Brüno - bieder war gestern
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„Borat war so 2006“. 2009 präsentiert Brüno nackte männliche Tatsachen auf europäischen Filmplakaten. Der neueste Streich des englischen Grenzwert-Komikers Sacha Baron Cohen ist schwul, Modejournalist und aus Österreich: Das Wiener cafebabel.com Team analüsiert das Phänomen.
Brüno - der Film hat seit einigen Tagen auch Österreich erreicht. Das kleine Alpenland hat den ihm prophezeiten Weltuntergang des Abendlandes jedoch heil überstanden. Die Befürchtungen in puncto Rufschädigung waren groß: Denn der Tourismus ist den Österreichern heilig. Emil Brix, Ressortleiter für Kulurangelegenheiten im Auswärtigen Amt, hatte vor dem offiziellen Filmstart am 10. Juli lautstark gegen den Universal-Streifen protestiert. Auch die Gay-Community in Österreich hatte Bedenken verlauten lassen. Würde Brüno im feinen Wiener Porzellanladen alles niedertrampeln?
Brüno ist nach Ali G und Borat die neueste Kreation des englischen Komikers und Verwechslungskünstlers Sacha Baron Cohen (37), der während seines Studiums ein Jahr in Wien verbracht hat. Seit einigen Tagen springt Cohen nun in knappen Höschen und perfekt epilierten Beinen als österreichischer, homosexueller Modejournalist mit seichtem, intellektuellem Niveau, über Europas Kinoleinwände und lässt dabei kein Fettnäpfchen aus. Die Handlung ist schnell erzählt: Nach seinem desaströsen Faux-Pas bei der Mailänder Fashion Week verliert Brüno seinen Job als Modejournalist bei seiner österreichischen Fernsehshow Funkyzeit. Daraufhin beschließt er nach L. A. zu gehen, um dort der berühmteste Österreicher seit Hitler zu werden.
Damit sind die Österreichreferenzen bereits abgehakt: kleine Seitenhiebe auf die Nazi-Vergangenheit des Landes, Anspielungen auf den Life Ball, eine Wiener Benefizveranstaltung, die in den USA vermutlich ein größeres Echo hat als in Österreich selbst, und das wandernde Klischee eines oberflächlichen, braugebrannten Sunnyboys mit starkem, österreichischem Akzent. In den Szenen, in denen Deutsch gesprochen wird, ist aber tatsächlich der Wiener Slang heraus zu hören.
Die Kunstfigur Brüno - ein homosexueller Nationalist, strohblond und absolut unsportlich - vereint Gegensätze, wie sie stärker kaum sein könnten. Die Couch des Doktor Freud kann er sich jedenfalls sparen. Sein Sexualtrieb ist voll ausgelastet, sein Witz jenseits der Gürtellinie. Als Zuschauer muss man sich ernsthaft fragen, was an den dekadenten Sexualszenen so komisch sein mag.
Brünos Amokhumor ist derb und rechnet mit allen Vorurteilen und Geistlosigkeiten der Gegenwart ab. Dabei entlarvt er den sinnentleerten Medienzirkus mit entwaffnender Blödheit: Brüno richtet sich jedoch mehr gegen die USA als die Ausschlachtung der Stereotype seines vermeintlichen Heimatlandes. Man muss ein schwarzes Baby haben, um auf der anderen Atlantikseite im Trend zu liegen, als Homosexueller wird man mit drastischen Methoden 'wieder auf den rechten Weg gebracht'. Brünos Aktionen bestehen darin, die Sachen zu Ende zu denken und Dinge umzusetzen, die jenseits jeglicher political correctness liegen.
Trotz einiger komischer Szenen, wird man des Galgenhumors im zweiten Teil des Films überdrüssig. So wirkt Brüno am Ende wie ein Punschkrapfen, den man versehentlich mit zu viel Schlagoberst serviert hat. Einfach too much.
Ist Österreich im Film glimpflich davon gekommen? Tatsächlich steht das Augarten Porzellan noch verstaubt in den Biedermeierschränkchen, die Sachertorte wird weiterhin an japanische Touristen verkauft und an dem glatten Walzer- und Musikliebhaberimage wird wieder poliert. Die Österreicher werden sich den Film ansehen. Auch das beste Brüno-Double wurde in der Boulevardpresse bereits gekürt. Aber umwälzen wird Brüno das kleine konservative Alpenland noch lange nicht.