Das Heilige Land im Dauerkrieg
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Lea SauerSolange die israelische Operation "Border Protection" im Gazastreifen weitergeführt wird, nimmt die Zerstörung und die Zahl der Verletzten stetig zu. Es herrscht Krieg. Aber wie sehen die besetzten Gebiete in Zeiten des "Friedens" aus? In der folgenden Fotoreportage, die zwischen Ende Dezember 2013 und Anfang Januar 2014 aufgenommen wurde.
Seit einigen Wochen sind Fotos und Videos aus dem Krieg in Palästina überall in den Medien vertreten. Vorallem aufgrund der kruden Logik des Internets, bei der scheinbar nicht davor zurückgeschreckt wird, auch die blutigsten Kriegsbilder zu teilen, wie es insbesondere zum Beispiel auch auf Internetseiten wie "Buzzfeed" geschieht. Wir werden überschwemmt mit Bildern aus dem Heiligen Land. Die Grenzen zwischen Sensationslust und echter Information verschwimmen dabei zusehends. Mittlerweile scheint sich die internationale Gemeinschaft langsam aus ihrer Schockstarre zu befreien, aber in Palästina selbst sieht die Realität indes ganz anders aus. Sie befinden sich im permanenten Kriegszustand. Wir haben nun die Möglichkeit Fotos aus den besetzten Gebieten zu veröffentlichen, die nach dem Sechstagekrieg im Jahre 1967 entstanden: Hebron, Nilin, das Flüchtlingscamp Askar (in Nablus) und Ramallah. Alle liegen im Westjordanland. Nur sieben Monate nachdem diese Fotos entstanden sind, hat die laufende Militäroperation das Land schon vollkommen auf den Kopf gestellt und dies zeichnet sich bereits jetzt in den Gesichtern ab. Diese Fotos sind so besonders, weil sie zeitlos sind. Sie könnten ebenso gut im Jahre 1948 aufgenommen worden sein. In Palästina ist Krieg offenbar seit ewigen Zeiten die Mutter allen Übels.
Kriegszustand in Zeiten des "Friedens"
Hebron, Westjordanland. 2. Januar 2014. Für die palästinensischen Anwohner ist es traurige Gewohnheit. Mit sichtlicher Gelassenheit, die oft auch dazu dient, die Angst, Machtlosigkeit oder Resignation zu verstecken, leben die Anwohner Hebrons mit der ständigen Überwachung seitens des israelischen Militärs. Dann wenn sie ihre Kinder zur Schule begleiten, sie nach der Arbeit von ihnen begleitet werden oder wenn sie, wie auf dem Foto zu sehen, bei ihnen Früchte auf dem Markt kaufen.
Während man durch die Straßen geht, durchläuft man mehrere Checkpoints, an denen die israelischen Soldaten die Papiere aller Passanten kontrollieren und den Zugang für die Palästinenser zu bestimmten Zonen reglementieren. Abgesehen von den Checkpoints befinden sich auch mehrere Kameras auf den Dächern der Bewohner. Zusätzlich, als wäre dem nicht schon genug, führen die Soldaten auch regelmäßig zufällige Kontrollen durch. Wie hier, wo mehrere Kinder angehalten wurden, als sie mit einem Fahrrad spielten.
Jemand hat eine Orange in Richtung der Soldaten geworfen, woraufhin diese begannen, denjenigen zu verfolgen. Geräuschsattrappe sollen dabei das Geräusch eines Bombenangriffs nachahmen, Tränengas wird eingesetzt und Gummigeschosse fliegen durch die Luft.
Eine Gruppe Soldaten dringt in ein Haus im Zentrum ein, verfolgt die Eigentümer und positioniert sich schließlich auf dem Dach. So können sie nun die Straße beschatten, auf der sich auch der städtische Markt befindet. Von dort aus können sie auch Rauchbomben fallen lassen und einige Geschosse, die letztendlich ein paar Kinder verletzen, die gerade, mit ein paar traditionell palästinensischen Hüten bekleidet, dabei sind ihre Freiheit zu feiern.
