Das Kandidatenkarussell
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Die Beitrittsländer haben ihre Kommissare ausgewählt. Doch wer sind eigentlich die Kandidaten, die einer breiten europäischen Öffentlichkeit noch unbekannt sind?
Am 5. Februar war es soweit: Mit der Bekanntgabe der Kandidaten Tschechiens und Zyperns für die EU-Kommission war die Liste der zehn neuen Kommissare komplett. Zuvor hatten bereits die anderen Beitrittsländer ihre Kandidaten der europäischen Öffentlichkeit präsentiert. Doch ihre Auswahl verlief nicht in jedem Land reibungslos.
Die Frauen aus den Musterländern
So bereitete bereits die Forderung der Kommission, mindestens drei Frauen zu benennen, erste Probleme. Die nördlichen Länder, in denen die Emanzipation weit fortgeschritten ist, haben hier gerade noch eine peinliche Situation vermeiden können. Litauen bot die Finanzministerin Dalia Grybauskaite an, Lettland seine Aussenministerin Sandra Kalniete. Sie waren es auch, die als erste ihre Kandidaten nominierten und damit wieder ihre positive Einstellung gegenüber der europäischen Integration bewiesen haben.
In Mitteleuropa gestaltete sich die Suche schon schwieriger: Der Kandidat sollte keine kommunistische Vergangenheit haben, und auf der nationalen sowie auf der europäischen Ebene akzeptabel sein. Auch hätte man am liebsten einen Minister gehabt, der mehrere Fremdsprachen beherrscht. Das führte in einigen Ländern schnell zu der Frage, ob es einen solchen Kandidaten überhaupt gibt.
Nicht so in Polen, das sich vorgenommen hatte, sich im neuen Europa als ein starkes Land mit präzisen Vorstellungen zu präsentieren. Man setzte auf die erfahrene und parteilose Ökonomieprofessorin Danuta Hübner, deren umfangreiche Karriere 1994 im Ministerium für Wirtschaft und Technologie begann, wo sie bereits mit der europäischen Integration befasst war. Sie war es auch, die Polen als Europaministerin in die EU führte. Ausserdem war sie nicht nur Mitglied des Konvents, sondern wurde sogar von der Zeitschrift „European Voice“ zum „Statesman of the Year“ gekürt. Die Kommission äusserte sich dementsprechend positiv über die Nominierung Hübners, doch ihre engen Beziehungen zu Brüssel stoßen in Polen auch auf Kritik. So wirft ihr etwa die Opposition vor, dass sie für Polen besonders im Bereich der Landwirtschaft schlechte Bedingungen für den EU-Beitritt ausgehandelt hätte.
Streit in Tschechien und der Slowakei
Tschechien und die Slowakei zeigten dagegen wieder einmal, dass sie in Sachen europäischer Integration nicht zu schnellen Lösungen fähig sind. Der innenpolitische Kampf in beiden Ländern lässt einer bedächtigen Auswahl eines kompetenten Kandidaten offensichtlich keinen Raum. In der Slowakei kamen zwei Kandidaten in die engere Auswahl: Der Christdemokrat Jan Figel und der Kandidat der SDKU (Slowakische Demokratische und Christliche Union)des Premiers Dzurinda, Ivan Stefanec. Stefanec, Manager von Coca-Cola, über dessen Unbescholtenheit bei den Slowaken Zweifel bestehen, konnte sich aber nicht gegen Figel durchsetzen. Denn der slowakische Premier steht derzeit unter innenpolitischem Druck und musste sich dem Willen seiner Koalitionspartner beugen. Deshalb machte Jan Figel das Rennen. Der ehemalige Staatssekretär im Aussenministerium verfügt über zahlreiche Erfahrungen in der europäischen Integration. Er führte, wie seine zukünftige Kollegin Hübner, die Beitrittsverhandlungen mit Polen und war Mitglied des Konvents. Er gilt in der Bevölkerung als einer der fähigsten Politiker, manche wollen ihn gar auf dem Posten des Präsidenten sehen. Auch die EU scheint mit seiner Nominierung zufrieden zu sein. Der Sprecher der Kommission, Jean-Christophe Filori, bezeichnete Figel als eine vertrauenswürdige Person und einen ausgezeichneten Kenner der europäischen Politik.
In Tschechien artete die Kandidatensuche in einen politischen Kampf quer durch das ganze politische Spektrum aus. Nachdem Premier Pidla unerwartet den nicht besonders populären Sozialdemokraten Milos Kuzvart vorschlug, wurden auch in Laienkreisen Bedenken laut. Kuzvart, von 1998 bis 2002 tschechischer Umweltminister war vom Anfang an auch für die Koalitionspartner der Sozialdemokraten unannehmbar. Sie drohten mit Vergeltungsmassnahmen bei anderen Abstimmungen, trotzdem blieb er dank der Übermacht der Sozialdemokraten in der Regierung der einzige Kandidat. Zwar verfügt er nicht über viel europäische Erfahrung, dafür belastet ihn keine kommunistische Vergangenheit und in der letzten Regierung gehörte er zum proeuropäischen und progresiven Flügel. Verwunderlich bleibt dennoch, dass er nicht Europaparlamentarier werden wollte und dies mit den Worten begründete, sich lieber stärker um die Innenpolitik zu kümmern. In der EU staunte man über seine Nominierung, denn keiner weiss eigentlich so recht, wer Kuzvart wirklich ist. Dennoch nahm Prodi Pidlas Favoriten ohne Vorbehalt an.
Ungewisse Aufgabenverteilung
Doch noch ist nichts endgültig. Falls Prodi die nominierten Kandidaten annimmt, werden sie vom März-Gipfel des Rates und zuletzt auch vom Europäischen Parlament gebilligt. Die ersten Kommissare aus den neuen Mitgliedsländern werden nur für sechs Monate benannt. Dann fällt der neue Kommissionspräsident die endgültige Entscheidung, aber es scheint wahrscheinlich zu sein, dass man bei der bestehenden Zusammensetzung bleibt. Die Neulinge erwarten im Grunde genommen sechs angenehme Monate im politischen Herzstück Europas. Es ist noch nicht klar, wo sie sich nach der Wahl im November betätigen werden, wahrscheinlich ist jedoch, dass neue Ressorts geschaffen werden. Zu hoffen bleibt, dass die Regierungen bei ihrer Auswahl auch auf eine Eigenschaft Wert gelegt haben: Ein gesundes Misstrauen gegenüber den Vorschlägen der Eurobeamten.