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Bulgarien: Nationalismus auf allen Kanälen

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Die Parteimedien der nationalistischen Partei "Ataka" versorgen ihr Publikum mit xenophoben Botschaften. Täglich.

"Türkisierung. "Separatismus". Rechts im Bild weht die bulgarische Fahne - und das heute, 130 Jahre nach der Befreiung vom so genannten "osmanischen Joch": Der Dokumentarfilm Die neue Sklaverei lässt keinen Zweifel daran, dass die türkische Dominanz in den südbulgarischen Gebieten längst Realität ist. Die sechsteilige Doku-Serie war im vergangen Jahr der Publikumserfolg des Kabelsenders SKAT - zugleich mediales Sprachrohr der nationalistischen Partei Ataka, die radikal mit einer angeblichen "Lebenslüge" der bulgarischen Politik nach der Wende von 1989 aufräumt: dem friedlichen Zusammenleben unterschiedlicher ethnischer Gruppen.

Medienpartei Ataka

Atakas Erfolgsstory beginnt im Fernsehstudio: Denn die Partei ist ein Klon der gleichnamigen TV-Sendung ihres Chefs Volen Siderov. Dieser war vor seiner Politikerkarriere Journalist; zunächst Chefredakteur der antikommunistischen Tageszeitung Demokracija, danach beim populistischen Blatt Monitor. Siderov ist ein politisches Chamäleon: Zunächst Anhänger der Reformbewegung Vereinigung der Demokratischen Kräfte (VdK), sympatisierte er später mit dem aus dem spanischen Exil zurückgekehrten Ex-Zaren Simeon. Erst in den letzten Jahren entwickelte er eine radikal-nationalistische Position.

Richtig bekannt wurde der weißhaarige Mann mit dem stechenden Blick einerseits als Autor dreier verschwörungstheoretischer Monographien, andererseits durch seine Auftritte im Kabelfernsehen SKAT: Täglich hetzt Siderov in seiner 10-minütigen One-Man-Show gegen alle, die ihm nicht in den Kram passen: Roma, Türken, Juden, ausländische Investoren, Homosexuelle. Auch heute noch, als Abgeordneter der Nationalversammlung.

Noch ein zweites Medium - die Tageszeitung Ataka - verbreitet das Programm der Nationalisten. Berichte über die Kriminalität der Zigeuner, drohende Bauprojekte neuer Moscheen, sowie regelmäßige Interviews mit Ataka-Politikern füllen die 24 Seiten des Blattes. "Bei Ataka und SKAT gibt es keinen Unterschied zwischen medialer und politischer Öffentlichkeit", sagt der Sofioter Medienwissenschafter Orlin Spassov. "Die Partei Ataka hat als Medienpartei begonnen; nicht zufällig wurde der Name der Partei und Zeitung von Siderovs Sendung auf SKAT übernommen." SKAT ist damit seit der Wende 1989 die einzige TV-Station, die im Dienste einer Partei steht.

Die Siderov-Show

Siderov hat seinen medialen Bekanntheitsgrad geschickt in politisches Kapital umgewandelt. Im Sommer 2005, kurz vor den Parlamentswahlen, gründete er seine Partei Ataka – die erste Partei seit 1989, die xenophobe Ressentiments politisiert – und erlangte prompt acht Prozent der Stimmen. Ataka zog in die Nationalversammlung ein. Bei den Präsidentschaftswahlen im Oktober 2006 gelangte Siderov sogar bis zur Stichwahl – gegen den heute amtierenden Präsidenten Georgi Parvanov. Auch nach dem Urnengang zum Europäischen Parlament konnte Ataka drei von insgesamt 18 bulgarischen Europa-Abgeordneten versenden. Diese sind nun Mitglied in der neu gegründeten Rechtsaußen-Fraktion 'Identität, Tradition, Souveränität', der auch Jean Marie Le Pens Front National und die Großrumänienpartei angehören.

Aktionen gegen 'unbulgarische' Medien

Ataka macht ihrem Image einer Medienpartei alle Ehre: Oft stehen die als 'unbulgarisch' gebrandmarkten Medien im Visier der Gruppe. Im Februar 2007 stürmten Ataka-Anhänger das Redaktionsgebäude des WAZ-Konzerns in Sofia, um Redakteure der Wochenzeitung 168 Stunden wegen eines missliebigen Artikels persönlich zur Rede zu stellen. Der Abwehrkampf im Dienste des 'Bulgarentums' wird wiederum in den parteieigenen Medien übertragen und als Propagandaerfolg dargestellt. Der harte Kern der Wähler, der auch zu den regelmäßigen Medienkonsumenten gehört, befindet sich in einem hermetisch abgeschlossenen Informations-Zyklus.Der Kreis schließt sich: Für Widerspruch ist kein Platz mehr.

Straflose Hate Speech?

Heftige Reaktionen kamen aus dem zivilgesellschaftlichen Sektor. So brachte die Initiative 'Bürger gegen den Hass' Siderov wegen diskriminierender Aussagen gegenüber Minderheiten vor Gericht. Juliana Metodieva war als einzige Klägerin bislang erfolgreich. "Siderovs Aussage, 'Bulgarien den Bulgaren' hat mich diskriminiert, da ich armenischer Herkunft bin", erklärt die Sofioter Journalistin. Viele Prozesse ziehen sich in die Länge - vornehmlich auf Grund der Verzögerungstaktik von Siderovs Anwälten.

Im Medienbereich selbst greifen Kontrollmechanismen nur langsam. Im November 2004 unterzeichneten Vertreter von über 160 Medien einen 'Ethischen Kodex', der zu mehr Fairness im täglichen News-Business beitragen soll: der erste Versuch der Verankerung medienethischer Grundsätze im bulgarischen Journalismus. Doch weder Ataka noch SKAT sind Mitglied des Kodex' - für sie gelten diese Verhaltensregeln nicht.

Und während Journalisten, NGOs und demokratische Kontrollorgane sich wundern, wie man gegen die mediale Hetze von Ataka vorgehen könnte, sitzt die Gruppierung – zumindest derzeit - am längeren Ast. Atakas Medien haben einen neuen journalistischen Stil etabliert: einen nationalistischen Diskurs, täglich frisch über Äther und Papier aufbereitet.

Gefördert von der Stiftung 'Erinnerung, Verantwortung und Zukunft'

Dieser Artikel wurde im Rahmen eines Recherchestipendiums des Korrespondenten-Netzes n-ost verfasst.

(Intext-Fotos: ©Dagmar Gester)