"Das ist ganz normal.", sagte damals ein Anwohner Hebrons über den Vorfall am Nachmittag. Aber an diesem besagten Nachmittag führte dies zu einem ernsthaften Ausbruch erneuter Unruhen in einer Zone, die unter der Kontrolle der Palästinenser stand. Am Ende des Sechstagekriegs 1967, nahm Rabbi Moshe Levinger zusammen mit einer Gruppe Verbündeter, das Rathaus der Stadt ein und weigerte sich, es wieder zu verlassen. Seitdem übt die jüdische Bevölkerung permanent Druck aus, um irgendwann ihr Ziel zu erreichen, die historisch wichtige Stadt zu besetzen.
Links sieht man eine palästinensische Flagge auf einem der Dächer in einem Teil der Stadt, der zurzeit besetzt ist von Siedlern, die sich selbst Hebron 2 nennen. Es handelt sich hierbei um die einzige palästinensische Flagge, die in diesem Gebiet zu sehen ist. Obwohl es seitens der Armee verboten wurde, weht sie mit Stolz von der Terasse des International Solidary Movements. Diese ehrenamtliche, gewaltfreie Organisation unterstützt die Belange der Palästinenser. Sie wurde 2001 von dem palästinensischen Aktivisten Ghassan Andoni, der israelischen Aktivistin Neta Golan, dem palästinensisch-amerikanischen Huwaida Arraf, dem Gründer des International Solidary Movements George N. Rishmawi und dem Amerikaner Adam Shapiross gegründet.
Der Krieg der Unschuldigen
Man kann die Zahl der Opfer unter den palästinensischen Kindern seit Beginn der israelischen Operation nicht genau benennen. Es müssen aber Hunderte sein. Oft sind die Bilder der jüngsten Opfer und das öffentliche Bild über die Schrecken des Kriegen eng miteinander verknüpft, weil dies dem Wirkmechanismus der Medien folgt, laut derer nur blutige Bilder Leser anziehen. Dennoch ist die internationale Gemeinschaft immer noch in ihrem Dornrößchenschlaf gefangen. Und das, obwohl die Fakten eindeutig scheinen: in einem Gebiet, in dem die Geburtenrate so hoch ist, wie in kaum einem anderen Land der Welt, sind die Lebensumstände nicht sehr kinderfreundlich. Das Gefühl von Gefangenschaft und permanenter Unterdrückung ist ständig präsent. Folglich haben viele schon zahlreiche Kriegserfahrungen gemacht. Allein wenn man an die Operationen seitens der israelischen Armee denkt, die ca. alle zwei Jahre durchgeführt werden: "Operation Regenbogen" (2004), "Operation Sommerregen" (2006) und Operation "Gegossenes Blei". Eine normale Kindheit ist so nicht möglich. Und wird für viele auch leider in Zukunft nicht möglich sein.
Hebron, Westjordanland, 2. Januar 2014. Die Stadt ist gespalten, obwohl sie streng genommen in der administrativen Zone der Palästinenser liegt. Trotzdem leben in der einen Hälfte ca. 140 000 Araber und in der anderen rund 400 israelische Bewohner, die von 5000 Soldaten geschützt werden. Hier spürt man die militärische Präsenz der Israelis besonders deutlich und die Regeln sind noch strenger: selbst Arbeiten oder ein Autokauf muss vorab von den Israelis genehmigt werden. Das obige Foto zeigt einige Kinder beim Ballspielen direkt neben israelischen Soldaten.
Nilin, Westjordanland. 3. Januar 2014. Während der Auseinandersetzungen, die nahe der israelischen Sperranlage, oder wie die Palästinenser es nennen "Die Mauer der Apartheid", stattfanden, blieben die Jugendlichen im Hintergrund und schauten lediglich dabei zu, wie ihre Väter und Brüder mit Steinschleudern Steine gegen die Mauer schossen. Oben sieht man einen Jungen, der ungeduldig auf die Rückkehr seiner Familie wartet. Neben sich hat er selbst eine palästinensische Fahne gehisst.
Flüchtlingscamp in Askar, Nablus, Westjordanland, 1. Januar 2014. In diesem Camp, welches sich in Wurfnähe zu Nablus befindet sich über die Fläche von einem Quadratkilometer erstreckt, leben 6000 Personen unter inhumanen Umständen. Häufig müssen sie den ganzen Tag ohne Wasser auskommen. Die Bewohner sind häufig von ihren einstigen Grundstücken vertrieben worden und mussten während der israelischen Intifadas mehrmals den Wohnort wechseln. Oben abgebildet ist ein Kind mit seinem Fahrrad.
