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Der Berufsjude von Ljubljana

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Gesellschaft

Er ist der bekannteste Jude Sloweniens. Vor allem aber ist er einer von wenigen. 150 Mitglieder sind in der Slowenischen Jüdischen Gemeinde, die ihren Sitz in Ljubljana hat, registriert. „Slowenien ist bald wieder judenrein“, befürchtet ihr Sprecher. Ein anonymes Porträt.

„Macht es Spaß, hier Jude zu sein?“ Die Frage ist rhetorisch gemeint. Dennoch beantwortet er sie mit einem „Nein“, das keine Zweifel an seiner Verbitterung lässt. Er* ist Provokateur. Als einzigem Sprecher der Jüdischen Gemeinde Sloweniens bleibt ihm kaum etwas anderes übrig. Während er spricht, sitzt er in einem Café in der Altstadt von Ljubljana. Wenige Meter hinter ihm hängt das Schild der Židovska ulica, der Jüdischen Straße.

Hakenkreuze auf dem Friedhof

Es ist erst einige Wochen her, da wurde das Emailschild in der Židovska ulica mit einer palästinensischen Flagge überklebt - für den Sprecher der jüdischen Gemeinde ein Akt der Aggression, der in einer Reihe antisemitischer Zwischenfälle steht. Vor einiger Zeit fand er das Grab seiner Mutter mit Hakenkreuzen beschmiert vor. 2005 hinterließen Sprayer auch an den Wänden der einzigen erhaltenen historischen Synagoge Sloweniens in Maribor ihre politische Message: „Juden raus“, stand da, und daneben: „Gaza“. Die Judenfeindschaft ist eher abstrakter Natur: Fast keine Juden leben mehr in Maribor, fast alle der wenigen slowenischen Holocaust-Überlebenden verließen nach 1945 das atheistische Jugoslawien.

In Slowenien kommt der Antisemitismus von links, sagt der Vertreter der jüdischen Gemeinschaft in Ljubljana. „Es ist eine sozialistische Tradition, die Juden des Mittelalters für die Politik der israelischen Regierung verantwortlich zu machen.“ In Israel gilt er selbst als Linker. Elf Jahre hat der Anthropologe dort gelebt, an der Tel Aviver Universität hat er sich wissenschaftlich vor allem mit Eskimos beschäftigt. „Das ist es, was mich interessiert. In Slowenien bleibt mir dafür keine Zeit. Hier bin ich der jüdische Repräsentant für alles. Ich bin Jude von Berufs wegen.“ 

Tabuthema jüdisches Erbe

Das Wechselverhältnis zwischen Fremd- und Selbstverständnis manifestiert sich letztlich am deutlichsten in seiner Person selbst. Zwar lehnt er nach eigenen Worten immer mehr Einladungen zu Talkshows ab, in denen er die Stellung des jüdischen Vertreters halten soll. Doch er ist auch der Autor und Übersetzer unzähliger Aufsätze und Monographien zur jüdischen Geschichte - eine davon seine Dissertation. „Dass es vor diesem Überblickswerk kein vergleichbares Buch in slowenischer Übersetzung gab, sagt schon viel über den hiesigen Antisemitismus“, findet der Autor, der von den Schwierigkeiten berichtet, einen Verlag zu finden, der Bücher zu jüdischen Themen druckt. „Unterstützt wird die Aufarbeitung eigentlich nur von der katholischen Kirche.“

Er war zuversichtlich, als er 2002 aus Israel in das Land zurückkehrte, in dem er 1973 als Sohn einer slowenischen Schauspielerin und eines Politikers geboren wurde. Seit fast einem Jahrzehnt war die Jüdische Gemeinde, deren Vorstand er nach seiner Rückkehr beitrat, in ihrer Reorganisation begriffen. Europäische Zuwendungen ermöglichten es der Gemeinde, ein ehemaliges Büro in einem alten Fabrikgebäude zu einer provisorischen Synagoge umfunktionieren. Auf diesen 70 Quadratmetern befinden sich bis heute das Gemeindezentrum und die Gebetsräume. Ein Rabbiner aus Triest fährt regelmäßig nach Ljubljana.

„Where are you from? From Jewishland?“

Doch so unscheinbar die Synagoge, so wenig bleibt auch die Jüdische Gemeinde in der slowenischen Gesellschaft sichtbar. Wer sich in Ljubljana auf die Suche nach dem jüdischen Erbe der Stadt begibt, hat es nicht leicht. Kein Mitarbeiter in den Touristenbüros kennt den Weg zur Synagoge. Die Frage nach dem Friedhof, auf dem auch die jüdischen Bürger bestattet sind, verursacht im besten Fall Überraschung. „Where are you from? From Jewishland?“, will ein Touristenführer wissen.

„Die Gemeinde ist eine Fassade“

„Am Anfang sah es so aus, als hätte die Gemeinde eine echte Chance. Heute ist sie eine Fassade. Wir diskutieren ernsthaft darüber, zu schließen. Dann wäre Slowenien wieder judenrein.“ Das letzte Wort sagt der Gemeindesprecher auf Deutsch.

Jelinčič Boeta: "Wer als Jude Wert auf seine Religion legt, verlässt das Land."In seiner Darstellung sind die Entwicklungen des vergangenen Jahrzehnts vor allem geprägt von vergeblichen Versuchen der Jüdischen Gemeinde, die Entschädigung für ihre Enteignung zu erreichen. „Was wir wollen, ist finanzielle Unabhängigkeit. Im Moment sind wir schlichtweg bankrott - und wir haben keine reichen Mitglieder, die diese Ausgaben aus der eigenen Tasche bezahlen können.“ Die Spitze richtet sich gegen antijüdische Vorbehalte, die man in der Bevölkerung, aber auch unter politischen Amtsträgern beobachten könne. 

„Der Ombudsmann hat keine gegen in Slowenien lebende Juden gerichteten Gewaltakte oder Beleidigungen zur Kenntnis genommen“, heißt es in einer etwas steifen Stellungnahme der slowenischen Bürgerbeauftragten Zdenka Čebašek-Travnik, die damit indirekt dem Vorstand der jüdischen Gemeinde widerspricht, sich in mehreren Belangen an ihr Büro gewandt zu haben.

Zweifel an der Diaspora 

Bislang ergebnislos geblieben ist zwar ein Gesetzesvorschlag jener Bürgerbeauftragten vom März 2012, die Beschneidung von Jungen aus religiösen Gründen zu verbieten. Die Idee sei jedoch repräsentativ für die „spezielle Art, mit der man hier Leuten signalisiert, dass sie nicht willkommen sind“, sagt unser Gesprächspartner, während er die Berufung auf die Menschenrechte in der Erklärung als lächerlich bezeichnet. „Die Ironie besteht darin, dass die meisten in Slowenien lebenden Juden säkular sind. Wer als Jude Wert auf seine Religion legt, verlässt das Land.“ 

Auch er habe Zweifel am Leben in der Diaspora, sagt er. „In Slowenien wird Assimilation erwartet. Das wirkt sich entsprechend auf das Verhalten von Minderheiten aus. Es gibt in diesem Land zwischen 400 und 600 Menschen jüdischen Hintergrunds, aber kaum jemand ist bereit, seine Kinder auch jüdisch zu erziehen.“

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Illustrationen: Teaserbild (cc)Tit Bonač/flickr; Im Text: Maribor (cc)tm-tm/flickr

*Der Name des Protagonisten wurde auf Wunsch desselben 2016 anonymisiert.