19.Jahrhunderts, als die industrielle Revolution und der aufkommende Massenkonsum einen Kompromiss zwischen Künstleratelier und Fabrik notwendig machten. Eine der ersten Schulen für Design war das Staatliche Bauhaus, das 1919 von Walter Gropius in Weimar gegründet und mit dem Nationalsozialismus bereits 1933 wieder geschlossen wurde. Doch diese kurze Lebenszeit reichte aus, um eine Basis für Architektur und Design der Moderne zu schaffen, deren Resonanz bis heute anhält. Die Bauhaus-Idee in Sachen Design war die Herstellung von zugleich funktionalen, bezahlbaren und dennoch ästhetischen Objekten, sodass sich auch die ärmeren Bevölkerungsschichten schöne und luxuriöse Dinge leisten konnten. Das Ganze galt jedoch mit einer Einschränkung: Die Ästhetik wird durch die Funktionalität bestimmt und nicht umgekehrt. So soll beispielsweise ein Sessel in erster Linie dazu dienen, sich bequem hinsetzen zu können und nicht einfach nur gut auszusehen. Kunst, Design oder beides - die diesjährige Pariser Messe hat gezeigt, wie schmal der Grat zwischen den beiden Begrifflichkeiten ist.
Ein "unfertiges" Regal für 14.500€
Zwischen Ständen mit afrikanischer Kunst, moderner Malerei oder Kunstgewerbe des 20. Jahrhunderts befinden sich hier, auf dem 14. Pavillon des Arts et du Design in Paris, die Stände für Design. Besonders an den Messeständen mit Design aus den Achzigern versammelt sich die Crème de la Crème der Design- und Kunsthändler.
Einer der ersten Stände, an denen man beim Messerundgang vorbeikommt, ist der der Londoner Galerie Carpenters Workshop Gallery. Mit einem dunkelgrauen Buffet (namentlich: „Buffet Neuseeland“), zieht er alle Blicke auf sich. Das Buffet ist eine einfache und grobgezimmerte Konstruktion. Man könnte meinen, das Möbelstück sei noch gar nicht fertig gezimmert. Fast scheint es, als wolle Vicent Dubourg, der Schöpfer des Objekts, das Möbelstück während des Schaffungsprozesses zeigen. Neben dem Buffet findet sich noch ein weiteres seiner Designs, ebenfalls im Stile der Dekonstruktion: Regale aus Metall, von denen man vermuten könnte, es hätte sich eine kleine Explosion in ihrer Mitte ereignet. Auf einem kleinen Zettel steht dann aber der stolze Preis: 14.500 Euro…
Ist das nun ein Designobjekt oder Kunst? „Es handelt sich um Design, denn jedes dieser Objekte ist funktional", antwortet Loïc Le Gaillard, Betreuer des Standes in Paris. Auch wenn ein Möbelstück nicht so wirklich funktional ist, wie z.B. das Neuseeland-Buffet? „Unsere Galerie ist bemüht, Möbel und Skulptur zu verknüpfen. Ich möchte da keine klare Grenze ziehen“, erklärt sich der Galerist.
Einige Schritte weiter springt dem Betrachter eine wahre Farbexplosion entgegen: Sessel aus knallig-farbigem Gummi finden sich unter den Ausstellungsobjekten der französischen Galerie Perimeter. Sitz und Lehne bestehen aus Gummispiralen, welche mit Filz zusammengepresst wurden. Ist dieser Stuhl nun stabil? Schwer zu sagen, denn vor jedem Sessel warnt ein Schild „Bitte nicht anfassen".