Nilin, Westjordanland, 3. Januar 2014. Wie jeden Freitag, protestieren die Anwohner entlang des "Eisernen Zauns" gegen diese Trennung. Der Zaun wurde 2002 von Israel erbaut. Seitdem sind einige Palästinenser komplett abgeschnitten von der Außenwelt und dürfen das Westjordanland nicht mehr verlassen. Entlang der Sperranlagen, werden einige Steine in Richtung der "Mauer der Apartheid" geworfen. Die israelischen Soldaten antworten daraufhin mit Rauchbomben und Wurfgeschossen. Ob nun berechtigt oder nicht, in jedem Fall könnte es tötlich ausgehen. Oben abgebildet ist ein Bild der Mauer, die mit Protestsprüchen versehen wurde.
Golanhöhen, Israel, 29. Dezember 2013. Diese Region befindet sich im Nordwesten Israels und wurde von Israel während des Sechstagekriegs anektiert. Hier sind die Überbleibsel des Krieges noch besonders deutlich zu sehen, wie auch das obige Foto beweist: der Stacheldrahtzaun zeigt die Flächen an, auf denen sich noch Landminen befinden. Bislang ist der Konflikt zwischen Israel und Syrien nicht wieder aufgeflammt, auch wenn Syrien und Israel das Gebiet beide für sich beanspruchen.
Viele Jugendliche nehmen an Protesten gegen die israelische Sperranlage teil und sind sich ihrer Situation voll und ganz bewusst. Für sie ist die Mauer vor allem ein Symbol für ihr Abgeschnittensein von der Welt und dafür dass sie wahrscheinlich nie eine Zukunft als freie Menschen erleben werden. Und nicht nur die Mauer steht zwischen ihnen und der Welt, sondern auch die zweitmächtigste Armee der Welt, die immer bereit steht, um auf den Protest zu reagieren.
"Ihre Waffen können unsere Wurzeln nicht zerstören"
Ramallah, Westjordanland, 28. Dezember 2013. Die Hauptstadt des Westjordanlandes liegt nur wenige Kilometer von Jerusalem entfernt. Dort spürt man, dass die Palästinenser durchaus Lust haben, sich an die moderne Welt anzupassen, aber daran durch die israelische Besatzung gehindert werden. Graffitis und Zeichen des Protests finden sich zuhauf auf der Mauer und stehen für das palästinensische Identitätsbewusstsein.
Hebron, Westjordanland, 2. Januar 2014. Nach der Hölle die die Anwohner Hebrons an dem damaligen Nachmittag durchmachen mussten, ist die Innenstadt wie leergefegt. Man verteilt sich auf die kleinen Gassen der Stadt. Links erschreckt sich eine eine junge Palästinenserin vor den Schallbomben, die das Geräusch echter Bomben nachahmen. Über den Marktplatz im Herzen Hebrons erstreckt sic hein Nebel aus Rauchbomben.
Ramallah, Westjordanland, 29. Dezember 2013. In den Straßen im Zentrum hört man Lärm. Heulen, Schreie, Parolen, Gehupe. Ein spontanter Protest seitens der Fatah organisiert sich. Sie protestieren gegen die Inhaftierung von fast 30 Zivilpersonen, die am Tage von der israelischen Armee durchgeführt wurde. Die Demonstraten finden sich vor einer Statue von Yasser Arafat ein.
Während der zahlreichen Demonstrationen, die von der Fatah oder Hamas organisiert werden, patroullieren Militärs beider Parteien in ihren Uniformen auf der Straße. Sie halten Waffen und Fackeln in den Händen. Links ermuntert einer von ihnen die anderen durch das Rufen von Parolen zur Freilassung der Gefangenen.
Flüchtlingscamp in Askar, Nablus, Westjordanland, 1. Januar 2014. In den letzten Jahren wurden einige Initiativen für die Jugendlichen gestartet. Wie z.B. eine Bildungseinrichtung für traditionelle Tänze und Theater. Die Mauern, die den Hof des Jugendzentrums rahmen, sind übersät mit Graffitis. Oben ist eine Taube, das allgemeine Zeichen für Frieden, abgebildet. Die Taube will gerade losfliegen, um die Mauern und Stacheldrahtzäune zu überwinden, die sie gefangenhalten.
Translated from La guerra permanente nella terra di Dio