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Dan Perjovschi: „Ich komme aus eurem Utopia“

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KulturDossier Immigration

Dan Per­jov­schi ist 1961 in Sibiu/Ru­mä­ni­en ge­bo­ren und heute ein Star in der Kunst-Sze­ne. Als wir in eine Bar gehen, staunt der Kell­ner, als die ele­gan­te Mu­se­ums­di­rek­to­rin ihm vol­ler Zärt­lich­keit und Be­wun­de­rung um den Hals fällt. Als es um den Kom­mu­nis­mus ging, streiten wir uns. 

Dan ist ge­ra­de dabei die Schei­ben des Mu­se­ums für Im­mi­gra­ti­ons­ge­schich­te in Paris mit schwar­zen und wei­ßen Mar­kern zu be­ma­len, als wir ihn tref­fen. Ar­bei­ten ohne Farbe seien nicht tri­vi­al, son­dern ra­di­ka­ler. Dan hat sich als Car­too­nist und Ka­ri­ka­tu­rist einen Namen ge­macht. Nach Zu­sam­men­bruch des So­zia­lis­mus hat er sich in Ru­mä­ni­en aktiv am Auf­bau der Zi­vil­ge­sell­schaft be­tei­ligt. 

In sei­nen Wer­ken kom­men­tiert er immer auch das Ta­ges­ge­sche­hen des Lan­des, in dem er sich be­fin­det. In Paris sind es die Af­fä­re des Prä­si­den­ten Hol­lan­de, der um­strit­te­ne Ko­mi­ker Dieudonné und der aus­ge­wan­der­te Schau­spie­ler Dépar­dieu, di er thematisiert. Mit sei­nen Ar­bei­ten war er schon im MoMa in New York, im Tate Mo­dern in Lon­don und bei der Ruhr­tri­en­na­le zu  sehen. 

Café Babel: Hast du die De­bat­te über ru­mä­ni­sche und bul­ga­ri­sche Im­mi­gra­ti­on in den Me­di­en ver­folgt?

Dan Per­jov­schi: In Groß­bri­tan­ni­en, wo Im­mi­gran­ten ge­ra­de be­son­ders im Kreuz­feu­er ste­hen, wird mit Angst Po­li­tik ge­macht. „Diese Leute kom­men, um eure Jobs weg­zu­neh­men!“ In Wirk­lich­keit kom­men wir, um Toi­let­ten zu put­zen. Au­ßer­dem kom­men viele Me­di­zi­ner aus Polen, Ru­mä­ni­en und Bul­ga­ri­en. Des­halb fin­dest du keine Dok­toren mehr bei mir zu Hause. Na­tür­lich kom­men wir auch um, zu steh­len und zu bet­teln, aber wir kom­men eben auch, um uns um eure Alten zu küm­mern, denn dafür hat in West­eu­ro­pa kei­ner Zeit.

Woran liegt es, dass Ru­mä­nen und Bul­ga­ren so eine schlech­te Pres­se be­kom­men?

Dan Per­jov­schi: Die ru­mä­ni­sche Re­gie­rung hat nichts da­ge­gen getan, dass jetzt so schlecht über Im­mi­gran­ten ge­re­det wird. Es war ja schon vor­her klar, dass die Frei­zü­gig­keit (seit dem 1. Ja­nu­ar 2014, Anm. d. Red.) ei­ni­ge Dis­kus­sio­nen her­vor­ru­fen würde. Es gibt schon ein lange ein ru­mä­ni­sches Exil in Paris, Con­stan­tin Bran­cu­si (Bild­hau­er, Anm. d. Red.) wird di­rekt am Cent­re Pom­pi­dou aus­ge­stellt, Io­nesco wird hier in den Thea­tern ge­spielt. Ru­mä­nen haben¨sich also in West­eu­ro­pa be­haup­tet. Aber kein Po­li­ti­ker in Ru­mä­ni­en spricht dar­über. Ich finde die­sen Zu­stand lä­cher­lich.

Wie wer­den Im­mi­gran­ten in Ru­mä­ni­en will­kom­men ge­hei­ßen?       

