Cafébabel Berlin: #BeyondTheCurtain reloaded
Published on
In eigener Sache: Heute erzählt Lilian Pithan vom cafébabel-Projekt Beyond the Curtain, das 2014 zum 25. Jahrestag des Mauerfalls von mehreren Local Teams lanciert wurde und dank eines Preises in seine zweite Runde gehen konnte. Diesmal gibt's von unseren Berlinern ein e-Mag und 5 Reportagen 'on the ground'.
cafébabel: Was genau steckt hinter dem Projekt #BeyondTheCurtain und wie ist die Idee dazu entstanden?
Lilian Pithan: Die Idee zu Beyond the Curtain hatte Tomás Mrva von Cafébabel Bratislava. Wir saßen in Nizza bei Shake Up! Europe mit anderen Babelianern aus Berlin, Wien, Warschau, Krakau, Prag und Ungarn zusammen und bastelten an Projekten für das Jahr 2014. Tomás meinte, dass wir ja eigentlich was zum Fall des Eisernen Vorhangs machen könnten. Das hat alle sofort begeistert. Das Gedenken an 1989 kann ja schnell sehr pathetisch, verstaubt und langweilig werden. Wir wollten herausfinden, was der Fall des Eisernen Vorhangs heute für junge Menschen bedeutet.
cafébabel: Welche Facetten des Lebens der Länder, die ihr besucht habt, wolltet ihr zeigen?
Lilian Pithan: Wir wollten vor allem zeigen, wie junge Leute an der ehemaligen Grenze heute leben - wie sie sich an 1989 erinnern, wie gut sie ihre Nachbarländer kennen, was sie über Europa denken. Wir wollten auch herausfinden, ob es noch eine Grenze gibt und was die Konzepte "Ost" und "West" heute eigentlich bedeuten.
cafébabel: Wie ticken junge Menschen in diesen Ländern heute? Lilian Pithan: In Bezug auf 1989 haben wir herausgefunden, dass es wirklich keine Grenze mehr gibt - die meisten jungen Menschen leben in Europa und nicht in irgendwelchen Blöcken. Das heißt natürlich nicht, dass Nationalstaatsgrenzen oder nationale Stereotypen und Vorurteile komplett verschwinden. Aber sie werden so langsam abgebaut.
cafébabel: Für die erste Runde #BeyondTheCurtain habt ihr 2014 einen Preis der Bundeszentrale für politische Bildung gewonnen. Warum habt ihr das Preisgeld für eine zweite Runde des Projekts verwendet?
Lilian Pithan: Weil wir Lust hatten, ein paar längere Reportagen vor Ort zu organisieren, um uns im Detail anzuschauen, wie junge Leute in der ehemaligen Grenzregion heute leben. Dabei war es uns auch wichtig, dass immer zwei Journalisten zusammenarbeiten - einer aus "Ost" und einer aus "West". Damit der Blickwinkel nicht einseitig ist und man vor Ort einen Dolmetscher hat.
cafébabel: Warum war euch die Terrain-Arbeit wichtig?
Lilian Pithan: Weil es zu einfach ist, aus der fernen Hauptstadt irgendetwas über Menschen und Situationen zu schreiben, die man nie gesehen hat. Dabei lernt man nicht wirklich etwas dazu - wir wollten durch die on-the-ground Reportagen auch unsere eigenen Vorurteile und Meinungen hinterfragen.
cafébabel: Mit welchen Hürden wart ihr konfrontiert? Lilian Pithan: Zu wenige Redakteure, um die ganze Organisation zu machen. Es ist anstrengend, so ein Projekt als Freiwillige zu betreuen. Aber es macht ja auch Spaß. Und mit viel Zeit- und Energieaufwand hat es dann ja doch geklappt. cafébabel: Gibt es nach 25 Jahren noch die berühmt-berüchtigte Mauer in den Köpfen? Lilian Pithan: Bei jungen Menschen eher nicht, zumindest nicht bewusst. Trotzdem sollte man sich fragen, warum so wenige Westeuropäer Erasmus im "Osten" machen, warum wir eher nach Barcelona als nach Bratislava fahren. Da gibt es sicher noch so einiges, was entdeckt und ausgeglichenen werden kann.
cafébabel: Der spannendste Moment?
Lilian Pithan: Als unsere Grafikerin Jee Hei die ersten Seiten des E-Magazins geschickt hat.
cafébabel: Der unentspannteste Moment?
Lilian Pithan: Drei Tage nach der Berlinale bemerken, dass wir nur noch 14 Tage Zeit haben und fast kein Text oder Video fertig ist.
cafébabel: Warum geht der Mauerfall ganz Europa an?
Lilian Pithan: Vielleicht nicht der Mauerfall, aber doch der Fall des Eisernen Vorhangs: Weil 25 Jahre nicht sehr lang sind und Europa, wie wir es heute kennen, keine Selbstverständlichkeit ist. Deswegen ist es auch ganz gut, sich immer wieder mal an 1989 zu erinnern. Außerdem kann und sollte man aus der Geschichte natürlich auch Schlüsse für die Gegenwart ziehen, die in Europa nicht unbedingt rosig aussieht: Flüchtlingsdramen im Mittelmeer, Ukraine-Krise, Rechtspopulismus und Wirtschaftskrise... Gerade deswegen ist es wichtig, nicht nur tränenreich an das Ende des Kalten Krieges zu erinnern und die neugewonnene Freiheit zu preisen, sondern Demokratie und Menschenrechte auch wirklich zu verteidigen - für uns selbst und auch für andere.