cafébabel präsentiert: Mind The Gap
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Läuft alles rund in Sachen Gleichberechtigung in Europa? Von wegen. Mind the Gap widmet sich all den großen und kleinen Lücken, die noch bestehen: zwischen Männern und Frauen, sowie zwischen anderen gesellschaftlichen Gruppen. Mit vielfältigen, facettenreichen Geschichten aus ganz Europa.
Irgendwann in den letzten Jahren ist es passiert. Ich kann mich nicht mehr an den genauen Moment erinnern – war es auf einer Party, auf einer Veranstaltung, in der Redaktion oder bei einem Abend unter Freunden? Keine Ahnung. Was ich aber genau weiß, ist dies: Dieser eine, entscheidende Moment hat mich zu dem gemacht, was ich heute bin. Nämlich zu der Feministin. Die, die ihre Klappe nicht halten kann, wenn das Thema „Gleichberechtigung“ auch nur gestreift wird. Ganz ehrlich: Ich habe damit überhaupt kein Problem. Wenn jemand über mich sagt, ich sei eine „Feministin“ begreife ich das als Kompliment – hey, offenbar wissen die Leute, wofür ich stehe…. oder auch nicht.
Gleichberechtigung? Das geht noch besser, Europa!
Denn erstaunlich viele Menschen scheinen zu glauben, Feminismus sei altmodisch und überflüssig – die Gleichberechtigung ist doch längst erreicht! Frauen sind heute emanzipiert und unabhängig und selbst Männer bleiben mittlerweile für die Kinder zu Hause. Leute, sehen wir den Tatsachen ins Auge: Ja, wir befinden uns im Jahr 2016. Aber nur, weil Frauen wählen und arbeiten gehen dürfen, ohne sich vorher eine Erlaubnis einzuholen, heißt das noch lange nicht, dass in Europa in Sachen Gleichberechtigung alles super läuft. Nur ein paar Beispiele:
My body, my choice? Nicht überall: In Irland ist ein Schwangerschaftsabbruch nur dann erlaubt, wenn für die Schwangere Lebensgefahr besteht. In Andorra, Malta und San Marino herrscht totales Abtreibungsverbot, in Monaco, Liechtenstein und Polen sind sehr restriktive medizinische Indikationen nötig. Auch die sogenannte „Pille danach“ ist nicht überall in Europa problemlos zu bekommen: In Italien ist sie verschreibungspflichtig – der Arzt kann die Verschreibung außerdem aus „Gewissensgründen“ verweigern. Auch in Ungarn und Polen kann die „Pille danach“ nicht rezeptfrei in der Apotheke gekauft werden.
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit? Von wegen: Europaweit besteht eine Lohnlücke zwischen Männern und Frauen, Gender Pay Gap(GPG) genannt. Diese beschreibt die Differenz zwischen dem durchschnittlichen Brutto-Stundenlohn von Männern und Frauen. Ergebnis: Frauen verdienten 2014 im Schnitt 16 Prozent weniger als Männer.
Who run the world? Girls! Leider nicht, Beyoncé: Der Frauenanteil im Europäischen Parlament beträgt gerade mal 36,9 Prozent (Stand 2014). Und in den nationalen Parlamenten sieht es nicht besser aus: Durchschnittlich beträgt der Frauenanteil dort EU-weit 28 Prozent (Stand 2015).
Nein bedeutet nein? Wohl kaum: Laut einer EU-Studie von 2014 haben 33 Prozent der befragten Frauen seit ihrem 15. Lebensjahr körperliche und/oder sexuelle Gewalt erfahren – das entspricht 62 Millionen Frauen! 22 Prozent der befragten Frauen haben körperliche und/oder sexuelle Gewalt in der Partnerschaft erlebt. Von den jungen Frauen (18-29 Jahre) gaben 20 Prozent an, bereits Opfer von Online-Belästigung in den sozialen Medien oder in Form von E-Mails, SMS, etc. geworden zu sein.
Jede Menge Lücken
Darüber hinaus gibt es natürlich noch zahlreiche weitere Beispiele, die sich allerdings nicht immer in eindeutigen Statistiken zusammenfassen lassen – wie zum Beispiel der nahezu allgegenwärtige Sexismus im Alltag, am Arbeitsplatz und in den Medien. Natürlich sind Frauen nicht die einzigen, die sich mit Diskriminierung herumschlagen: Heterosexualität gilt immer noch als „Norm“, mit Homo- und Bisexuellen als exotische„Ausnahmen“. Und geht es um Geschlechteridentität, herrscht sowieso in vielen Köpfen Unverständnis: Menschen, die sich der binären Geschlechterordnung männlich/weiblich nicht zuordnen wollen (z.B. Transgender) gelten als seltsam. Transsexuelle werden meist immer noch als „Mann, der zur Frau wurde“ oder umgekehrt präsentiert.
Beim Thema Gleichberechtigung gibt es also jede Menge gaps – Lücken, Abstände, Klüfte – zwischen verschiedenen Gruppen. Die Medien haben die Macht, vielfältige Geschichten zu erzählen, verschiedene Erfahrungen zu beleuchten und die Art, wie wir über Geschlechtergerechtigkeit sprechen, zu verändern. Mind the Gap will genau das tun. Und ihr seid alle eingeladen, dabei mitzumachen.
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