Côte d'Ivoire – vom Regen in die Traufe
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natalie hessDie ehemalige Elfenbeinküste geht in einer Krise unter und stört das Gleichgewicht einer gesamten Region. Europa und insbesondere Frankreich müssen sich neu orientieren.
Als im Jahre 1993 der alte und müde Präsident Houphouët-Boigny stirbt, fragen sich Beobachter, wer die Nachfolge des Patriarchen, antreten wird: Premierminister Alassane Dramane Ouattara oder der Präsident der Nationalversammlung, Henri Konan Bédié, dem die Verfassung den Vorrang gibt. Sehr schnell tritt letzterer im Fernsehen in Erscheinung, um seine Macht zu verkünden und um das Volk zu bitten, „seine Präsidentschaft anzuerkennen und, demzufolge, sich in seinen Dienst zu stellen“.
Der schwache Präsident Henri Konan Bédié gezwungen durch eine ausgeprägte ökonomische Krise seines Landes, wandelt das Konzept der ‚Ivoirité’ in eine Waffe der Diskriminierung um. Diese lokale Version einer nationalen Bevorzugung gestattet ihm außerdem, einige seiner gefährlichsten politischen Feinde zu disqualifizieren, so auch seinen Rivalen Outtara.
Ende 1999 kann General Guei (Armeechef unter Houphouët) durch Unterstützung eines Großteils der Bevölkerung Bédié seines Amtes entheben. Aber schnell müssen die Illusionen aufgegeben werden: Guëi, findet Gefallen an der Macht und nimmt die Fackel der ’Ivoirité’ wieder auf, um durch Teilung zu herrrschen.
Streit und Gewalt als Machtbasis
Im Oktober 2000 werden überstürtzt Wahlen abgehalten. Mit Hilfe von Laurent Gbagbo kann Guëi 10 der 15 anderen Kandidaten bei den Präsidentschaftswahlen ins Abseits stellen. Die Wahlbeteiligung ist lächerlich gering. Guëi verkündet seinen Sieg, doch aufgrund von Straßendemonstrationen muss er bald einen Rückzug antreten. Laurent Gbagbo, gewählt unter diesen unheilvollen Bedingungen, treibt die ‚Ivoirité’ auf ihren Höhepunkt. Die gesamte Bevölkerung muss erneut einen Personalausweis beantragen; je nach Region oder oder Volksgruppe in einer anderen Farbe, und natürlich schwieriger in den Zonen zu erlangen, die der Macht am wenigsten freundlich gesonnen sind.
Gleichzeitig wird die Gewalt zu einem alltäglichen Instrument der Regierung, wie auch Untersuchungen der Vereinten Nationen unterstrichen haben. Milizen organisieren sich und Todesschwadronen entstehen, die im Land selbst (Massengrab von Yopougnon im Oktober 2000) wie auch im Ausland (Keita-Affäre in Burkina Faso Anfang 2002) intervenieren.
Ein halber Putsch spaltet das Land
Ein Aufstand am 19. September 2002 scheitert in Abidjan, aber die Aufständischen übernehmen die Kontrolle im Norden des Landes. Gbagbo spielt die Karte eines Verteidigungsabkommens mit Frankreich, damit die ehemalige Kolonialmacht durch ihre offenkundige militärischen Überlegenheit den Vormarsch der Gegner aufhält. Die Front festigt sich und teilt das Land in zwei Regionen. Es beginnt ein Kreislauf von endlosen Verhandlungen, die im Januar 2003 in Marcoussis nahe Paris in einem richtungsweisenden Einverständnis gipfeln, das einen Versöhnungprozess einleiten soll. Von der Zusammensetzung einer Regierung der nationalen Einheit, über die Entwaffnung bis zur unter diesen Bedingungen versprochenen Hilfe durch die Europäische Union ist qlles in diesem Abkommen enthalten.
Kaum nach Abidjan zurückgekehrt, stellt sich Gbabgo taub und widersetzt sich der Übereinkunft. Seitdem gibt es einige Fortschritte (Unterzeichnung eines Waffenstillstands), jedoch auch immer wieder Tragödien, wie am 25. März diesen Jahres, als eine friedliche Demonstration durch Milizen und Ordnungskräfte brutal unterdrückt wird. Mindestens 120 Personen werden getötet.
Das politische Leben erstarrt: Zwischen einem auf seinen Positionen beharrenden Präsidenten, den Rebellen, die nunmehr vereinigt unter der Bezeichnung „Forces nouvelles“, 60% des Territoriums verwalten, und einer Koalition der Oppositionsparteien, die sich programmatisch mit den genannten „forces nouvelles“ zusammen tun.
Einmischen oder nicht?
Die internationalen Kräfte und insbesondere die französischen waren durch Laurent Gbagbo gerufen worden, um sein Regime zu retten. Sie blieben, um eine immer latente Tragödie zu verhindern. Insbesondere Frankreich ist sehr beunruhigt aufgrund der 15 000 französischer Staatsbürger in Côte d'Ivoire.
Ob dies nun als eine humanitäre Intervention oder eher als eine Verteidigung der Kolonialinteressen Frankreichs angesehen werden kann, ist nicht eindeutig zu erkennen. Die Frage, wie weit sich die internationale Gemeinschaft in einen inneren Konflikt eines Landes einmischen soll, lässt sich nicht leicht beantworten.
Tatsache ist jedoch, dass im Falle Côte d'Ivoire die Destabilisierung dieses Landes ein sehr großes Risiko für die ganze Region darstellt. Mit dem Sitz der westafrikanischen Zentralbank ist Côte d'Ivoire seit 40 Jahren ein Dreh- und Angelpunkt der westafrikanischen Währungsunion und erwirtschaftet 40% des BIP der Region. Nach den Krisen in Liberia und Sierra Leone greifen die Unruhen in Côte d'Ivoire schon auf Mali, Burkina Faso, Guinea und bis zum Senegal über.
Im Angesicht der unfähigen Akteure erfordert die Situation eine Intervention von außen. Multilateralismus ist notwendig, um den Imperialismus eines einzigen Staats zu vermeiden – unabhängig, ob es sich um einen afrikanischen Nachbarn, die USA oder um Frankreich handelt. Insbesondere Frankreich hält in Bezug auf Côte d'Ivoire an seinem kolonialen Erbe fest, da es dieses Land als niemals wirklich unabhängig angesehen hat. Auch wenn "La Francafrique" nicht mehr die gleiche wichtigkeit haben mag, haben doch einflussreiche Industriegruppen wie Bouygues oder Bolloré dort enorme Summen investiert und erwarten weiterhin ihre Interessen in Côte d'Ivoire wahrnehmen zu können.
Um die Krise zu bewältigen, muss der internationale Druck auf die lokalen Protagonisten anhalten und verstärkt werden. Eine Kombination von Afrikanischer Union, Europäischer Union und den Vereinten Nationen erscheint in diesem Zusammenhang als die sinnvollste Maßnahme.
Translated from La Côte d’Ivoire, de Charybde en Scylla