Das neue Marokko: Hipster, aber nicht zu sehr
Published on
Translation by:
Barbara BraunWas passiert, wenn ein Massenphänomen ein Land mit sehr unterschiedlichen kulturellen Traditionen erreicht? Die marokkanischen Hipster von Casablanca gehören zu einer Jugend, deren Welt viel komplexer und bunter ist als der Einheitsbrei ihrer europäischen Kollegen.
Es ist gar nicht so einfach, Hipster in Casablanca zu finden. In Europa ist das Phänomen zur Obsession geworden, die mittlerweile von vielen verabscheut wird. Die meisten jungen Menschen wollen auf keinen Fall als Hipsters klassifizert werden und grenzen sich klar von den Karohemden und Allstars tragenden, bärtigen Modeopfern ab. In Berlin, Paris und London hat der Kreuzzug schon lange begonnen. Man wehrt sich gegen den massiven Vormarsch dieses Styls, der in den großen Städten Europas und den USA innerhalb von wenigen Jahren vom Außenseiter- zum Massenmodephänomen mutiert ist.
In den westlichen Ländern ist das Hipstertum weit verbreitet. Aber wie steht es damit in einem Land wie Marokko, wo die Menschen bewusst an ihren Traditionen festhalten? Ist es dort schwierig den westlichen Modetrends zu folgen? Hat die Mode der großen Brillen, der Single Speed Fahrräder und der Jutetaschen bei ihnen Einzug erhalten? Nach einer Blitzrecherche im Internet sieht es schon so aus. Auf Tripadvisor findet man sogar eine Bar, den Arts Club, der das Stammlokal der marokkanischen Hipsters sein soll. Die Jugend von Casablanca ist viel komplexer und bunter als ihre genormten, westlichen Kollegen. Zirkusliebhaber tragen riesige Schnurrbärte, Karohemden verkörpern immer noch den guten, alten Nerd und die Styles sind so unterschiedlich wie die Lebensstile in Finnland und Spanien. Schauen wir uns das einmal genauer an.
Nachts trifft man in Casablanca so allerlei unterschiedliche Typen: Saad im B-rock, einem der In-Lokal der Stadt.
Er macht auf alte Schule.
Und diese Art von Bart ist typisch für Zirkuskünstler wie Snoopy, hier in der Zirkusschule der Kulturfabrik l’Abattoir.
AUf der suche nach ihrem eigenen stil
In den letzten 15 Jahren hat die Meinungsfreiheit in Marokko enorme Fortschritte gemacht. Auslöser dafür war der Amtsantritt von König Mohammed VI, der 1999 seinem Vater Hassan II nachfolgte. Man könnte also meinen, dass es, trotz aller typischen Schwierigkeiten eines Schwellenlandes leichter geworden ist, sich alternativ zu kleiden. Ganz im Gegenteil. Es ist gar nicht so einfach in diesem Land mit einem Durchschnittslohn von 200 € und Lebenshaltungskosten wie in Spanien, sich modisch zu kleiden. Was die religiösen Traditionen betrifft, so ist das obligatorische Kopftuch nur mehr eine vage Erinnerung. Heute trägt man es aus Überzeugung, nicht aus Zwang.
Dani arbeitet fürs Radio und Fernsehen. Die Sender, die westliche Musik spielen sind nicht sehr zahlreich, aber haben treue Zuhörer.
Der Einfluss der USA ist in Marokko sehr stark. Der "amerikanische Traum" scheint allgegenwärtig.
Taha:„Ich kleide mich zwar manchmal wie ein Hipstern, bin aber keiner. Ich wechsle täglich meinen Stil. Meine Nachbarn schauen mich an, als ob ich ein Ausländer wäre."
Auf der Straße begegnet man hier und dort sogar modischem Übereifer.
Marokko neu erfinden
Manche behaupten, die europäischen Hipster hätten die Hausbesetzer abgelöst, ohne jedoch politisch aktiv zu sein. In Casablanca passiert genau das Gegenteil. Zivilcourage und Engagement sind weit verbreitet. „Es gibt in Marokko noch so viel zu tun", meint Ali, ein junger Sprachwissenschaftler mit Reggae-Look. „Wir haben jetzt Raum (wie den alten Schlachthof l'Abattoir, Anm. der Redaktion). Immer mehr Leute kommen zu den Konzerten und entwickeln dank des Internets ihren eigenen Musikgeschmack. Die Festivals werden von Menschen aller Klassen und Stilrichtungen besucht, von Hippies und Hipsters, von Metal-Rockern und Rappern. Diese Menschen wollen Marokko neu erfinden." Dabei ist kein Platz für postmodernen Nihilismus.
Ismael, ein junger Fotograf: „Wenn du ein Karohemd und große Brillen trägst, wirst du bei uns an der Uni noch als Nerd abgestempelt."
Kuba oder Casablanca? Der Retro-Look erinnert manchmal an die 70er Jahre.
Auf dem Foto sieht man „Mary" vor der Universität von Casablanca.
Ali hört gerne Rock und Reggae. Er erzählt mir, dass die Zahl der Gratis-Festivals in Marokko in den letzen Jahren rasant gestiegen ist. Die Organisatoren sind dabei selten diesselben. Die Nachfrage nach Kultur- und Musikevents ist groß, das Angebot wächst langsam mit.
Der Stil ändert sich, aber Casablanca ist noch kein Hotspot für Hipster.
Dieser artikel ist teil der SPEZIALAUSGABE « EUROMED REPORTER » IN Casablanca. cafébabel Arbeitet hier in kooperation mit iwatch und der stiftung anna Lindh. bald findet ihr alle artikel der «EUROMED REPORTER » auf seite eins des magazins.
Translated from Non é un paese per hipster (ancora)