Brexit: Europas größte Belastungsprobe
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Erstmals hat sich ein Land für den Austritt aus der EU entschieden. Die Briten stimmten im Referendum mit knapp 51,9 Prozent für den Brexit, 48,1 Prozent stimmten dagegen. Premier Cameron kündigte seinen Rücktritt an.
Financial Times: Das Ende Großbritanniens?; UK
Schotten und Nordiren haben sich mehrheitlich gegen den Brexit ausgesprochen, sie könnten sich nun von den mehrheitlich EU-kritischen Engländern abspalten wollen, fürchtet die Financial Times: „Die britischen Völker sind gespalten. In England verläuft eine Trennlinie zwischen den großen Städten und den post-industriellen Provinzen. [...] Das Votum gegen die EU könnte sich durchaus als Votum gegen Großbritannien erweisen. Bei den Brexit-Befürwortern handelte es sich um englische Nationalisten. Schottland und Nordirland wollten in der EU bleiben, ebenso London, die überragende globale Metropole. Der Austritt aus einer Union könnte also den Tod einer anderen Union bedeuten. Wer könnte den Schotten vorwerfen, Europa einem England vorzuziehen, das sich in sich selbst zurückgezogen hat? Wie lange noch werden die Engländer bereit sein, Geld nach Nordirland zu pumpen?“ (Artikel vom 24. Juni 2016)
Il Sole 24 Ore: Europa bekommt den Spiegel vorgehalten; Italien
Die EU wird sich schwer tun, diesen Schock zu überwinden, prophezeit Il Sole 24 Ore: „Die EU hat sich seit geraumer Zeit selbst brexitisiert - unter der Welle der Wut, der Frustration und der Ernüchterung ihrer Bürger. In diesem Sinne erscheint der eigentliche Brexit wie ein unbarmherziger Spiegel, der das schlechte Gewissen Europas zeigt - einer Union, die seit Langem mit sich hadert. Die Verhandlungen mit London werden zäh und kompliziert werden, Kompromissbereitschaft wird es - ganz anders als üblich - kaum geben, denn diesmal gilt es, Nachahmungseffekte zu verhindern. Erschwerend kommt hinzu, dass im kommenden Jahr in den Niederlanden, Frankreich und Deutschland gewählt wird. Die ersten beiden Länder stehen seit Jahren unter einem unerträglichen national-euroskeptischen Druck, während das dritte unter einem Anti-Migrations- und Anti-Euro-Syndrom leidet.“ (Artikel vom 24. Juni 2016)
Helsingin Sanomat: Cameron hat sich verzockt; Finnland
Camerons Referendum war von Anfang an eine schlechte Idee, schimpft Helsingin Sanomat: „Das schockierende Ergebnis von Freitagmorgen beweist, dass der konservative Premier David Cameron Anfang 2013 eine fatale Fehleinschätzung vorgenommen hat. Um seine und die Stellung seiner Partei zu stärken, versprach Cameron den Briten ein EU-Referendum. Er wusste um die große EU-Skepsis in Großbritannien, und er wusste, dass bei Referenden nicht immer über die eigentliche Sache abgestimmt wird. Dennoch ging er das Risiko ein und versprach das Referendum. Jetzt müssen die Konsequenzen getragen werden. [...] Die Einsätze bei dem Spiel waren hoch und Cameron hat verloren. Gleichzeitig haben auch Großbritannien und die gesamte Europäische Union verloren.“ (Artikel vom 24. Juni 2016)
Berlingske: Welcher Exit kommt als Nächstes?; Dänemark
Die Kettenreaktion ist ausgelöst, fürchtet Berlingske: „'Heute sprechen wir vom Grexit, morgen kommt der Brexit und übermorgen der Frexit', sagte Front National-Chefin Marine Le Pen schon vor einem Jahr. Auch in den Niederlanden, wo eine deutliche Mehrheit bei einem Referendum im April gegen ein EU-Handelsabkommen mit der Ukraine stimmte, kann ein Referendum über die EU aufs Tapet kommen, falls der EU-Kritiker Geert Wilders bei der Wahl im kommenden Jahr an die Macht kommt. [...] Man spricht bereits von einem Nexit. Und ein dänischer Exit - ein Dexit - wird auf Twitter und in anderen sozialen Medien schon im Zusammenhang mit dem Frexit und dem Nexit genannt. Nicht zuletzt hat ja EU-Gegner Nummer Eins, Nigel Farage, prophezeit, dass einem Brexit ein Dexit und ein Nexit folgen werden, ehe die EU völlig zusammenbricht. [...] Die Wortspiele dürften sich fortsetzen.“ (Artikel vom 24. Juni 2016)
Duma: Endet die EU wie die Sowjetunion?; Bulgarien
Sollte die EU nun weiter zerfallen, ist der Frieden in Gefahr, warnt die sozialistische Tageszeitung Duma: „Die Briten sind angewidert von der EU und ihrer Führung. Juncker verhält sich widerlich und arrogant gegenüber den Briten, und nicht nur ihnen gegenüber. Die EU ist ein Symbol dickhäutiger Bürokratie, sinnloser Quoten und unrealistischer Regulierungen. In solch einem ungesunden Umfeld ist es nicht verwunderlich, dass Nationalismen aufblühen und viele europäische Länder das sinkende Schiff verlassen wollen. Und dennoch: Wir haben in den 1990er Jahren gesehen, was passiert, wenn eine Union auseinanderbricht: Armenier, Georgier und andere Ex-Republiken der UdSSR sind sich gegenseitig an die Gurgel gegangen. Wäre es möglich, dass in der EU ähnliche Konflikte ausbrechen? [...] Und ob! Es wird wohl nach dem Brexit oder nach dem Auseinanderbrechen der EU nicht zum Krieg kommen, doch die Gefahr von Konflikten wird nun wesentlich höher sein.“ (Artikel vom 24. Juni 2016)
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