Participate Translate Blank profile picture

Das bewegte Berlin: Skandal um Knuts Zuhause

Published on

Berlin

In „Das bewegte Berlin“ nehmen Babel-Autoren rückblickend das Top-Thema der vergangenen Woche in der deutschen Hauptstadt auf. Die Sichtweise ist subjektiv, analytisch, kommentierend aber immer auch informierend. Schreibt uns in Kommentaren eure Meinung zum Thema. Von Sonia Gigler Während Tier-Star Knut weiter Karriere macht (ab 10.

April gibt’s den weißen Knuddelbär auch auf Briefmarken) steht es um sein Zuhause gerade kritisch. Tierschützer werfen der Zoo- und Tierparkdirektion unter anderem vor, Tiere an Schlachter verhökert zu haben. Warum wurden die Kätzchen umgebracht? Was geschah mit der Kragenbärfamilie und dem Zwergflusspferd? Und wurden Jaguare und Tiger abgegeben um in China zu Potenzmitteln verarbeitet zu werden? Solche Fragen beschäftigen die Berliner Gemüter seit Claudia Hämmerling, Abgeordnete der Grünen, wegen angeblicher Verstöße gegen das Tierschutzgesetz am 17. März Anzeige gegen den Chef von Zoo und Tierpark, Bernhard Blaszkiewitz, erstattete.

Hämmerling, Referentin für Tierschutz und Verkehr bei den Grünen, behauptet, Hunderte von Tieren aus Zoo und Tierpark seien in den vergangenen Jahren spurlos verschwunden. Sie beruft sich dabei auf Kopien aus Zuchtbüchern. Sie warf Blaszkiewitz unter anderem vor, neun Tiger und Jaguare einer Zuchtfarm in China verkauft zu haben. Dieselbe Farm wirbt damit, aus Großkatzen traditionelle Medizin und Potenzmittel herzustellen. Außerdem sei eine Pantherin mit einem Javaleoparden unartgerecht gekreuzt worden. Der unerwünschte Nachwuchs sei erst bei Tierhändlern und dann im Schlachthaus gelandet.

Flusspferd beim Schlachter

Ein ähnliches Schicksal mussten ihrer Meinung nach auch eine vierköpfige Kragenbärfamilie und ein Flusspferd Anfang der neunziger Jahre erleiden. Die Tiere wären an zwielichtige Händler abgegeben und in den belgischen Ort Wortel gekarrt worden. Dort hätte es aber keinen Zoo, sondern nur einen Schlachter gegeben. Hämmerling fordert mehr Transparenz bei Zucht und Verkauf von Zootieren. Dem stimmt auch die Präsidentin des Verbandes Deutscher Zoo-Direktoren Gisela von Hegel in einem Gespräch mit Welt Online zu: "Das Töten und Überleben von Wildtieren in Zoos müssen im Umgang mit der Öffentlichkeit sehr offen und transparent behandelt werden".

In den Boulevard-Blättern ist vom Berliner „Zoo-Krieg“ die Rede: Während Hämmerling aktive Unterstützung von Tierschutzrechtlern wie Frank Albrecht von der Organisation Peta und Marcel Gäding vom Tierschutzbund Berlin erhält, haben sich sowohl der Zoo-Aufsichtsrat als auch der Förderverein von Tierpark und Zoo solidarisch hinter ihren Chef geschart. Im Gespräch mit der Berliner Zeitung meinte Aufsichtratsvorsitzender Jochen Siewers: „Wir stehen voll hinter Herrn Blaszkiewitz.“ Der Aufsichtsrat hatte den langjährigen Tierpark-Chef 2007 auch zum Zoo-Chef berufen. Auch Fördervereinschef Thomas Ziolko sprach sich für Blaszkiewitz aus und bezeichnete Hämmerlings Methode als einen „Feldzug gegen die Hauptstadtzoos“ der „stillos und unwürdig“ sei. Doch fast täglich wird Blaskiewitz neuer Gräueltaten beschuldigt: willkürliche Katzentötung, fragwürdige Tierpflegepraktiken, Manipulation der Zuchtbücher, unartgerechte Tierkreuzungen, keine Geburtenkontrolle und Isolationshaft für Knut. Es scheint kein Ende zu nehmen.

Jedoch, wie die Süddeutsche Zeitung kommentierte, würden die von den Tierschützern vorgelegten Kopien aus Zuchtbüchern nicht belegen, dass die Tiere wirklich umgekommen seien. Zoodirektor Blaszkiewitz wiederholte mehrmals im Gespräch mit der SZ: „Die Schlachtungsgeschichten sind erfunden“ und „wir arbeiten nur mit honorigen Tierhändlern zusammen.“ Für die Vermittlung von Tieren nach China in den neunziger Jahren habe er eine Genehmigung des Bundesamtes für Naturschutz gehabt.

Artgerechte Tötung?

Blaskiewitz' Aussage im Interview mit der B.Z. er habe 1991 vier verwilderte Katzenbabys „artgerecht getötet“ als er ihnen selbst das Genick brach, hat ihm jedenfalls keine Sympathie in der Öffentlichkeit eingebracht. Laut Marcel Gäding im Tagesspiegel gibt es „kein artgerechtes Töten durch Handanlegen.“ Blaskiewitz habe ganz klar gegen die Bestimmungen im Tierschutzgesetz gehandelt. Dort heißt es: „Ein Wirbeltier darf nur unter Betäubung oder sonst, soweit nach den gegebenen Umständen zumutbar, nur unter Vermeidung von Schmerzen getötet werden.“ Weiter wird festgelegt: „An einem Wirbeltier darf ohne Betäubung ein mit Schmerzen verbundener Eingriff nicht vorgenommen werden. Die Betäubung warmblütiger Wirbeltiere ... ist von einem Tierarzt vorzunehmen.“ Laut Gäding reichten weder Blaszkiewitz Ausbildung als Diplom-Biologe noch sein Amt als Tierpark-Chef dazu aus. Weiter befand Gäding die Begründung für die Tötung - die Katzen waren Überträger von Krankheitserregern – als unzureichend, denn auch Zootiere würden Krankheiten übertragen. Blaszkiewitz habe sich durch seine Handlung strafbar gemacht und sei als Zoo- und Tierpark-Direktor untragbar.

Teilweise wurde ihm von Lesern des Tagesspiegel-Onlineauftrittes sogar etwas „Gruseliges“ angehängt; er sei ein „Metzger oder Schlachter“ dem man nachts „nicht alleine auf der Strasse begegnen“ möchte. Aber zeigen solche Kommentare nicht auch wie emotional aufgeladen diese Debatte ist? Meint nicht ein Tagesspiegel Leser zu Recht, dass Kritik an fragwürdigen Tierpraktiken zwar gerechtfertigt sei, dies aber „nicht in einen Hexenwahn mit zunehmend bizarren Zügen ausarten“ sollte? Am Freitag teilte Zoo-Sprecher Detlef Untermann mit, dass Blaszkiewitz sogar einen elektronischen Drohbrief erhalten habe. Die Kritik geht über die Person Blaszkiewitz hinaus. Längst scheinen viele Tierliebhaber die Einrichtung Zoo in ihrer jetzigen Form grundsätzlich zu hinterfragen.