Participate Translate Blank profile picture
Image for 'Call Me Kuchu' auf der Berlinale: Ugandas LGBT im Kampf für Gleichberechtigung

'Call Me Kuchu' auf der Berlinale: Ugandas LGBT im Kampf für Gleichberechtigung

Published on

Gesellschaft

In ihrer berührenden Dokumentation Call Me Kuchu zeigen die amerikanischen Regisseurinnen Katherine Fairfax Wright und Malika Zouhali-Worrall das Leben und den Kampf von schwulen und lesbischen Aktivisten und Aktivistinnen in Kampala, der Hauptstadt Ugandas. Die „Kuchus“, wie sie vor Ort genannt werden, kämpfen mutig gegen die Widerstände eines repressiven Systems für ihre Gleichberechtigung.

Der berühmte Aktivist David Kato wurde im Januar 2011 ermordet. Die Doku feierte ein Jahr später, am 11. Februar, auf der Berlinale Weltpremiere. Cafebabel.com Berlin war dabei.

Cafebabel.com Berlin: Katherine, Malika, ihr habt es geschafft, den Aktivisten sehr nahe zu kommen. Da ihr beide nicht aus Uganda kommt: War das schwierig?

David Kato war die erste Person, mit der wir in Uganda Kontakt hatten, als wir 2009 noch in Amerika anfingen, für den Film zu recherchieren. Nach unserer Ankunft in Kampala war David auch derjenige, der uns den Mitgliedern der Kuchu-Community vorstellte. Wie sich später zeigen sollte, war dies der entscheidende erste Schritt, um das Vertrauen der Community zu gewinnen. Wir haben uns große Mühe gegeben, alle in der Community sehr respektvoll anzusprechen und genau zu erklären, was wir eigentlich vorhaben. Wir haben auch versucht klar zu machen, dass wir ihre Geschichten viel stärker dokumentieren wollten, als sie das von den Schnipseln gewohnt waren, die Journalisten normalerweise verlangen. Natürlich gab es Menschen, die nicht gefilmt werden wollten, und wir haben diesen Wunsch selbstverständlich respektiert. Diejenigen aber, die sich entschieden haben, uns ihr Leben zu öffnen, haben das gemacht, weil sie bei einem Projekt mitmachen wollten, das ihre Geschichten nach außen trägt, und wir waren überrascht über die Intimität, die das erzeugt.

Cafebabel.com Berlin: Ihr habt dabei auch David Kato sehr persönlich kennen gelernt. Wie unterscheidet sich der David Kato, den ihr getroffen habt, von dem öffentlich bekannten Menschenrechts-Aktivisten?

Seit seiner Ermordung wurde David in der Öffentlichkeit mythologisiert und als mutiger und leidenschaftlicher Menschenrechts-Aktivist dargestellt – und das ist auch exakt das, was er war. Aber wir haben in der Zeit, in der wir mit ihm gearbeitet haben, auch einen Mann kennen gelernt, der charismatisch, verletzlich und scharfsinnig war, aber auch Angst hatte, alleine zu schlafen. Wie bei den Helden jeder Bewegung wurden einige dieser Nuancen überdeckt durch seine Leistungen. Wir hoffen, dass Call Me Kuchu als Charakterstudie hilft, das öffentliche Bild David Katos zu ergänzen, damit die Leute verstehen, dass er ein normaler Mann war, der erstaunlich weit ging, um Ugandas lesbische, schwule, bisexuelle und transgender-Community (LGBT) zu befreien.

Trailer von 'Call me Kuchu'

Cafebabel.com Berlin: Was war eure Motivation, gerade nach Uganda zu fahren und dort einen Film über LGBT-Rechte zu machen?

Wir hatten beide über die Vorlage von Ugandas Anti-Homosexualitäts-Gesetz gelesen und waren zunehmend wegen dessen Konsequenzen beunruhigt. Malika beschäftige sich auch mit dem Fall von Victor Mukasa, einem Transgender-Mann, der, kurz bevor das Gesetz vorgelegt wurde, einen wichtigen Prozess vor dem Obersten Gerichtshof gewonnen hatte. Es war interessant zu sehen, dass einerseits die Unzuchtsgesetze immer noch regelmäßig angewandt wurden und sogar härtere Gesetze im Gespräch waren, gleichzeitig aber das Justizsystem des Landes unabhängig genug war, Kuchus zu gestatten, ihre Rechte einzufordern. Wir haben auch gelernt, dass die Auseinandersetzungen vor Gericht von einer zunehmend organisierten LGBT-Bewegung in Uganda genutzt wurden, um die staatlich sanktionierte Homophobie zurückzudrängen. Wir haben uns darüber unterhalten, nach Uganda zu fliegen, um uns die Situation vor Ort anzuschauen – und schon zwei Wochen später saßen wir an Bord eines Flugzeugs nach Kampala.

Natürlich hat Davids brutale Ermordung die Entwicklung des Films verändert – und bis zu einem gewissen Grad auch unsere Motivation, an dem Film zu arbeiten. Während wir immer darauf aus waren, die Geschichte von Kampalas Kuchus in der Welt bekannt zu machen, wurde dieses Gefühl nach Davids Tod viel dringender und auch persönlicher. Wir haben mehr oder weniger das ganze letzte Jahr seines Lebens dokumentiert. Da sein Leben plötzlich gewaltsam beendet wurde, endete es in der Zeit, als er auf dem Gipfel seiner Aktivität war. Als seine Philosophie am konkretesten und seinen Reden am besten formuliert waren, seine Stimme am kräftigsten und sein Verständnis für die Komplexität der Situation am stärksten. Wir beide haben deshalb die Verantwortung empfunden, sein Leben damit zu ehren, dass wir den besten Film machen, der uns möglich war, und dafür zu sorgen, dass er so viele Menschen wie möglich erreicht.

Cafebabel.com Berlin: Denkt ihr, dass der Film einen politischen oder sozialen Effekt haben wird?

Während die ugandische LGBT-Community mit Sicherheit unter der scharfen staatlich-gelenkten Homophobie leidet, sind viele der Kuchus, die wir getroffen haben, keineswegs nur Opfer. David Kato und die anderen Aktivisten haben hart gearbeitet, um ihr Schicksal mit allen möglichen Mitteln zu ändern: durch die ugandischen Gerichte, durch die Vereinten Nationen, durch die internationalen Medien. Im Ergebnis ist Call Me Kuchu eine nuancierte Geschichte von Emanzipation und Verfolgung.

Cafebabel.com Berlin: Was hat sich für euch persönlich durch Call Me Kuchu verändert?

Die wichtigste Erfahrung für uns beide war, die dem Filmemachen innewohnende Verantwortung deutlich vor Augen zu haben. Besonders wenn der Film von echten Menschen und umstrittenen Angelegenheiten handelt. In unserem Fall bedeutete diese Verantwortung nicht nur, kreativ und dennoch richtig die Lebensverhältnisse der Protagonisten darzustellen, sondern auch zu berücksichtigen, welche Folgen der Film für ihre Sicherheit in Uganda haben könnte. Während wir drehten, balancierten wir auf einem dünnen Seil, um sicherzustellen, dass wir intime Geschichten erzählen konnten, ohne Informationen preiszugeben, die irgendjemanden gefährden könnten.

Termine:

Weltpremiere: 11. Februar, 17:00, Cinestar 712. Februar, 14:30, Cinestar 7; 13. Februar, 22:30, Cinestar 7

Berlinale live: Mehr vom cafebabel.com Blog in Berlin lesen.

Illustrationen: Fotos ©callmekuchu.com/; Trailer: ©callmekuchu.com/trailer/Vimeo