Dan Per­jov­schi: Um offen zu seien: Ru­mä­nen sind ras­sis­tisch. Zi­geu­ner wer­den für alles ver­ant­wort­lich ge­macht. Alles, was über Roma be­rich­tet wird, hat mit Kri­mi­na­li­tät zu tun. Roma be­kom­men ihre ob­li­ga­to­ri­schen Sitze im Par­la­ment, aber dür­fen nicht mit­re­den. Das ist ab­sto­ßend.

Ich komme aus eurem Uto­pia

Wie gehst du in dei­ner Kunst damit um?                                               

Dan Per­jov­schi: Ich bin kein po­li­ti­scher Künst­ler, ich bin ein Künst­ler mit einer po­li­ti­schen Agen­da. Ich habe selbst nicht an De­mons­tra­tio­nen teil­ge­nom­men, aber man­che Leute haben meine Ar­bei­ten bei Face­book run­ter­ge­la­den und sie dann aus­ge­druckt zu De­mons­tra­tio­nen mit­ge­nom­men. Ich bin eben Künst­ler und kann nicht mein Leben dem Pro­test wid­men, wie es man­che Green­peace-Ak­ti­vis­ten tun, die sich an Par­la­men­ten fest­ket­ten. Aber ich habe mo­ra­li­sche Stand­punk­te.

Wel­che?

Dan Per­jov­schi: Es wird euch wahr­schein­lich scho­ckie­ren, aber ich halte nichts von so­zia­lis­ti­scher Theo­rie. Ich komme aus eurem Uto­pia und ich sage euch, es war nicht gut.

Viel­leicht wurde der So­zia­lis­mus nur falsch um­ge­setzt.

Dan Per­jov­schi: Das ist mein Leben und nicht euer Leben. Ich lebte auf der Seite der Ber­li­ner Mauer ohne Graf­fi­ti, ohne Mei­nungs­frei­heit, alles in un­se­rer Ge­sell­schaft war kon­trol­liert. Also gebt mir kei­nen Bull­s­hit mit der so­zia­lis­ti­schen Idee.

Zur so­zia­lis­ti­schen Idee ge­hört aber keine Stasi.                                                                                                                                                                   Dan Per­jov­schi: Dann nennt mir ein so­zia­lis­ti­sches Land ohne Ge­heim­diens­te!                                                                                                                                                    

Ist es denn heute bes­ser mit der NSA?                                                                                                        

Dan Per­jov­schi: Kommt nur mal in mein Land und schaut euch an was der So­zia­lis­mus dort an­ge­rich­tet hat und dann be­schwert euch über West­eu­ro­pa. Ich habe im so­zia­lis­ti­schen Ru­mä­ni­en ge­lebt: einer Mi­schung aus Nord­ko­rea und einer ex­trem na­tio­na­lis­ti­schen Ideo­lo­gie.

NORD­KO­REA UND EINE EX­TREM NA­TIO­NA­LIS­TI­SCHE IDEO­LO­GIE

Aber du äu­ßerst Kri­tik am heu­ti­gen Sys­tem in dei­ner Kunst.

Dan Per­jov­schi:Das po­li­ti­sche Sys­tem muss sich än­dern. Weil ich nicht ver­ste­he, warum Po­li­ti­ker ent­schei­den kön­nen und ich als Künst­ler nicht.

Was ist der Un­ter­schied zwi­schen dem da­ma­li­gen so­zia­lis­ti­schen Sys­tem und heute in Ru­mä­ni­en?

Dan Per­jov­schi:Ich bin in einer markt­frei­en Ge­sell­schaft groß­ge­wor­den. Also woll­te ich mei­nen Freun­den ge­fal­len, weil ich ja kein Geld ver­die­nen konn­te. Nach einem Gulag von 50 Jah­ren unter der so­zia­lis­ti­schen Ideo­lo­gie möch­test du Un­ab­hän­gig­keit, In­di­vi­dua­li­tät und Be­sitz. 25 Jahre nach der Wende wan­de­re ich nach links. Jetzt gibt es auch in Ru­mä­ni­en einen Markt für Kunst. Junge Künst­ler träu­men davon auf der Ba­se­ler Kunst­mes­se aus­zu­stel­len und Geld zu ma­chen.

Das Video wurde von Alex­and­re Mar­ti­nez für Café Babel rea­li­siert. 

Die­ser Ar­ti­kel er­scheint in einem Dos­sier von Café Babel, das sich mit Im­mi­gra­ti­on aus­ein­an­der­setzt.