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Charlie Hebdo: Wiederholungstäter im Namen der Meinungsfreiheit

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Gesellschaft

Das Pariser Satire-Magazin Charlie Hebdo hat am Dienstag erneut Mohammed-Karikaturen veröffentlicht. Vor allem Frankreich und die USA befürchten, dass diese die antiwestliche Stimmung in islamisch geprägten Ländern weiter anheizen.

Während einige Kommentatoren dem Magazin Verantwortungslosigkeit und Profitgier vorwerfen, warnen andere den Westen vor einer Selbstzensur aus Angst vor religiösem Fundamentalismus.

Le Soir: Charlie Hebdo gießt Öl ins Feuer; Belgien

Das Satireblatt Charlie Hebdo beruft sich auf die Meinungsfreiheit und heizt damit einen schwelenden Konflikt weiter an, ärgert sich die linksliberale Tageszeitung Le Soir: "Auf die Veröffentlichung der Zeichnungen zu verzichten, hätte in keiner Weise unsere freiheitlichen Prinzipien in Frage gestellt. Charlie Hebdo schmückt sich mit vermeintlichen Tugenden. Doch damit dient das Satireblatt nicht der Meinungsfreiheit, sondern benutzt diese, um Öl ins Feuer zu gießen. Der Schaden ist angerichtet. Wie kann man an die Vernunft appellieren? Wie kann man weitere Todesopfer verhindern? Wie soll man den Muslimen nun erklären, dass echte Demokraten sie ganz bestimmt nicht durch die Veröffentlichung von beleidigenden Zeichnungen oder eines dummen Films kränken wollen? Wo die große Mehrheit der Muslime uns das Recht auf freie Meinungsäußerung und die Veröffentlichung von Karikaturen doch auch gar nicht abspricht. [...] Alle Mühe ist umsonst. Auf beiden Seiten gibt es Brandstifter, die sich jeglichen beschwichtigenden Worten gegenüber taub stellen." (20.09.2012)

Le Nouvel Observateur: Populistisches Blatt und nicht Medium der Freidenker; Frankreich

Charlie Hebdo missbraucht die Meinungsfreiheit, um seine Verkaufszahlen zu steigern, kritisiert das linksliberale Wochenmagazin Le Nouvel Observateur: "Was die Angriffe auf Muslime betrifft, ist Charlie Hebdo ein Wiederholungstäter. [...] Wenn Charlie Hebdo nun erneut Ziel eines Anschlags wird, kann das Blatt freudig sagen: 'Wir haben euch ja gewarnt, dass das Verrückte sind.' Das Ganze ist ein Teufelskreis und dieser darf sich auf keinen Fall wiederholen. Der schlechteste Dienst, den man dieser Zeitung erweisen kann, ist ein gegen sie gerichteter Gewaltakt. Stattdessen sollte man sich für eine politische Kritik entscheiden. Man muss Charlie Hebdo entlarven und klar machen, dass diese Zeitung kein Medium der Freidenker mehr ist, sondern ein populistisches Blatt. Heutzutage in Frankreich über Muslime herzuziehen, zeugt nicht von Mut. Die Redaktion argumentiert mit dem Recht der Meinungsfreiheit. Doch tatsächlich ist ihr Ziel, ihre sinkenden Verkaufszahlen durch regelmäßige Hiebe gegen Muslime in die Höhe zu treiben." (19.09.2012)

Corriere della Sera: Der Grund für die Zensur ist einzig und allein die Angst; Italien

Der Westen darf jetzt nicht aus Angst vor islamischen Fundamentalisten klein beigeben und sich in der Selbstzensur üben, drängt die liberal-konservative Tageszeitung Corriere della Sera: "Die Reaktion der Fundamentalisten mit ihrer Wut und sogar mit ihren Mordabsichten richtet sich nicht gegen Karikaturen oder Videos von zweifelhafter Qualität, sondern gegen die Demokratien, die deren Verbreitung erlauben und keine systematische staatliche Zensur betreiben. Die Meinungsfreiheit als solche ist für die Fundamentalisten ein Frevel und jede Gemeinschaft, die nicht von Glaubenswächtern tyrannisiert wird, ist eine unreine Welt, die es zu vernichten gilt. [...] Im Westen ist die Versuchung groß, sich mit Zensur zu behelfen, aus Furcht vor den Folgen des unverantwortlichen Ausnutzens freiheitlicher Prinzipien. Doch wenn man versucht, dieses neue Zensur-Syndrom mit einer zwar gebildeten aber unvollständigen Interpretation von Voltaires Traktat über die Toleranz zu begründen, ist dies pure Heuchelei. Denn der Grund für die Zensur ist einzig und allein die Angst. Die Angst vor einer ungeheuerlichen und gewalttätigen Reaktion des Islams." (20.09.2012)

Financial Times Deutschland: Es sind Fanatiker, die Gewalt ausüben, nicht Karikaturen; Deutschland

Satire muss Grenzen ausloten und darf deshalb auch die Furcht vor religiösen Fundamentalisten thematisieren, argumentiert die liberale Financial Times Deutschland: "Dass dieser Vorstoß nun von linksliberaler Seite kommt und nicht mehr nur aus der rechtspopulistischen Schmuddelecke, ist umso besser. Seit sich der Islam stark politisiert hat, [...] wächst die Furcht im Westen vor religiösen Fundamentalisten. Es sind diese Fanatiker, die Gewalt ausüben, nicht irgendwelche Karikaturen. Die Folge ist die Angst im Westen, etwas Falsches zu sagen, zu zeichnen oder, wie im Falle des umstrittenen Mohammed-Films, zugänglich zu machen. [...] Den Film hat bislang ohnehin kaum einer gesehen, es kursiert nur der Trailer. Und einige islamische Länder haben den Internetzugriff darauf längst gesperrt. Trotzdem gingen die Fanatiker, die in ihren Ländern um die Macht und Anhänger kämpfen oder von eigenen Missetaten ablenken wollen, auf die Straße. Und wenn es nicht wegen irgendeines obskuren Films oder wegen der Karikaturen gewesen wäre, dann eben wegen irgendetwas anderem. Das ist nur der Anlass für die Gewalt, nicht der Grund." (20.09.2012)

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Illustrationen: Teaserbild (cc)JessikaOri/flickr

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