Das bewegte Berlin: Der Finanzsenator
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In „Das bewegte Berlin“ nehmen Babel-Autoren rückblickend das Top-Thema der vergangenen Woche in der deutschen Hauptstadt auf. Die Sichtweise ist subjektiv, analytisch, kommentierend aber immer auch informierend. Schreibt uns in Kommentaren eure Meinung zum Thema. Von Matthias Jekosch Wenn Thilo Sarrazin (SPD) so weitermacht, kann er bald ein Büchlein mit seinen besten Sprüchen heraus bringen.
Dick genug würde es werden, denn der Berliner Finanzsenator nimmt kein Blatt vor den Mund – dafür ist er bekannt. Doch in der letzten Woche häuften sich seine Bemerkungen, die von vielen empört aufgenommen wurden.
Erst Mitte Februar rechnete er Hartz IV-Empfängern vor, wie sie sich vom Essensgeld von knapp vier Euro am Tag ernähren könnten. Brötchen, Spaghetti und Leberkäse standen auf seiner Modell-Speisekarte, mit der er es sich mit der denkbar größten Wählergruppe für linke Parteien in Berlin verscherzte. Rund 660.000 Menschen leben in der Hauptstadt von staatlicher Hilfe. Selbst der eigenen Partei gingen die Äußerungen zu weit. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit nannte eine solche Auflistung „völlig überflüssig“.
Doch Sarrazin wäre nicht Sarrazin, wenn er sich von der Kritik, die auf ihn niederprasselte, entmutigen lassen würde. Bei einer Veranstaltung in der rheinland-pfälzischen Botschaft in Berlin behauptete er, dass Schüler aus Bayern ohne Abschluss mehr könnten, als Berliner Schüler mit Abschluss. Nachdem die „Main-Post“ dies vor einer Woche vermeldete, stiegen alle Berliner Zeitungen auf die Äußerungen ein. Im Boulevard war gar von einem „Maulkorb“ für den Finanzsenator die Rede. Der SPD-Fraktionschef im Berliner Abgeordnetenhaus, Michael Müller, sagte gegenüber der Presse, er sei „erstaunt und verärgert“. Sarrazin verwies immer wieder darauf, dass die Äußerung im Scherz gefallen sei.
Die Aufregung war noch nicht abgeebbt, da machte Sarrazin wieder Schlagzeilen. In einer Fernsehsendung wollte er eigentlich sein Hartz-Menü entschuldigen und gab zu, dass es falsch war, seine Berechnungen „in einen Speiseplan zu gießen“. Doch dann äußerte er sich in erstaunlicher Weise für einen Finanzsenator über Schwarzarbeiter: „Ehe jetzt einer im 20. Stock sitzt und den ganzen Tag nur fernsieht, bin ich schon fast erleichtert, wenn er ein bisschen schwarz arbeitet.“
Der 63-jährige erhielt allerdings ebenso Zuspruch in Zeitungskommentaren. Auch Wowereit meinte, er sei "eine Art politischer Günter Netzer. Bisweilen genial, gerne etwas lauter, aber nicht jeden Tag teamfähig." Und entblößt man die markigen Worte als schlichte politische Aussagen, dann würden sicher mehr Leute dem Senator beipflichten. Übersetzt sagt der eigentlich nur: Transferleistungen zu erhöhen trägt nicht dazu bei, die Leute in Arbeit zu bringen. Die Qualität des Berliner Unterrichts fällt hinter den in bayerischen Schulen zurück. Jemand der schwarz ein Haus baut, bringt der Volkswirtschaft immer noch mehr, als jemand, der nichts tut. Auch wenn man dem nicht zustimmen muss - es hört sich schon ganz anders an.