"Die Schöpfer dieser Sessel sind brasilianische Designer, die mit ihren Werken die für ihr Land charakteristische Lebensfreude wiedergeben wollen“, erläutert Nicolas Chwat. Und beim europäischen Design, gibt es da einen einheitlichen Stil? „Es gibt kein einheitliches, europäisches Design. Jedes Land hat seinen eigenen Stil“, antwortet Chwat und muss seine Erläuterungen immer wieder durch ein bittendes „please don't touch“ in Richtung eines Besuchers unterbrechen. Es stellt sich unmittelbar die Frage, ob dieser Stand nicht vielmehr ein Museum mit Kunstwerken, als ein Möbelladen mit Design ist?
Design - ein Lebensgefühl
„Machen sie sich darüber keinen Kopf, Design ist schlicht und ergreifend ein Lebensgefühl“, will Mathieu de Prémont überzeugen. Er ist Chef der Galerie Spectra, welche auf der Messe eine Sammlung von Möbeln aus Plexiglas ausstellt. Welches ist denn das beliebteste Objekt des Standes? Es ist Blue Planet, ein hängendes Regal in Form einer Erdhalbkugel. Dem äußeren Anschein nach scheint es nicht viel Platz einzunehmen (es ist durchsichtig), dennoch bietet es viel Ablagefläche - funktional und ästhetisch also. Einen Wehrmutstropfen gibt es allerdings: Blue Planet wurde nur in achtfacher Auflage hergestellt und jedes Objekt kostet 14.000 Euro. Von Konsum- zu Luxusgütern, ist das die Entwicklung, die das Design im 21. Jahrhundert macht?
„Design des 21.Jahrhunderts? So etwas gibt es gar nicht, außer vielleicht Ikea, das ist zeitgemäß, funktional, erschwinglich und ästhetisch“, sinniert Marc-Antoine Patissier.Er ist Chef von HP Le Studio und stellt hier in Paris die Arbeit italienischer Designer aus, die sich von japanischer Kunst inspirieren lassen. Patissier erklärt sein Designverständnis folgendermassen: „Wirkliches Design verzichtet auf alles Überflüssige, um die wahre Natur eines Objektes herauszuarbeiten. Die hier ausgestellten Möbel sind Entwürfe, die geradezu zu schreien scheinen: „Schau mich an!“ Und trotzdem wäre es unmöglich, in einer Wohnung zu leben, in der alle Möbel derart auffällig sind.“
Funktionales versus künstlerisches Design
Die Geschäfte, welche hier auf der Messe abgewickelt werden, scheinen sich nicht nach dem Seltenheitswert der Ausstellungsstücke zu richten. Aber weder knallige Farben noch exorbitante Preise können die Käufer bremsen. „Ich habe kein Problem mit Möbeln ohne praktischen Wert“, erklärt Patricia, eine der 45 000 erwarteten Messebesucher. „Ich finde, dass auf solchen Messen immer künstlerisches Design gezeigt wird und diese Mischung gefällt mir“, fügt sie hinzu.
Woher kommt nur dieses Interesse an „künstlerischem Design“? „Früher wurden Wohnungen mit Skulpturen bestückt. Heute kauft man sich so etwas nicht mehr, man findet sie nur noch in öffentlichen Einrichtungen wie Museen oder Geschäftsfilialen. Stattdessen wollen die Leute heutzutage originelle Möbel haben“, erklärt Andrew Ducanson vom Hause Modernity, einer Galerie, die sich dem skandinavischen Design verschrieben hat. Auf wenig Raum finden sich viele bekannte Namen: Gio Ponti, Gerrit Rietveld, Verner Panton… Die Formen sind schlicht, verschiedene Materialien werden auf einfache Art miteinander verbunden und auf die Sessel kann man sich tatsächlich setzen. Alle stammen sie aus den 1930er, 50er und 60er Jahren und sind dennoch top-aktuell.
Eins scheint nach dem Messerundgang sicher: Seit Jahrzehnten dreht sich das Design-Konzept im Kreis und oft bestimmt die Subjektivität schlussendlich, was nun Kunst und was Design ist.
Fotos: ©PAD
Translated from Nie ma przyszłości dla designu?