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Bundestag: Ich bin ein Expat - lasst mich wählen!

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Politik

Die Wahlen zum 17. deutschen Bundestag am 27. September 2009 rücken näher und manch ein Auslandsdeutscher wird sich wohl schon die Gretchenfrage nach der eigenen Wahlbeteiligung gestellt haben. Ist diese einmal beantwortet, ist ein Ende der Schwierigkeiten aber längst nicht in Sicht.

„Du, sag mal, was für eine Regierung haben wir eigentlich in Deutschland? Ist immer noch die Angie unsere Kanzlerin?“ Der deutsche Rentner, der sich Anfang September in Paris mit dem Zug auf den Weg in Richtung Heimat macht, spricht wohl so manchem Auslandsdeutschen aus der Seele. Denn die Entscheidung, das eigene Land zu verlassen bedeutet weit mehr als einen zeitlich begrenzten Wohnortwechsel: Für viele Weltenbummler zieht die Übersiedelung in ein anderes Land und einen anderen Kulturkreis einen Bruch mit dem eigenen Land nach sich, dessen deutlichstes Anzeichen ein schwindendes Interesse an der heimatlichen Politik ist.

Doch stützen sich Behauptungen über das Wahlverhalten der Auslandsdeutschen weit häufiger auf persönliche Erfahrungen und Mutmaßungen als auf harte Fakten. Denn auch wenn die Zahl der Anträge auf Briefwahl, die von den Auslandsdeutschen zu den Bundestagswahlen 2002 und 2005 gestellt worden sind, laut Bundeswahlleiter um 13% angestiegen ist, so lässt dies doch keine konkreten Aussagen zu, da eine Gesamtstatistik zur Zahl der Deutschen, die sich gegenwärtig im Ausland aufhält, nicht existiert. Die Dunkelziffer der Nichtwähler ist dementsprechend nicht feststellbar.

Der harte Kampf um die Stimmen der Weltenbummler

Auch wenn die Statistiken kein klares Bild ergeben, so scheint die Wahlbeteiligung der Auslandsdeutschen doch ein Problem zu sein. Das zumindest meinen die Intitiatioren der Internetkampagne Meine Stimme 09, die sich mit Hilfe moderner Kommunikationsmittel wie Facebook und Twitter bemühen, im Ausland lebende Deutsche zur Teilnahme an den Bundestagswahlen zu bewegen. Unter dem Motto „Ihre Stimme zählt!“ präsentieren die Verantwortlichen auf der eigens eingerichteten Internetseite www.meinestimme09.de nicht nur fünf gute Gründe zu wählen, sondern bieten auch Hilfestellungen für diejenigen an, die angesichts des Papierkriegs mit den Behörden zu verzweifeln drohen. 

Auch wenn Meine Stimme 09 propagiert, dass die Teilnahme an den Wahlen aus dem Ausland ganz einfach sei, so trifft dies leider nur selten zu. Dutzende Telefongespräche und mehrere Anträge später hatte ich die Hoffnung bereits aufgegeben. Auch wenn Frankreich nicht unbedingt auf der anderen Seite des Globus' liegt, war die Eintragung ins deutsche Wahlregister schwerer als gedacht. Sobald man sich nämlich aus Deutschland verabschiedet, wird man aus den Wählerlisten gestrichen und nicht länger automatisch an die Urne gebeten. Ich war für die Beamten einfach nur 'die Auslandsdeutsche', die aus einem ihnen vollkommen unerfindlichen Grund unbedingt bei der Wahl mitmischen wollte. Nachdem ich den gleichen Antrag zweimal ausgefüllt hatte, da die Behörden offensichtlich von organisatorischen Problemen geplagt wurden, erhielt ich vollkommen unverhofft Anfang September meinen Wahlbrief. Ich habe dann auch sofort mein Kreuzchen gemacht und den Brief abgeschickt. Jetzt habe ich zwar die nervigen Beamten besiegt, aber nun kommt ja noch die Post ins Spiel!

Die Auslandswahl als internationales Problem

Vergleicht man allerdings die Situation in Deutschland mit der in anderen Ländern, so sollten die Deutschen eigentlich keinen Grund zur Klage haben. Das 2007 erschienene Handbuch Voting from Abroad des schwedischen Think-Tanks International IDEA Institute for Democracy and Electoral Assistance macht das ganze Ausmaß des Problems deutlich. Auch wenn in 115 der 193 Ländern dieser Welt die Voraussetzungen für eine Wahlbeteiligung aus dem Ausland bestehen, so bedeutet dies noch lange nicht, dass diese die Wahl auch immer möglich machen. Die Verfasser der Studie kommen sogar zu dem Schluss, dass die Auslandswahl weiterhin eine „emergency operation“ sei, die vor allem unter dem hohen logistischem Aufwand und den extrem knappen Fristen leide. In Zeiten der Globalisierung, in der im Jahr 2000 einer von 35 Weltbürgern als „internationaler Migrant“ eingestuft wurde, sei eine Lösung des Problems daher nur umso dringender.

In Irland helfen nur noch Tricks

In Irland existiert keinerlei rechtliches System, dass es Auslandsiren erlaubt, an den Wahlen in ihrem Heimatland teilzunehmen.

Während einige Länder nur eine direkte Teilnahme an den Wahlen anbieten, existiert in den meisten Demokratien ein Briefwahlsystem. In einigen Ländern sind sogar „e-voting“ über das Internet oder die Wahl per Stellvertreter eine Option. Es gibt aber auch unrühmliche Ausnahmen. Ein besonders überraschendes Beispiel für das Desinteresse der Politiker an den Bürgern ihres Staates, die nicht im Inland leben, bietet die EU selbst: In Irland existiert keinerlei rechtliches System, dass es Auslandsiren erlaubt, an den Wahlen in ihrem Heimatland teilzunehmen. Als Grund für diese missliche Situation wird oft angeführt, dass es bei Weitem mehr Auslands- als Inlandsiren gäbe und erstere den Ausgang der Wahlen durch ihre Teilnahme über Gebühr beeinflussen könnten.

Auch wenn Organisationen wie das irische Emigrant Advice Network (Éan) diesen Missstand vermehrt angeprangert haben, hat sich auf politischer Ebene bislang wenig getan. Sinéad, eine irische Studentin, die momentan ein Erasmusjahr im Ausland absolviert, hat sich daher einen Trick überlegt. Ihre 17-jährige Schwester gleicht ihr aufs Haar und ist selbst noch nicht wahlberechtigt. Daher wird Sinéad sie einfach als ihr Double zur Wahl schicken. „Das ist zwar offensichtlich nicht legal, doch eine andere Möglichkeit gibt es einfach nicht,“ meint Sinéad. Sie sieht die Situation pragmatisch und nimmt die Gesetzesübertretung in Kauf. „Mir ist es wichtiger, an der Wahl teilzunehmen, schließlich hängt so viel von der Ratifizierung des (Lissabon-)Vertrags ab. Und außerdem würde meine Schwester ohnehin das Gleiche wählen wie ich!“

*Name von der Redaktion geändert.